Datum: 11.11.2005 mit Nachtrag vom 10.01.06
Überraschender Kurswechsel der
Energie Baden-Württemberg (EnBW)
Unerwartete argumentative Unterstützung der Erneuerbaren Energien durch einen der vier
großen Stromversorger DeutschlandsVon Wolf von Fabeck
Geschäftsführer im Solarenergie-Förderverein Deutschland
Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, hat der viertgrößte deutsche Stromversorger einen argumentativen Kurswechsel gegenüber den Erneuerbaren Energien und dem EEG vollzogen, der an Radikalität kaum zu überbieten ist.
Auf der Internetseite der Energieversorgung Baden Württemberg AG (EnBW)
finden sich seit dem 9.11.05 in einem Positionspapier mit Bezug auf die
Erneuerbaren Energien Überschriften wie:
- Daseinsvorsorge,
- Versorgungssicherheit,
- Unabhängigkeit,
- Zukunftschancen.
Den Text im Zusammenhang finden Sie anhängend.
Damit steigt die EnBW aus der Phalanx der Gegner aus und bekennt sich
eindeutig zur energiepolitischen Vernunft.
Die ganze Brisanz des EnBW-Textes ergibt sich nicht nur aus dem Inhalt des Papiers, sondern noch viel mehr aus seinem Zusammenhang mit den politischen Ereignissen. Das Positionspapier wurde am 9.11.05 veröffentlicht - während der Koalitionsverhandlungen, wenige Tage vor der Entscheidung, ob die große Koalition das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beibehalten oder beenden würde. Der Verband der Deutschen Elektrizitätswirtschaft, dem auch die EnBW angehört, hatte erst wenige Tage zuvor - natürlich ebenfalls mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen - gefordert, die Erneuerbaren Energien sollten nicht mehr nach dem EEG vergütet, sondern "in den Markt eingebunden" werden - wobei natürlich allen Eingeweihten klar ist, dass es sich nicht um einen freien Markt mit gleichen Chancen für die Erneuerbaren handelt.
Befürworter und Gegner der Erneuerbaren Energien zerbrechen sich seitdem den Kopf, welche möglicherweise unausgesprochene Absicht hinter der EnBW-Veröffentlichung stecken mag. Eine Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion unterstellte gar, es ginge dem Konzern ausschließlich darum, zukünftig große Wasserkraftanlagen nach dem EEG vergütet zu bekommen. Doch als Tauschangebot - etwa in der Art: EnBW erkennt das EEG an, wenn sie im Gegenzug EEG-Geld für den Ausbau der Wasserkraft bekommt - ist das Positionspapier überhaupt nicht geeignet. Die Aussagen zu den Erneuerbaren Energien sind dort nämlich ohne Bedingung formuliert, eher wie Lehrsätze. Sie wurden veröffentlicht und sind nicht mehr wie ein "Tauschobjekt" rückholbar.
Der unschätzbare politische Wert dieser Aussagen liegt darin, dass sie bei Menschen mit geringer energietechnischer Fachkompetenz letzte Zweifel am Sinn der Erneuerbaren Energien ausräumen.
Aus diesem Grund empfehlen wir, diese gut gezielte Vorlage aufzunehmen und bei jeder Gelegenheit weiterzuspielen.
Dem Vorstand der EnBW gratulieren wir zu seiner mutigen Entscheidung, aus der Front der Verweigerer auszubrechen.
Ein Wort noch an die Solaranlagenbetreiber im Netzgebiet der EnBW
Wir rechnen nicht damit, dass sogleich alle Schikanen von EnBW-Mitarbeitern
gegenüber Betreibern oder Anschlusswilligen aufhören werden, denn es braucht
immer Zeit, bis eine so radikale Kursänderung auch beim letzten Mitarbeiter
angekommen ist. Wir empfehlen Ihnen aber, mit dem Positionspapier zu "winken
", falls es noch Probleme gibt. Wenn "Winken" nicht hilft, bitten wir um
Information und werden uns - gegebenenfalls - an den EnBW-Vorstand wenden.
Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG und die Erneuerbaren Energien - Positionspapier in Auszügen
Oktober 2005
Die EnBW Baden-Württemberg AG spricht sich für den Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen aus. Sie befürwortet die weitere Förderung neuer Anlagen auf Basis des Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), verbunden mit Forderungen an seine Novellierung.
Unsere Grundsatzposition
Die Erneuerbaren Energien sind eine der Schlüsseltechnologien für das 21. Jahrhundert. Gemeinsam mit Energieeffizienztechniken und emissionsarmen konventionellen wie Kern-Kraftwerken werden sie künftig wichtiger Bestandteil der weltweiten Energieversorgung sein. Ihr Ausbau ist aus mehreren Gründen sinnvoll und nötig:
Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG hat eine lange und führende Tradition in der Nutzung Erneuerbarer Energien, vor allem der Wasserkraft. Der Neubau des Wasserkraftwerks Rheinfelden durch die EnBW ist das mit Abstand größte deutsche Bauvorhaben im Bereich der Erneuerbaren Energien.
Unsere Position zur Förderpolitik der erneuerbaren Energien
Noch müssen die Erneuerbaren Energien gefördert werden, bis technische und ökonomische Fortschritte es ermöglichen, Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu marktfähigen Kosten zu produzieren.
Diese Förderung muss verlässlich sein und in ausreichender Höhe erfolgen, um die nötigen Investitionen anzureizen. Sie muss andererseits möglichst effizient sein, um die Belastungen für Industrie und Verbraucher vertretbar zu halten.
Dazu gehört, dass die Förderung zeitlich befristet ist und degressiv erfolgt, die Fördersummen pro erzeugter Kilowattstunde also kontinuierlich sinken.
Gleichzeitig sollte ein möglichst breiter Mix an Techniken weiter entwickelt werden, um vielfältige Optionen auf eine gesicherte und preisgünstige Stromerzeugung zu haben.
Unter diesen Kriterien hat sich die Förderung der Erneuerbaren Energien durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) im Großen und Ganzen bewährt.
Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG spricht sich deshalb dafür aus, dieses Förderinstrument auf absehbare Zeit beizubehalten und es durch regelmäßige Überprüfung jeweils an die Notwendigkeiten der Situation anzupassen.
Das Ziel muss sein, die volle Wirtschaftlichkeit und damit Marktfähigkeit der Erneuerbaren Energien möglichst rasch zu erreichen dazu wird die Preissteigerung der fossilen Energieträger mit beitragen.
In diesen Kontext gehört auch, dass zukünftig mögliche, massive Belastungen für Energie-Versorger und Netzbetreiber - z.B. durch die erforderliche Online-Aufschaltung von Regelenergie bei forciertem Ausbau der Offshore-Windkraft - in der zukünftigen Energiepolitik berücksichtigt werden.
Als Alternativen zum EEG werden Quoten- und Zertifizierungssysteme diskutiert. Die EnBW lehnt diese Systeme nicht ab. Sie kann aber zum jetzigen Zeitpunkt in der Praxis keine grundsätzliche Überlegenheit dieser Systeme gegenüber der garantierten Einspeisevergütung des EEG erkennen.
Der mögliche größere Nutzen neuer Fördersysteme erfordert eine grundsätzliche wirtschafts- und energiewissenschaftliche Diskussion, rechtfertigt es nach unserer Auffassung aber nicht, die Risiken eines Systemwechsels jetzt in Kauf zu nehmen. Bei den Verhandlungen über das Regierungsprogramm der großen Koalition sollte deswegen am EEG festgehalten werden und eine Novellierung des Gesetzes wie vorgesehen im Jahr 2007 erfolgen.
Unsere Erwartungen an eine Novellierung des EEG
Von einer Novellierung des EEG erwartet die EnBW Energie Baden-Württemberg AG auch, dass bestehende Benachteiligungen der Großen Wasserkraft gegenüber anderen regenerativen Energieträgern abgebaut werden. So sollte die zeitliche Befristung der Förderung von Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen bis 2012 aufgehoben werden, um die bestehenden Potentiale bestmöglich zu nutzen und die Erzeugung auch von Grundlaststrom aus erneuerbaren Quellen zu stärken. Der Ausbau und die Modernisierung vorhandener Anlagen führt zu einem Mehr an emissionsfrei erzeugtem Strom und zu einem verbesserten Schutz des Ökosystems Fluss und der darin lebenden Organismen.
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Vollständiges Positionspapier
EnBW-Positionspapier im Archiv