Datum: 11.05.2004

Benzinpreisanstieg und Ökosteuer


In der Öffentlichkeit wird der gegenwärtige Anstieg der Benzinpreise zum Anlass für Angriffe auf die Ökologische Steuerreform missbraucht: Die Mineralölsteuer müsse zurückgenommen werden, um eine Beschädigung des Wirtschaftswachstums zu vermeiden, heißt es.

Hier werden Dinge in unseriöser Weise miteinander in Beziehung gesetzt. Deshalb zwei Richtigstellungen:

  1. Entscheidender Unterschied

    Die nationale Wirtschaft wird geschädigt, wenn immer mehr Geld für den Kauf von Rohöl ins Ausland fließt. Der Ölpreisschock um 1973/74 hat dies deutlich demonstriert. Viele Menschen bei uns haben daraus den falschen Schluss gezogen, dass jeder Anstieg der Mineralölpreise, gleichgültig wodurch er verursacht wird, die Wirtschaft schädigt. Sie warnen deshalb vor Energiesteuern und sehen sie als volkswirtschaftlich nachteilig an. Sie übersehen dabei, dass bei Energiesteuern das Geld in den nationalen Wirtschaftskreislauf zurückgeführt und an anderer Stelle wirksam wird. Z.B. konnten die Beiträge zur Rentenversicherung niedriger gehalten werden, als sie ohne Energiesteuer sein würden. Energiesteuern schädigen deshalb die Wirtschaft nicht; sie führen nur zu einer gewollten Bevorzugung arbeitsintensiver Betriebe gegenüber den energieintensiven Betrieben. Mehr dazu.

  2. Angemessene Gegenmaßnahmen

    Angemessene Gegenmaßnahmen dürfen nicht die Symptome bekämpen, sondern müssen sich an den Ursachen des Preisanstiegs orientieren:

    Der Anstieg der Benzinpreise wird durch die vermehrte Nachfrage der USA bei gleichzeitigem Anstieg der Rohölpreise auf den höchsten Stand seit der Kuweit-Krise verursacht. Die Ursache liegt im Gesetz von Angebot und Nachfrage: Weil die Nachfrage nach Benzin und nach Rohöl ständig wächst, ohne dass die Fördermengen noch nennenswert gesteigert werden können - Shell hat gerade erst seine Angaben über vorhandene Erdölreserven nach unten korrigiert - steigen die Preise.

    Zur Nachfrage: In China z.B. wächst die Nachfrage unaufhaltsam. So sollen demnächst zwei deutsche Automobilwerke errichtet werden. Es ist vorhersehbar, dass auch in diesem riesigen und volkreichen Land (15 mal so viele Einwohner wie Deutschland) die private Motorisierung auf ähnliches Niveau wie in den industrialisierten Ländern ansteigen wird. Die Nachfrage nach Treibstoff wird dann weiter steigen, die Preise werden explodieren!

    Eine Rücknahme der Mineralölsteuer könnte die vorhersehbaren weiteren Preisanstiege nur einmal ausgleichen. Beim nächsten Preisanstieg gäbe es dann keine Steuer mehr, die zurückgenommen werden könnte. Außerdem würde die Rücknahme der Mineralölsteuer die Finanznot des Staatshaushalts und der Sozialsysteme weiter erhöhen.

    Eine verantwortungsvolle Politik muss deshalb andere Gegenmaßnahmen ergreifen.

    Angemessene Gegenmaßnahmen sind z.B. die Förderung alternativer Fahrzeugantriebe, deren Energie im eigenen Land gewonnen werden kann, z.B. Antrieb mit Pflanzenöl, vielleicht auch zukünftig mit elektrischem Strom oder Wasserstoff aus erneuerbaren Energien.
    Angemessen sind auch Anreize für die Markteinführung des 3-Liter-, 2-Liter und schließlich des 1-Liter-Autos, die aber erst dann in Gang kommen wird, wenn die Neuwagenkäufer bereit sind, die höheren Preise für solche Autos zu zahlen.

    Die Bereitschaft dazu wird erst durch höhere Benzin- und Dieselpreise angeregt. Die notwendige Entwicklung wird also durch den Preisanstieg überhaupt erst angestoßen. Es ist verwunderlich, dass Menschen, die sonst die "Weisheit der freien Marktwirtschaft" in höchsten Tönen preisen, die warnenden Preissignale unterdrücken wollen.

    Eine Erhöhung der Mineralölsteuer würde ein richtiges Preissignal für die Markteinführung sparsamerer Autos ergeben; sie wäre also sinnvoll. Die Mineralölsteuer jetzt zu verringern, wäre dagegen kontraproduktiv.