Datum: 01.06.2006

Fragen und Antworten zum Emissionshandel


von Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland


*** Der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) veröffentlicht auf seiner Internetseite eine Liste mit Unterschriften gegen den Handel mit Emissionszertifikaten. Damit gehört der SFV neben EUROSOLAR unter den Umweltvereinen zu den seltenen Ausnahmen, die den Emissionshandel nicht wegen Detailmängeln, sondern aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnen. Wie kommen Sie zu dieser strikten Ablehnung?

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland lehnt den Emissionshandel nicht nur ab, weil er wirkungslos sein wird, sondern er lehnt ihn auch besonders deshalb ab, weil Emissionshandel eine grundsätzliche Lösung des CO2-Problems erschwert. Dies liegt nicht etwa an der fehlerhaften Durchführung und an Mängeln im Detail, sondern es liegt bereits am fehlerhaften Ansatz.


*** Welche Fehler sehen Sie denn im Ansatz?

Weltweit nimmt der Energieverbrauch dramatisch zu. Weltweit werden neue Kraftwerke gebaut. Wer die Klimakatastrophe verhindern will, muss dafür sorgen, dass die neuen Kraftwerke kein CO2 ausstoßen. Dabei denken wir ausdrücklich nicht an die Mogelpackung der "CO2-freien" Kohlekraftwerke oder an das russische Roulette mit den nuklearen Techniken. Die einzige vertretbare grundsätzliche Lösung ist eine möglichst rasche Umstellung auf Erneuerbare Energien. Der Umstieg auf Sonnenenergie, Windenergie, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie muss erheblich beschleunigt werden.


*** Und warum soll der Emissionshandel dazu nicht in der Lage sein?

Emissionshandel fördert die jeweils billigste Technologie. Wenn die Erneuerbaren Energien schon jetzt billiger wären als die konventionellen Energien, würden sie sich ohne Emissionshandel durchsetzen. Weil Erneuerbare Energien aber zur Zeit noch teurer sind, hilft ihnen der Emissionshandel überhaupt nichts. Sie müssen weiter warten, bis Kohle, Öl und Erdgas aufgrund der zunehmenden Verknappung den jetzigen Preis der Erneuerbaren Energien noch übertreffen. Das kann noch Jahrzehnte und bei Kohle sogar Jahrhunderte dauern. Wer die Erneuerbaren Energien schon jetzt einführen will, darf kein Fördersystem verwenden, bei dem sie mit den fossilen Energien in einen PREISLICHEN Wettbewerb treten müssen.


*** Sie haben anfangs ausgeführt, der Emissionshandel würde eine grundsätzliche Lösung des CO2-Problems sogar behindern. Könnten Sie das etwas genauer erläutern?

Der Emissionshandel berücksichtigt nicht die Vorteile der Erneuerbaren Energien, ihre Unerschöpflichkeit, die Vermeidung der externen Kosten, höhere Sicherheit im Katastrophenfall durch Dezentralisierung und die vorhersehbaren Verbilligungen. Die Betonung liegt beim Emissionshandel auf "preiseffizient" nach gegenwärtigen Preisen. Er gibt damit Anreize für alle CO2-Einsparungen, die für wenig Geld zu haben sind. Derzeit errichten die Energieversorger große moderne Kohlekraftwerke als Ersatz für alte Kohlekraftwerke, deren Betriebsdauer abgelaufen ist. Der Emissionshandel beschleunigt diese Entwicklung durch den Anreiz, Kohlekraftwerke mit einem möglichst guten Wirkungsgrad zu wählen. Diese Kohlekraftwerke werden für ein weiteres halbes Jahrhundert die CO2 emittierende Technologie zementieren und sind deshalb in klimatischer und volkswirtschaftlicher Hinsicht eine tragische Fehlinvestition.
Schlimmer noch ist der durch den Emissionshandel bewirkte zusätzliche Anreiz, die Laufzeit alter Atomkraftwerke zu verlängern.
Wir sagen es noch einmal: Wir brauchen weder Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke noch brauchen wir neue Kohlekraftwerke mit einem besseren Wirkungsgrad, die dann auch wieder CO2 emittieren. Wir brauchen Erneuerbare Energien.


*** Haben Sie den Eindruck, dass den Initiatoren des Emissionshandels die Benachteiligung der Erneuerbaren Energien bewusst ist?

Diesen Eindruck haben wir durchaus. Wir stellen sogar fest, dass einige Politiker den Emissionshandel dazu benutzen wollen, das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) - das erfolgreichste Markteinführungsprogramm für Erneuerbare Energien - abzuschaffen. Sie behaupten, bei gleichzeitigem Einsatz von Emissionshandel und EEG würde die CO2-Minderung weltweit insgesamt nicht besser, nur die Kosten für Deutschland wären höher. Mit dieser Begründung lehnen sie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als das angeblich teurere Instrument ab. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen.


*** Können Sie für diese Position Beispiele bringen?

Als Beleg nenne ich das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit aus dem Jahr 2004, sowie einen Beschluss der FDP auf ihrem Parteitag 2006 in Rostock. Das Gutachten besagt in etwa Folgendes: Emissionshandel findet automatisch immer die preiswerteste Möglichkeit zur CO2-Einsparung. Wenn Deutschland aber auch auf andere Weise (nämlich durch das angeblich teurere EEG) CO2 verringert, wird die deutsche Volkswirtschaft unnötigerweise mit höheren Kosten belastet.
Wenn in Deutschland 11 Prozent des Stromes aus Erneuerbaren Energien stammt, dann müssen die deutschen Stromerzeuger 10 Prozent ihrer Stromerzeugung zurückfahren. Die dazugehörigen Emissionszertifikate können sie verkaufen. Kraftwerksbetreiber in anderen Ländern können mit diesen Zertifikaten ihre alten Dreckschleudern weiter betreiben. Je mehr Solar- und Windanlagen wir in Deutschland installieren, desto mehr Dreckschleudern dürfen weltweit in Betrieb bleiben. Insoweit hat das Gutachten sogar Recht. Nur die Schlussfolgerung, dass die deutschen Ausgaben für Erneuerbare Energien unnötig seien und man deshalb das EEG abschaffen sollte, ist falsch! In volkswirtschaftlicher Hinsicht sind die Erneuerbaren Energien sogar jetzt schon billiger, wenn man die vermiedenen externen Kosten mitrechnet. Im Sinne einer grundsätzlichen Lösung sollte man besser den Emissionshandel abschaffen, der weder die externen Kosten, noch das Entwicklungspotential, noch die zukünftige Preisentwicklung berücksichtigt.


*** Was schlägt der Solarenergie-Förderverein Deutschland statt des Emissionshandels vor?

Der SFV schlägt vor, dass Deutschland - so rasch dies ohne außenpolitischen Schaden möglich ist - seine Teilnahme am Emissionshandel aufkündigt, wobei als Begründung ausdrücklich der Wille genannt wird, eine SCHNELLERE und GRUNDSÄTZLICHERE Reduzierung der CO2-Emissionen durch konsequente Weiterentwicklung des EEG und anderer Gesetze in Gang zu setzen.


*** Sie schlagen also eine deutsche Vorreiterrolle vor? Woher nimmt der SFV die Zuversicht, dass andere Staaten folgen werden?

Der große psychologische und wirtschaftliche Fehler, der dem Emissionshandel zugrunde liegt, ist die Vorstellung, dass die Entwicklung und Markteinführung neuer Techniken eine Last sei, die man untereinander gleichmäßig aufteilen müsse, weil jeder möglichst wenig tragen will. Wenn Deutschland aber weiterhin zeigt, dass ein Land sich mit der Einführung der Erneuerbaren Energien mehr Unabhängigkeit im Energiesektor, mehr Arbeitsplätze und sogar Exportvorteile verschafft, wird das auf andere Länder nicht ohne Eindruck bleiben. Sogar in China ist bereits ein Gesetz für die Markteinführung Erneuerbarer Energien nach deutschem Vorbild in Kraft getreten.






Auszug aus dem Beschluss des FDP-Parteitages 2006
Die Energie bezogenen Umweltschutzmaßnahmen müssen in einem marktkonformen Gesamtkonzept zusammengeführt werden, wie es im Bereich des Klimaschutzes z.B. in Form des Emissionszertifikatehandels besteht. (...) Die bestehenden, widersprüchlichen und kumulativen Effekte einzelner Instrumente (EEG, KWKG, Emissionszertifikatehandel, Ökosteuer) müssen ausgeräumt werden. Das bisherige Preissteuerungssystem im Bereich der Förderung der erneuerbaren Energien insbesondere durch das EEG muss für Neuanlagen beendet werden.