Datum: 01.07.05
Wie ist das eigentlich in Australien?
Leben unter dem Ozonlochvon Gisela Siebörger
Wenn die Sonne scheint ist das schön, wenn sie richtig strahlend und heiß vom Himmel brennt, dann haben wir schönstes Sommerwetter. Höchste Zeit, die kurzen Hosen und die Oberteile mit Spagettiträgern anzuziehen und raus an die Luft. Wem es in der Sonne zu heiß ist, der kann sich ja im Schatten aufhalten, oder?
Und dann kommen die Meldungen von Gefahren, die gerade mit diesem Sommerwetter in Zusammenhang stehen. Erhöhte Ozonwerte? Kennen wir! Also vorsichtshalber keine Radtour oder Joggingeinheit in der Mittagspause. Und jetzt die Belastung durch UV-A und UV-B Strahlen, bedingt durch die dünner werdende Ozonschicht auch in unseren Breitengraden.
Ist dieses Problem relativ neu in Deutschland, gibt es doch einige Länder, die mit einem Ozonloch schon mehrere Jahre umzugehen haben. Eines davon ist Australien.
Ich hatte das Glück, zusammen mit meiner Familie gut zwei Jahre (von Oktober 2000 bis Januar 2003) in Melbourne/Victoria, zu verbringen. Erstaunlicherweise äußerten vor unserem Umzug mehrere Bekannte ihre Bedenken, wegen dem erhöhten Krebsrisiko. Dort spricht niemand darüber, dort ist es eine Tatsache.
Gleich nach unserer Ankunft haben wir uns mit Sonnencreme Lichtschutzfaktor 30 im praktischen Literpack mit Dosierspender eingedeckt. Na ja so ganz praktisch war dieser dann doch nicht, jedenfalls nicht für unterwegs. Denn Sonnencreme muss in Australien immer mit und überall greifbar sein. Flaschen oder Tuben gehören in die Tasche, in den Kinderwagen und ins Auto sowieso. Dort kann auch eine größere Menge bleiben. Nicht, dass wir auf Sonnencreme verzichten mussten, weil wir sie vergessen hatten. Australier sind nett und geben auch gerne von ihrer ab, sobald man sich traut zu fragen. Dass es an vielen Stellen auch öffentlich zu benutzende Sonnencreme gibt, wie in Reisebüros, in Autovermietungen, an der Kasse in der Apotheke oder am Tresen in einer Kneipe habe ich erst viel später mitbekommen.
In Kindergärten, child care, play school oder ähnlichen Betreuungseinrichtungen gehen die Erzieher sowieso davon aus, dass alle Kinder eingecremt sind. Gleich morgens nach dem Aufstehen, noch vor dem Frühstück mit Sonnenschutz eincremen, als tägliche Routine hat uns vor dem Vergessen und langen keine-Lust-Diskussionen geschützt. Andere machen es ebenso.
Das nächste was uns fehlte, waren Sonnenhüte und Kappen. Eine Kopfbedeckung pro Person reicht bei weitem nicht aus. Denn draußen haben Kinder eine Kopfbedeckung zu tragen, am besten auch eine Sonnenbrille, die es in allen Größen, Farben und Formen zu kaufen gibt. Ein Sonnenbrand in den Augen ist besonders unangenehm. Außerdem ist es in Australien so hell, dass die Kleinsten freiwillig ihre Sonnenbrille aufbehalten. Selbst in Billigläden gibt es nur Sonnenbrillen mit UV-A und UV-B Schutz, farbige Brillengläser ohne Strahlenschutz habe ich nie gesehen. Sogar die meisten Erwachsenen haben eine Sonnenbrille dabei und tragen diese auch.
Wenn ein Kind zum Kindergarten kommt und keine Kopfbedeckung dabei hat, darf es nicht mit nach draußen. Ein Ersatzhut gehört ins Auto. An Hüte zu kommen ist sehr einfach. Einmal sind bei Kinderkleidern oft die passenden Hüte für Mädchen und farblich passende Kappen für Jungen dabei, zum andern gibt es überall welche zu kaufen. Besonders gut haben mir die breitkrempigen Hüte für Schüler gefallen, die es in allen Größen in den typischen Schulfarben (weinrot, blau, grün...), zu kaufen gibt. Da in Australien Helmpflicht auch für Fahrradfahrer besteht, haben die meisten Radfahrer unter ihrem Helm noch eine Kappe
Und wie ist das Bewusstsein unter der erwachsenen Bevölkerung für Hüte? Erstaunlich viele tragen keine Kopfbedeckung, vor allem Frauen haben oft keine Lust, sich die Frisur zerdrücken zu lassen, wie ich bei Nachfragen im Bekanntenkreis erfuhr. Dieselben Frauen würden nie ihre Kinder ohne Hut raus lassen. Dabei gibt es für jeden etwas passendes wie z B. am Melbourne Cup, einem Pferderennen mit Hutpflicht, gezeigt wird. Öffentlich Bedienstete, die draußen arbeiten, haben einen zu ihrer Arbeitsunifom gehörenden breitrandigen Hut. Dazu gehören auch die ehrenamtlichen Schülerlotsen. Das Cancer Council in Victoria startete den Aufruf an alle privaten Firmen, ihren draußen beschäftigten Mitarbeitern kostenlose Kopfbedeckungen, deren Rand auch Nase und Ohren überschattet, und Kleidung, die gegen UV-Strahlen schützt, zur Verfügung zu stellen.
Über die Mittagszeit sind die Straßen in den Vororten, wie ausgestorben, keine Kinder auf den Spielplätzen, fast niemand im Supermarkt. Vor allem in den ersten Monaten irrten wir als einzige durch die Gegend. Später habe ich gelernt, dass im Sommer und vor allem an Sonnentagen zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr keine Kinder draußen sein sollen. Auch nicht im Schatten unter den Bäumen, da die UV Strahlen in alle Richtungen gehen und auch eine Wolkendecke durchdringen. Selbstverständlich sind in der Kinderbetreuung in der Regel alle während dieser Zeit drinnen. Baustellen sind verweist und nur in der Innenstadt ist noch etwas los. Etwas ungewöhnlich war für uns die Tatsache, dass die Müllabfuhr im Hochsommer Nachtschichten fahren, bei uns kamen sie zwischen 2.00 Uhr und 4.00 Uhr vorbei. Dies hängt wahrscheinlich auch mit der Durchschnittstemperatur von etwa 34° C im Sommer zusammen.
Melbourne liegt am Meer, wir hatten es 20 min mit dem Auto an den nächstgelegenen Strand in Williamstown. Eine S-Bahnlinie fährt am Meer entlang und hat eine Haltestelle am Wasser. Leider von uns aus mit Kinderwagen und Kleinkind nicht echt attraktiv. Trotzdem gehören Sandstrand und Meer mit zu dem Schönsten, was es für Kinder gibt. Australier sind sowieso hier, Surfen und Wellenreiten sind weit verbreitet. Zum Outfit gehören Neopreanzüge, die von den Handgelenken bis zu den Knöcheln vor kaltem Wasser und Sonne schützen. Wir machten es bald wie viele andere und brachten unseren Sonnenschirm mit. Unsere Jüngste lag im Kinderwagen, der mit einem Tuch überdeckt war. Wäscheklammern hielten alles auch gegen den Wind in Position. Säuglinge bis zu einem Jahr sollen keinen einzigen Sonnenstrahl abbekommen. Ein Schirmchen wie in Deutschland üblich reicht dafür nicht aus. So sah ich zwar Kinderwägen mit zwei Schirmen, aber die gängige Methode ist doch den Regenschutz hochzuklappen und ein Tuch oder eine Decke darüber zu spannen.
Sehr schön ist die Auswahl an Bademode mit UV-Schutz, die es in jedem Kaufhaus zu angemessenen Preisen zu kaufen gibt. Für Kinder gibt es Badeanzüge ab Größe 62, mit kurzen Ärmeln und Beinen bis zum Knie, natürlich mit Reißverschluss und bis zum Hals geschlossen. Aber auch kurzärmlige Badeanzüge ohne Beine. Verbreitet sind Badeshirts, die zu einer Badehose getragen werden. Diese ziehen neben Kindern auch einige wenige Männer an. Ältere Mädchen schwimmen auch in kurzen oder knielangen Wickelröcken, oder wie viele Jugendliche in ganz normaler Straßenkleidung. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch wasserfeste Sonnencreme und ein besonderer Lippenschutz. Einige tragen auch den dicken weißen (knallgelben oder giftgrünen) Sonnenschutz auf, den wir von Winterurlauben kennen.
Vor unserer Zeit in Australien gab es eine große Kampagne, deren Stichworte heute noch jedem geläufig sind. Slip, slap, slop! Slip in a shirt, slap on sunscreen and slop on a hat. In deutsch: Schlüpf in ein T-Shirt, trage Sonnencreme auf und setz einen Hut auf. Das gilt natürlich für die Kinder. Die Erwachsenen sind selbst verantwortlich für ihren Schutz. Geworben wird immer mit behüteten Menschen, die nicht dunkelbraun gebrannt sind.
Über Krebs wird immer wieder als große Bedrohung, die jeden treffen kann, berichtet. "Jeder kennt mindestens einen Menschen, der an Krebs gestorben ist und fünf, die an Krebs erkrankt sind", sagt man dort. Im Blickfeld sind nicht nur Hautkrebs, sondern alle möglichen Krebsformen, über die aufgeklärt und über Prävention informiert wird. Aber das kennen wir ja auch von Deutschland. Tatsache ist, dass hierzulande die Hautkrebserkrankungen zunehmen. Die jährliche Neuerkrankungsrate in Australien ist allerdings mindestens viermal so hoch.
Eine Tatsache in Australien ist faszinierend und hilfreich zugleich. Eine Kleiderordnung gibt es dort nicht. Langärmlig im Sommer oder nur im Bademantel und Hausschuhen unterwegs, alles ist möglich. Dicke weiße Paste im Gesicht oder einen riesigen Cowboyhut auf dem Kopf stört auch keinen.
Wie man sich vor der Sonne schützen kann, ist zumindest in Australien bekannt und Kindern gegenüber werden die Maßnahmen auch ziemlich konsequent angewandt. Die Erwachsenen zwischen 20 und 60 halten sich meiner Beobachtung nach, zumindest in Melbourne, trotzdem großenteils nicht daran. Aufklärung hin oder her. Wenn wir die Gefahr durch UV Strahlen ernst nähmen und unsere Kinder ebenso sorgfältig vor Sonnenstrahlen schützten, wie in "down under" wäre schon sehr viel gewonnen.