Datum: 01.01.2003

Energieträger Wasserstoff


Hohe Benzinpreise, Jahrhundertüberschwemmungen, Weltklimakonferenz -aus verschiedenen Gründen hat Wasserstoff (H2) als Energieträger in der aktuellen Diskussion immer wieder Konjunktur

Von Nicola Toenges

Bei der Verbrennung von H2 entsteht nur Wasser (H2O), also kein klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Auf den Treibstoffpreis wasserstoffbetriebener Autos hat das Ölkartell keinen Einfluss. Und Wasserstoff ist nahezu unbegrenzt verfügbar: etwa 15% aller Atome im Bereich der Erdoberfläche sind Wasserstoff- Atome.

Bei aller Euphorie tritt manchmal in den Hintergrund, dass Wasserstoff keine Primärenergie ist. Er kommt auf der Erde fast ausschließlich in gebundener Form vor, und zwar hauptsächlich in Wasser. Daneben ist Wasserstoff ein Bestandteil in Kohlenwasserstoffen wie Erdöl und Erdgas und in den organischen Verbindungen der belebten Natur. Der Wasserstoff muss also zunächst unter Einsatz von Energie aus diesen Verbindungen gelöst werden und kann dann in Form von H2 als Speichermedium dienen. Dieser Artikel soll einen Überblick über den existierenden und möglichen zukünftigen Einsatz von Wasserstoff als Energiespeicher liefern.

Seit Jahrzehnten etablierte Verfahren

Wasserstoff ist das leichteste aller Elemente, ein Gasmolekül H2 besteht aus zwei Wasserstoffatomen. Seine Energiedichte ist außergewöhnlich hoch - der Energiegehalt von einem kg H2 entspricht etwa dem von 3,5 Litern Öl. Deshalb wurde Wasserstoff als Treibstoff schon früh dort eingesetzt, wo das Gewicht ein größeres Problem als das Volumen darstellt, nämlich in der Raumfahrt.

Aber auch in weniger hochtechnologischen Gebieten hat Wasserstoff Tradition. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts beruhte die gesamte Gasversorgung auf Stadtgas. Dieses Kohlegas besteht zu mehr als der Hälfte aus Wasserstoff. Mit der zunehmenden Erschließung der Erdgasvorkommen wurde das Stadtgas jedoch von Erdgas verdrängt. Der weitaus größte Teil des weltweit umgesetzten Wasserstoffs stammt aus fossilen Quellen wie Erdgas oder Erdöl, die größten Endanwendungen sind H2- Industriebrenner und Gasturbinen mit H2/Erdgasgemischen. In der chemischen Industrie wird Wasserstoff zur Synthese diverser Produktstoffe verwendet oder fällt als Nebenprodukt an. Zur Verteilung gibt es Wasserstofftransport- und Speichersysteme.

Erzeugung ...

Wasserstoff ist ein Sekundärenergieträger, er muss zunächst unter Energieeinsatz erzeugt werden. Zur Beurteilung der Umweltrelevanz muss die gesamte Brennstoffkette von der Primärenergie bis zur Endanwendung betrachtet werden.

... unter Einsatz von Primärenergie (Wärme) aus Kohlenwasserstoffen

Das gängigste Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff aus Kohlenwasserstoffen, vor allem aus dem im Erdgas enthaltenen Methan, ist die Dampfreformierung. Dabei wird ein Gemisch aus Wasserdampf und Methan bei etwa 900° C über einen Katalysator geleitet, wobei im wesentlichen Kohlenmonoxid und Wasserstoff entstehen. Das entstandene Kohlenmonoxid wird nochmals mit Wasserdampf an einem Katalysator zu weiterem H2 und Kohlendioxid umgesetzt, diesmal bei 450 C°. Da CO2 in kaltem Wasser löslich ist, kann es aus dem Gasgemisch ausgewaschen werden. Bei diesem Verfahren entsteht, wie schon gesagt, CO2. Stammen die Kohlenwasserstoffe aus fossilen Energiequellen, ist nichts gewonnen. Es wird jedoch an Methoden gearbeitet, die Kohlenwassserstoffe aus Biomasse zu gewinnen, durch Vergasung fester Bestandteile (etwa aus dem Feldanbau oder aus Abfallbiomasse) oder durch Vergärung gülleartiger Biomasse.

... unter Einsatz von Sekundärenergie (Strom) aus Wasser

Ein kleiner Teil der weltweiten Wasserstoffproduktion wird unter Stromeinsatz durch Elektrolyse aus Wasser erzeugt. Er stammt fast ausschließlich aus Ländern mit Wasserkraftnutzung in großem Maßstab wie Ägypten oder Brasilien, oder aus Ländern mit hohem Anteil von Atomkraftwerken wie Frankreich oder Belgien durch Nutzung von Überschussenergie. Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Wasserstoffelektrolyse nur dort sinnvoll, wo Strom extrem billig ist. Umweltfreundlicher Wasserstoff müsste mit Strom aus regenerativen Energien elektrolysiert werden. Bei der Elekrolyse tauchen im einfachsten Fall zwei Elektroden in einen Behälter mit Wasser ein, dem zur Erhöhung seiner Leitfähigkeit eine Lauge zugegeben wird. An der negativen Elektrode werden Elektronen zugeführt, aus Wasser entstehen Wasserstoff und Hydroxid-lonen (OH -):

   4 H2O + 4 e-  >  2 H2 + 4 OH -

An der positiven Elektrode werden die Elektronen abgeführt, Hydroxid-Ionen reagieren zu Sauerstoff und Wasser:

   4 OH -  >  O2 + 2 H2O + 4 e-

Der Ladungsausgleich findet durch Ionenleitung der Hydroxidionen im Wasser statt. In der Summe werden zwei Wassermoleküle in zwei Wasserstoffmoleküle und ein Sauerstoffmolekül gespalten:

   2 H2O  >  2 H2 + O2

Um die Produktgase Wasserstoff und Sauerstoff getrennt zu halten, werden die Elektroden durch ein Diaphragma getrennt. Dieses ist für im Wasser gelöste Ionen durchlässig, nicht aber für Gasbläschen.

Die Wasserstoffelektrolyse wird seit über achtzig Jahren kommerziell eingesetzt. Die Wirkungsgrade liegen heute bei sechzig bis siebzig Prozent. Entwicklungen zur Erhöhung des Wirkungsgrades zielen darauf ab, entweder den Druck zu erhöhen oder die Temperatur. Durch höhere Temperaturen wird versucht, einen Teil der zur Spaltung der Wassermoleküle erforderlichen Energie in Form von Wärme einzubringen. Dazu könnte die Abwärme eines Kraftwerks benutzt werden, oder, im regenerativen Szenario, durch Konzentration von Sonnenlicht.

Vom Erzeuger zum Verbraucher

Verdichtung oder Verflüssigung

Vor Speicherung oder Transport muss Wasserstoff entweder verdichtet oder verflüssigt werden. Zur Verdichtung können die selben Kompressoren wie für die Erdgasverdichtung verwendet werden, sie müssen lediglich geeignete Dichtungen, zum Beispiel aus Teflon, aufweisen. Die erforderliche Verdichtungsleistung ergibt sich aus dem Verhältnis von Eingangsdruck zu Ausgangsdruck. Es ist für eine Kompression von einem bar (etwa Atmosphärendruck) auf zehn bar ungefähr soviel Energie erforderlich wie für eine Kompression von zehn auf hundert bar. Üblicherweise erfolgt eine Kompression über mehrere Stufen. Die Ausgangsdrücke liegen je nach Anwendung zwischen 30 und 300 bar. Alle heute gängigen Verflüssigungsverfahren beruhen auf dem Effekt, dass sich ein Gas bei Ausdehnung in ein größeres Volumen abkühlt. Der Wasserstoff wird verdichtet und die dabei entstehende Wärme wird abgeführt. Dann lässt man den Wasserstoff wieder expandieren und damit abkühlen. Diese beiden Schritte werden so oft wiederholt, bis der Wasserstoff unter seine Siedetemperatur abgekühlt ist und flüssig wird. Gängige Verflüssiger bestehen aus etwa sechs Wärmetauscherstufen, wobei die erste Stufe mit flüssigem Stickstoff vorgekühlt wird.

Auf diese Weise werden Flüssigwasserstofftemperaturen von etwa -250° C erreicht.

Speicherung

Wasserstoff kann genau wie Erdgas gespeichert werden. Die kostengünstigste Möglichkeit für stationäre Großspeicher ist die Untertagespeicherung, zum Beispiel in Salz- oder Felskavernen. Solche Wasserstoffspeicher mit Drücken bis 50 bar existieren in Frankreich und England. Übertagespeicher sind meist kleiner; ein typisches Beispiel für einen stationären Druckgasspeicher ist ein Speicher in Zylinderform mit einem Durchmesser von 2,8m, 19m Höhe und einem Druck von bis zu 50 bar. Analog zur Erdgaswirtschaft ist die Pufferung kurzfristiger Schwankungen durch Druckvariation im Verteilungsnetz sowie in Niederdruckkugelbehältern durchführbar.

Vor dem Hintergrund der Einführung erdgasbetriebener Fahrzeuge wurden kompakte mobile Druckgastanks entwickelt. Einige sind bis zu Drücken von 300 bar auch für Wasserstoff zugelassen. Darüber hinaus gibt es Stahlflaschen für Wasserstoff von zwei bis fünfzig Litern Inhalt und Drücken von etwa 200 bar.

Aufgrund ihrer Anwendung in der Raumfahrt sind Flüssiggasspeicher heute Stand der Technik.

Da das Wasserstoffmolekül, verglichen mit anderen Gasmolekülen, jedoch sehr klein ist, ist hier die Diffusion des Wasserstoffs durch die Tankwände nicht mehr zu vernachlässigen. Je nach Speichergröße, Material und Geometrie kommt es zu Abdampfraten von 0,03% bis 2% pro Tag. Bei Flüssiggasspeichern ist der Isolationsaufwand sehr hoch. Man erreicht aber eine sehr große Speicherdichte, so dass bei größeren Standtanks die Kostenersparnis durch geringeren Materialverbrauch den Isolieraufwand überwiegt.

Speziell für Wasserstoffautos wurden Metallhydridspeicher entwickelt. Hier wird ausgenutzt, dass Wasserstoff mit einer Reihe von Übergangsmetallen und Metall-Legierungen Einlagerungsverbindungen eingeht. An der Oberfläche bestimmter Metalle trennt sich das H2-Molekül. Die entstehenden H-Atome lagern sich an die Metallatome an (auf diesem Effekt beruht die Wirkungsweise vieler Katalysatoren). Bei Metallhydriden bleiben die kleinen Wasserstoffatome nicht an der Oberfläche, sondern füllen die Räume zwischen den Metallatomen aus. Palladium zum Beispiel kann ein Gasvolumen von Wasserstoff aufnehmen, das bis zu 900 mal größer ist als sein eigenes Volumen.

Diese Einlagerung kann auch bei relativ geringen Drücken (je nach Material zwischen 2,5 und 100 bar) vorgenommen werden und setzt Wärmeenergie frei. Umgekehrt muss im Betrieb zur Freisetzung von Wasserstoff Wärme zugeführt werden. Ein Nachteil der Metallhydridspeicher ist ihr großes Gewicht.

Transport

Wasserstoff wird heute entweder in Gasflaschen per LKW oder Eisenbahn vom Produzenten zum Verbraucher geliefert, oder über ein Pipelineverteilnetz, an welchem mehrere Produzenten und Verbraucher angeschlossen sind. In Deutschland existieren zwei große Verteilernetze. Eines im Ruhrgebiet und eines im Industriegebiet Leuna Bitterfeld- Wolfen. Beide Netze umfassen jeweils mehr als 50 km Leitungen und werden bei Drücken um 20 bar betrieben. In den USA existieren auch einige Pipelines für Flüssigwasserstoff.

Rückumwandlung in Strom

Haupterzeuger und -verbraucher von Wasserstoff ist die chemische Industrie. An Standorten, an denen es unrentabel ist, anfallenden Wasserstoff zu entfernt liegenden Nutzern zu transportieren, wird Wasserstoff oft mit Erdgas gemischt zur Wärme- oder Stromerzeugung verwendet. Liegt der Wasserstoffanteil am Gemisch unter 16%, können für Erdgas ausgelegte Gasmotoren oder Gasturbinen benutzt werden. Bei höherem Wasserstoffanteil muss die höhere Brenntemperatur von H2 berücksichtigt werden.

Wasserstoff als Speicher in einer regenerativen Stromversorgung ist ein zu kostbares Gut, um ihn in Erdgasturbinen zu verheizen. Er sollte in möglichst viel energetisch hochwertigen Strom bei möglichst wenig anfallender energetisch niederwertiger Wärme zurückgewandelt werden. Hier bieten sich Brennstoffzellen an. In Brennstoffzellen wird die im Wasserstoff steckende chemische Energie ohne Umweg über Wärme direkt in Strom umgewandelt. Theoretisch sollten also 100% der Reaktionsenergie als elektrische Energie erhältlich sein, weshalb viel Forschungsarbeit für die Entwicklung wirksamer Brennstoffzellen aufgewandt wird. Bislang sind erst Wirkungsgrade von 60 bis 70% erreicht worden.

In einer Brennstoffzelle läuft der umgekehrte Vorgang ab wie bei der Elektrolyse. Wasserstoff und Sauerstoff werden z. B. durch je eine poröse Kohleelektrode in eine wäßrige Natriumhydroxid-Lösung geleitet. Die Elektroden sind, wie bei der Elektrolyse, durch ein Diaphragma getrennt. Die Gase werden kontinuierlich zugeführt und unter Bildung von Wasser verbraucht, das bei der Betriebstemperatur verdampft. In der Entwicklung befinden sich Brennstoffzellen jeder Größenordnung, vom Blockheizkraftwerk zur Versorgung von 50 Wohneinheiten mit Strom und Wärme über den elektrischen Antrieb für PKWs und Busse bis zum Ersatz für Akkus in Laptops oder Handys. Serienproduktionen gibt es jedoch noch nicht.

Fazit

Der heute verfügbare Wasserstoff wird, wie oben erläutert, unter Ausstoß von CO2 aus fossilen Brennstoffen gewonnen oder stammt aus atomstrombetriebenen Elektrolyseuren. Die Verwendung von solchem Wasserstoff zum Beispiel als Fahrzeugantrieb verlagert lediglich die Emissionen, ähnlich wie bei einem Elektroauto.

Derzeit wird Strom aus regenerativen Energiequellen am besten direkt ins Netz eingespeist und gelangt so ohne Umwandlungsverluste zum Verbraucher (und wird hoffentlich kostendeckend vergütet). Für Inselanlagen, zum Beispiel auf Berghütten, bietet sich Wasserstoff als Speichermedium jedoch schon heute an. Ein Tank von fünf Kubikmeter Größe kann einen Bleiakkumulator von 40 Tonnen Gewicht und 100 Kubikmeter Volumen ersetzen.

Langfristiges Ziel ist eine rein regenerative Energieversorgung. Wenn der Anteil von regenerativ erzeugtem Strom am Strommix im Netz etwa 25% übersteigt, muss auch hier eine Speicherung erfolgen. Der Verkehrsbereich als erster Markt könnte Entwicklungsfortschritte und Preisreduktionen der Elektrolyse- und Brennstoffzellentechnologie bewirken, so dass zuverlässige Technik mit hohen Wirkungsgraden zu angemessenen Preisen verfügbar ist, wenn die regenerativen Energien sie brauchen.

Quellen

http://www.hydrogen.org/wissen/w-i-energiew.html Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH

Ch. E. Mortimer, Das Basiswissen der Chemie, Georg Thieme Verlag Stuttgart, 5. Auflage

DIE ZEIT Nr 41 (5.10.2000), Revolutionäre Zelle

(aus Solarbrief 5/00)