Der Energiebaum

Wie sich Herr Möllemann die Windkraftnutzung vorstellt.
Ein Kommentar von Jürgen Grahl

20.11.2001

Wie im letzten Solarbrief berichtet, hat die FDP in ihrem Anti-Windkraft-Antrag im nordrhein-westfälischen Landtag die Förderung von "Alternativen" zu konventionellen Windkraftanlagen gefordert und eine solche sogleich genannt: den "Energiebaum". Auch unter Windkraft-Insidern haben sich wohl nicht wenige verblüfft gefragt, was bitteschön das denn sein soll: "Energiebaum"? Muss man den kennen? Aber es gibt ihn tatsächlich.

Hinter der geheimnisvollen Bezeichnung verbirgt sich ein auf einen Mast montierter Durchströmrotor mit vertikaler Drehachse nach dem Savonius-Prinzip, der - wenn man der FDP glaubt - gegenüber herkömmlichen Windturbinen zahlreiche Vorteile aufweisen soll.

Vor allem soll er deutlich bessere Auslastungsgrade erreichen, da die Anlage bereits bei geringen Windgeschwindigkeiten anläuft und angeblich auch jenseits der Abschaltgeschwindigkeit herkömmlicher Anlagen von 25 m/s, also sogar bei Sturm, betrieben werden kann. Damit soll der "Energiebaum" auch wirtschaftlich einer herkömmlichen Windkraftanlage deutlich überlegen sein. Angesicht der relativ geringen Anlagenhöhe (unter 30 Meter) soll er sich zudem sogar zur Aufstellung in Städten, etwa auf Hochhäusern eignen.

Tja, schade nur...
dass sich der Erfinder bei der Ertragsprognose gleich um mehrere Größenordnungen (!) verrechnet hat und der Energiebaum die versprochenen Leistungen nicht einmal annähernd erreicht. Der Windkraftexperte Heiner Dörner vom Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart ordnet den "Energiebaum" unter "Kuriositäten der Windenergienutzung" ein und fällt das folgende niederschmetternde Urteil: "Einen neuen Versuch, den Wind zu vergewaltigen, stellt der so bezeichnete Windbaum dar. Dieses Gerät soll eine ca. tausendfache Leistung gegenüber der Realität und der wirklichen Leistungsfähigkeit eines solchen Gerätes haben. Das System wird sicherlich im Wind drehen, die Leistung wird allerdings bei den vorgesehenen Dimensionen nur einige hundert Watt betragen. Als Kunst am Bau, als Firmenlogo oder Signet tauglich, könnte der Vorschlag die Windenergie als grüne Energie darstellen. Auch die Bauform trägt mit dazu bei. Das Gerät ist aber keine Alternative zu den herkömmlichen freifahrenden Turbinen, den heutigen modernen Schnellläufern."

Auch der angebliche Vorteil niedriger Anlagenhöhe ist bei Lichte besehen ein Nachteil: Natürlich könnte man auch herkömmliche Windkraftanlagen kleiner und niedriger bauen, man tut es aber gerade deshalb nicht, weil die Windverhältnisse in geringerer Höhe erheblich schlechter sind.

Die Verfasser des Papiers um Jürgen Möllemann haben sich mit ihrem grandiosen Vorschlag selbst als energiepolitische Dilettanten entlarvt, die den haltlosen Versprechungen eines unseriösen Anbieters aufgesessen sind. Wir empfehlen ihnen, sich künftig für die Umsetzung wirklich innovativer und mutiger Ideen wie beispielsweise des Perpetuum Mobile einzusetzen. Und was ein dazu passendes modernes Verkehrskonzept angeht: Wie wäre es mit fliegenden Teppichen?