Allgemeine Vorbemerkungen zu Vertragsüberprüfungen



Grundsätzliches

In Deutschland gilt grundsätzlich die Privatautonomie. D.h. jeder kann selbst entscheiden, ob er einen Vertrag schließt, mit wem er den Vertrag schließt und welchen Inhalt dieser Vertrag hat. Diese grundsätzliche Privatautonomie ist Ausprägung unseres wirtschaftlichen Verständnisses und wird vom Gesetzgeber nur in Ausnahmefällen beschränkt. Der Gesetzgeber geht daher generell sehr vorsichtig mit den Beschränkungen um und macht von ihnen nur dann Gebrauch, wenn eine Partei schutzwürdig ist. Um die gewünschte Förderung der Solarenergie zu erreichen, hat der Gesetzgeber daher die Netzbetreiber dazu verpflichtet, den vollständig angebotenen Strom abzunehmen und eine Mindestvergütung zu zahlen. Darüberhinaus hat der Gesetzgeber geregelt, dass diese Abnahme- und Vergütungspflicht über 20 Jahre plus das Jahr der Inbetriebnahme gelten soll und hat damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Eine weitere Einschränkung der Privatautonomie hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen.

Nur in Ausnahmefällen können deshalb Vorschriften, die mit diesen Fragen nicht in Verbindung stehen, bemängelt bzw. anderslautende Vorschriften gerichtlich durchsetzt werden. Eine Regelung muss schon unzumutbar sein. Die Rechtsprechung differenziert sehr genau zwischen benachteiligenden (diese sind noch zulässig) und unzumutbaren (diese sind dann nicht mehr zulässig) Vorschriften. Unschöne Vorschriften können dagegen klageweise nicht verhindert werden.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass bei Verträgen zwischen Parteien unterschiedlicher Interessenlage im Regelfall beide Parteien Vor- und Nachteile haben. Verträge sollen und dürfen nicht einseitig sein. Einseitig bevorteilenden Verträgen haftet die Gefahr an, dass sie unwirksam sind.

Darüberhinaus gibt es keinen Vertrag, der für alle Solaranlagenbetreiber ohne Ausnahme begrüßenswert ist. Bei dem jeweiligen Solaranlagenbetreiber können besondere Umstände gegeben sein, die den Vertrag als unangemessen erscheinen lassen. (Beispiel: Wer bisher eine Vergütung von 2 DM für die nächsten 20 Jahre garantiert bekommen hat, der würde sich verschlechtern, wenn er nunmehr nur noch 99 Pf pro eingespeiste kWh erhält.)

Letztlich gilt, dass jeder Vertrag sorgfältig durchgelesen werden sollte. Bei der Beurteilung der einzelnen Textpassagen können die nachfolgenden Ausführungen helfen:


Vertragliche Regelungen sind vorrangig gegenüber gesetzlichen Regelungen

Alle Regelungen, die in einem Einspeisevertrag vereinbart und unterschrieben werden, sind gültig, auch dann, wenn das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) oder das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) andere (nicht zwingende) Regelungen vorsieht. Im Streitfall wird ein Gericht sich an den Wortlaut des unterschriebenen Vertragstextes halten. Nur Dinge, die im Vertrag nicht geregelt wurden, werden - falls es dafür im Gesetz eine Regelung gibt - durch diese gesetzliche Bestimmung geregelt.

Einseitige Vereinbarungen können sittenwidrig sein

Wenn sich aus dem Vertragswortlaut ergibt, dass der eine Partner den anderen unangemessen benachteiligt hat, kann unter Umständen das Gericht im Streitfall diese Bestimmung für "sittenwidrig" und nichtig ansehen. Z.B. wäre eine einseitige Haftungsbegrenzung wahrscheinlich sittenwidrig. Doch sollte sich der Anlagenbetreiber nicht von vornherein darauf verlassen.


Juristerei ist keine Geheimwissenschaft

Die Aussagen in einem Einspeisevertrag bedeuten das Gleiche wie in der (gehobenen) Umgangssprache. Grundsätzlich sollten Verträge so abgefasst sein, dass der Anlagenbetreiber seinen Einspeisevertrag verstehen kann, bevor er ihn unterschreibt.


Missverständnisse ausräumen

Wenn der Netzbetreiber sich weigert, eine unverständliche oder missverständliche Passage in dem Vertrag zu ändern, sollte man ihn notfalls um eine schriftliche Information bitten, wie die Passage gemeint ist. Diese Antwort sollte man mit den Vertragsunterlagen sorgfältig aufbewahren.

Wie werden Streitfälle gelöst?

Genauso wie in der normalen Sprache Missverständnisse möglich sind, können Missverständnisse auch bei Vertragsformulierungen auftreten. Im Streitfall wird das Gericht herauszufinden versuchen, was die Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses tatsächlich gewollt haben.

Keine Gewähr

Bekanntlich lässt sich nie voraussagen, wie ein Gericht im konkreten Streitfall entscheiden würde. Die hier in diesem Beitrag gegebenen Hinweise erfolgen deshalb ohne Gewähr.


Wozu eine salvatorische Klausel?

Wenn sich im Streitfall vor Gericht herausstellt, dass die Vertragspartner den Wortlaut zu einem Punkt ihres Vertrages von Anfang an unterschiedlich ausgelegt haben, dann wäre - wenn es sich um wichtige Regelungen handelt - der Vertrag möglicherweise insgesamt ungültig. Entsprechendes gilt, wenn wie oben angedeutet, eine Klausel den einen Vertragspartner unzumutbar benachteiligt. Damit der Rest des Vertrages dann nicht auch wegfällt, können die Vertragspartner vorsorglich vereinbaren, dass die übrigen Punkte weiter gelten sollen (salvatorische Klausel).


Unterschreiben oder nicht?

Wer mit einer Vertragsbestimmung nicht einverstanden ist, sollte den Vertrag nicht unterschreiben. Er kann schriftlich einen Gegenvorschlag für den Passus machen und auf einer schriftlichen Antwort bestehen. Den Schriftwechsel sollte er aufbewahren.

Lieber kein Vertrag als ein schlechter Vertrag!

Diese Lösung ist anzuraten, wenn der Netzbetreiber die Einspeisung zulässt und auch ohne Vertragsabschluss eine Vergütung zahlt. Wenn der Netzbetreiber die Einspeisung zulässt, aber die Bezahlung verweigert, läuft es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinaus. Je unzumutbarer die Vertragsbedingung ist, desto wahrscheinlicher ist ein positiver Ausgang. Allerdings lässt sich ein gerichtlicher Erfolg nie mit völliger Sicherheit vorhersagen.


Nötigung?


Netzbetreiber, die einen unzumutbaren Vertrag erzwingen wollen, indem sie bis zur Vertragsunterschrift den Anschluss der Anlage an ihr Netz verweigern, begehen möglicherweise eine Nötigung. Wer sich unter Druck gesetzt fühlt, kann eine Strafanzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft erstatten.

Kritische Punkte

Nachfolgend sollen einige Punkte angesprochen werden, die sich im Verlauf der bisherigen Vertragsprüfungen oft als problematisch herausgestellt haben:

Vertragsdauer und Kündigung durch den Netzbetreiber

Eine Kündigungsmöglichkeit "aus wichtigem Grund" sowie nach den im EEG vorgeschriebenen 20 Jahren (plus Anfangsjahr) können ohne Risiko eingestanden werden. Andere Kündigungsmöglichkeiten des Netzbetreibers sollte der Anlagenbetreiber nicht akzeptieren.

Kündigung durch den Anlagenbetreiber

Dem Anlagenbetreiber steht nach dem EEG eine Kündigung jederzeit zu. Er sollte also auf der Vereinbarung einer Klausel mit möglichst kurzer Frist, z.B. monatliche Kündigung bestehen. Eine Kündigung könnte später von Interesse sein, wenn die Einspeisevergütung für Solarstrom angehoben wird, oder wenn sich die Chance bietet, einen insgesamt nachteiligen Vertrag durch einen moderneren Vertragstext zu ersetzen.

Vorbehaltsklauseln

Nach dem positiven Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13.03.2001 sind Klauseln, wie "unter dem Vorbehalt, dass die Vorschriften des EEG mit den gemeinschaftlichen Beihilferegeln vereinbar sind" realitätsfern und ungefährlich.

Rückzahlungsklauseln

Gefährlich sind Rückzahlungsklauseln. Der Anlagenbetreiber sollte sich keinesfalls verpflichten, bei einer Änderung des EEG zu viel erhaltene Beträge zurückzuzahlen oder einer rückwirkenden Anpassung der Vergütung zustimmen, was im Endeffekt auf das Gleiche hinausliefe. Hingegen kann der Anlagenbetreiber unbesorgt unterschreiben, dass der Netzbetreiber zu viel gezahlte Beträge zurückfordern wolle, wenn dies rechtlich zulässig sei. Durch seine Unterschrift nimmt der Anlagenbetreiber lediglich zur Kenntnis, dass der Netzbetreiber eine solche Forderung stellen will (woran er ihn ohnehin nicht hindern kann); der Anlagenbetreiber unterschreibt damit ja nicht, dass er die Forderung auch bezahlen werde.

Zum Stromzähler

Der Anlagenbetreiber ist der Verkäufer. Nach § 448 BGB ist der Verkäufer verantwortlich für die Messung der Ware und die Rechnungstellung. Deshalb kann er auf einer Vereinbarung beharren, dass er den Zähler selberanschafft und einbaut, ihn selber alle 16 Jahre eicht, ihn selber abliest und selber die Rechnung schreibt. Wer aber das Angebot des Netzbetreibers annimmt, sich von diesem all diese Aufgaben abnehmen zu lassen, der muss ihn auch dafür bezahlen. 60 DM jährlich sind der übliche Preis dafür.

Abrechnungszeitraum und Abschlagszahlungen

Als Lieferant des Solarstroms hat der Anlagenbetreiber Anspruch auf eine Bezahlung der gelieferten Ware nach Rechnungsstellung. Bei einer größeren Anlage sind monatliche Abstände angemessen. Praktischer ist es aber sicherlich für beide Seiten, wenn im Vertrag regelmäßige Abschlagzahlungen vereinbart werden.

Hinweise auf andere Schriftstücke

Schriftstücke, wie Preisblätter, Technische Bestimmungen oder auch Verordnungen, die im Vertrag erwähnt werden, werden dadurch zu Bestandteilen des Vertrages. Sie genau zu lesen ist zwar mühsam, aber notwendig, wenn man keine Überraschungen erleben will. Kompliziert wird ihre Beurteilung, wenn z.B. bei einem Hinweis auf die AVB(Elt)V nicht genau angegeben ist,welcher Passus gemeint ist. Hier empfiehlt sich eine schriftliche Anfrage beim Netzbetreiber (Antwort aufbewahren).

Weitere Hilfe

- Sie können sich am Muster-Einspeisevertrag des SFV orientieren.

- Mitglieder können Ihren Einspeisevertrag als Papierkopie an den SFV zur      kostenlosen Überprüfung einsenden.

- Nichtmitglieder wenden sich bitte direkt an Frau Dr. Bönning, Herzogstraße 19 in 52070 Aachen, und legen der Papierkopie des Vertrages einen Verrechnungsscheck über 100 DM bei.

- Die Überprüfung dauert wegen der großen Nachfrage allerdings etwa drei Monate.

- Sie können bei Rechtsanwältin Dr. Bönning, Tel. 0241-5152114 eine individuelle Prüfung des Vertrages vornehmen lassen. Hierfür wird eine Gebühr nach Absprache direkt bei Frau Dr. Bönning fällig.