Datum: 09.02.2005

Engpass Silizium?
Neues Verfahren zur Siliziumproduktion


Auszüge aus Pressemitteilungen der Firma Wacker-Chemie GmbH und der Daily Times

Kaum eine Branche meldet trotz schwieriger Wirtschaftslage so hohe Zuwachsraten wie die Solarindustrie: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz und andere, weltweit angekurbelte Fördermaßnahmen führten in den letzten Jahren zu einer mehrfachen Verdopplung der bestehenden Produktion. So erfreulich diese Entwicklung für die Solarbranche und den Umweltschutz auch sein mag, so gibt es doch ein schwerwiegendes Problem: Obwohl Quarz als Rohstoff für die Herstellung von Silizium-Solarzellen in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, könnte es möglicherweise schon bald zum Silizium-Engpass kommen.

Was sind die Ursachen?

Die Solarindustrie bezieht ihr Silizium hauptsächlich aus der Halbleiterindustrie. Die Silizium-Produktionsstätten der Halbleiterindustrie produzieren pro Jahr knapp 20.000 Tonnen polykristallines Silizium, damit daraus Silizium-Einkristalle gefertigen werden, aus denen man wiederum die Scheiben (Wafer) für die Mikrochips sägt. Der einzige wesentliche Unterschied zwischen den Ausgangsmaterialien für die Solar- und für die Halbleiterindustrie ist, dass das Silizium für die Mikrochips noch hundertmal reiner sein muss als für eine Solarzelle. So darf es im Wafer unter 100 Milliarden Siliziumatomen höchstens ein einziges Metallatom geben - in einer Solarzelle reicht ein Wert von einer Milliarde zu Eins. Doch der grundsätzliche Fertigungsprozess für das polykristalline Silizium war bislang sowohl für die Elektronik- wie für die Solarindustrie fast identisch; er basiert auf dem so genannten Siemens-Verfahren, das vor 50 Jahren erfunden wurde. Für das derzeit produzierte Solar-Polysilizium wurde dieser Prozess zwar soweit modifiziert, dass er den Kostenanforderungen der Photovoltaik-Industrie entgegenkam. Die bestehenden Produktionsstätten reichen jedoch bei weitem nicht aus, den stetigen Anforderungen der Solarbranche zu entsprechen. Betrachtet man ferner, dass die Gesamtkosten einer Photovoltaikanlage bis zu 40 % von den Kosten des Rohstoffs Silizium bestimmt werden, so wird klar, dass es dringend erforderlich ist, die Kosten für die Herstellung von Silizium zu senken, um konkurrenzfähigeren Solarstrom zu erzeugen.

(Weitere Hintergrundinformationen)

Die Firma Wacker-Chemie GmbH meldete in einer Pressemitteilung vom März letzten Jahres, dass sie ein neuartiges Verfahren entwickelt habe, mit dessen Hilfe granulares polykristallines Silizium - allein für die Solarindustrie - herstellt werden könnte. Wacker fertigt seit 50 Jahren hochreines polykristallines Silizium als Ausgangsmaterial für die Elektronikindustrie und seit drei Jahren auch verstärkt für die Solarindustrie. Am 1. Januar 2004 wurde nun die neue Geschäftseinheit WACKER POLYSILICON in Burghausen gegründet, um im sog. Wirbelschichtverfahren solares Polysilizium wirtschaftlicher als herkömmliche Methoden zu erzeugen.

Zum Verfahren:

Das bisher genutzte Siemens-Verfahren verwendet dünne Siliziumstäbe, die in einer Gasatmosphäre aus Trichlorsilan und Wasserstoff geheizt werden. Aus dem Trichlorsilan lagert sich dann nach und nach Silizium an den Stäben ab, die auf diese Weise zu dickeren Säulen aus Poly-Silizium wachsen (im polykristallinen Silizium gibt es - anders als im Einkristall - keine perfekte kristalline Ordnung, sondern es grenzen viele kleine Kristalle aneinander).
Anschließend muss der Reaktor abgeschaltet und der Stab abgekühlt und sorgfältig in kleinere Brocken gebrochen werden, die von der Solarindustrie weiterverarbeitet werden. Das neue Wirbelschichtverfahren von Wacker Polisilcon setzt dagegen auf einen kontinuierlichen Prozess, der polykristallines Silizium in kleinen Kügelchen von 0,3 bis 0,7 Millimeter Durchmesser liefert. Auch in diesem neuen Verfahren scheidet sich in einem Reaktor aus dem Trichlorsilan Silizium ab, allerdings an kleinsten Silizium-Körnchen, die eine spezifisch größere Oberfläche als der Silizium-Stab des Siemens-Verfahrens aufweisen. Das Granulat aus Poly-Silizium kann kontinuierlich aus dem Reaktor "geerntet" werden. Das Wirbelschichtverfahren ist damit aus mehreren Gründen für solares Poly-Silizium wirtschaftlicher als die herkömmliche Methode: Erstens scheidet sich in derselben Zeit mehr Silizium ab als im Siemens-Prozess; zweitens ist die elektrische Heizleistung geringer; drittens muss der Reaktor zur Entnahme nicht abgekühlt und geöffnet werden; viertens entfällt das aufwändige Brechen der Stäbe - und fünftens eignet sich das Granulat auch besser für eine Weiterverarbeitung.

Bislang mussten die Solarfirmen nämlich die faustgroßen Brocken aus Poly-Silizium in Quarztiegeln einschmelzen, um daraus dann die mono- oder multikristallinen Stäbe für ihre Scheiben zu gewinnen. Diese Tiegel sind in der Regel nur einmal zu verwenden. Wenn die Solarfirmen von Wacker hingegen ein rieselfähiges Granulat erhalten, dann lohnt es sich für sie, einen kontinuierlichen - und damit effizienteren - Prozess zur Fertigung der Solarzellen aufzubauen.

Alles in allem soll das von Wacker entwickelte Wirbelschichtverfahren der Solarindustrie die Möglichkeit bieten, ein auf ihre Bedürfnisse maßgeschneidertes polykristallines Silizium zu bekommen und damit ihre Herstellungsprozesse zu optimieren.

In der Pressemitteilung vom September 2004 kündigt WACKER POLYSILICON an, seine Polysilicium-Produktion am Standort Burghausen weiter auszubauen. Die Kapazitätserweiterung soll in zwei Schritten erfolgen: Ab 2006 wird die Jahresproduktion um 500 Tonnen, ab 2007 um weitere 1.000 Tonnen erhöht. Nach Abschluss der Ausbauarbeiten sollen am Standort Burghausen bis zu 6.500 Tonnen Polysilicium pro Jahr produziert werden.

Kontakt
Wacker-Chemie GmbH
Unternehmenskommunikation
Christof Bachmair
Telefon: +49 89 6279-1830
Fax: +49 89 6279-1239
christof.bachmair@wacker.com

Die Firma Wacker-Chemie GmbH ist nicht der einzige Hersteller, der an einem geeigneten Fertigungsverfahren arbeitet: Auch Joint Solar Silicon (Degussa und Deutsche Solar), Solarworld, Hemlock (Shin-Etsu, Mitsubishi und Dow Corning) sowie Elkem in Norwegen wollen billigeres Silizium produzieren.

 

Weitere Hintergrundinformationen

Auszug aus "Der richtige Stoff für die Sonne - Siliciumkörnchen für die Solarindustrie", Pressemitteilung von Wacker-Chemie GmbH vom 02.03.04

Ausgangsmaterial für Solarmodule aus Silicium (der Chemiker bevorzugt die Schreibweise Silicium, umgangssprachlich auch Silizium) sind die weltweit reichlich vorhandenen Quarzvorkommen (chemische Formel von Quarzsand ist SiO2). Durch Reduktion mit Kohlenstoff entstehen Silicium und das Gas Kohlendioxid. Um den Reinheitsgrad zu erhöhen und polykristallines Silicium zu erzeugen, wird das Silicium zunächst in gasförmiges Trichlorsilan (HSiCl3) überführt. Im konventionellen Siemens-Verfahren wird dann das Trichlorsilan zusammen mit Wasserstoff in einen Reaktor geleitet, in dem sich dünne Siliciumstäbe befinden, die elektrisch auf hohe Temperaturen (um 1000 Grad Celsius) geheizt werden. In einer chemischen Zersetzungsreak-tion lagert sich Silicium aus dem Trichlorsilan an den Stäben an und bildet große Blöcke von Polysilicium, die anschließend - ohne sie zu verunreinigen - wieder gebrochen werden müssen. Diese kleineren Brocken werden dann von den Firmen der Solarindustrie in Quarztiegeln geschmolzen und je nach Bedarf zu mono- oder multikristallinen Blöcken umgeformt. Daraus werden die etwa 0,3 Millimeter dicken Scheiben für die Solarmodule geschnitten - monokristalline Solarzellen haben gegenüber den multikristallinen einen höheren Wirkungsgrad für die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrischen Strom (etwa 16 - 18% gegenüber ca. 14 - 15%), sind aber auch teurer. Um eine Solarzelle zu bilden, müssen die Scheiben an bestimmten Stellen noch gezielt mit Stoffen versetzt (dotiert) werden, die den Aufbau eines elektrischen Spannungsgefälles in der Siliciumscheibe ermöglichen. Auch müssen sie eine Versiegelung und elektrische Kontakte erhalten.

Die Alternative zum Siemens-Verfahren ist das von Wacker entwickelte Wirbelschichtverfahren (fluidized bed deposition). Dabei werden das Trichlorsilan und der Wasserstoff in einen Reaktor geleitet, in dem sich kleine Silicium-Körnchen befinden. Auch hier lagert sich das Silicium an den Körnchen an, doch das Ergebnis sind keine Blöcke von Polysilicium, sondern ein Polysilicium-Granulat. Der Vorteil: Die Ablagerung geht - wegen der größeren Oberfläche der Teilchen - schneller vonstatten, die benötigte Heizenergie ist geringer, und es ist ein kontinuierlicher Prozess, der weder eine Unterbrechung erfordert, um das Polysilicium zu "ernten", noch das aufwändige Brechen von Polysiliciumblöcken notwendig macht.

Insgesamt rechnet man derzeit mit einem Mengenbedarf von etwa 14 - 15 Kilogramm Silizium pro Kilowatt Leistung des Solarmoduls und Kosten von 30 US-Dollar pro Kilogramm Poly-Silicium. Durch die Steigerung des Wirkungsgrades und die Fertigung dünnerer Scheiben (von der Physik her würden auch 0,1 Millimeter dünne Scheiben genügen) wird der Mengenbedarf künftig weiter abnehmen: Bis 2007 rechnen die Fachleute mit knapp über 12 kg Si/ kW.