Editorial zum Solarbrief 1/2000
vom 24.12.1999zwei Entscheidungen der Energiepolitik möchte ich heute kommentieren:
Die erste Entscheidung: Die Regierungskoalition hat dem Bundestag einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der für die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien neue Impulse setzt.
Das Gesetz trägt die Bezeichnung "Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie (EEG)". Im Vorwort des Entwurfs wird das Prinzip einer Einspeisevergütung, die den wirtschaftlichen Betrieb von Anlagen der Erneuerbaren Energien ermöglicht (also die kostendeckende Vergütung), ausdrücklich anerkannt.
Die zweite Entscheidung: Die Fraktion von Bündnis 90/die Grünen hat sich darauf geeinigt, die Laufzeiten der bestehenden Atomkraftwerke auf maximal 30 Jahre zu begrenzen (ohne dabei wirtschaftlich erschwerende Maßnahmen gegen die Betreiber völlig auszuschließen).
Die Laufzeit-Entscheidung hat begreiflicherweise ein erheblich größeres Echo gefunden, weil besonders unter den Anhängern der Grünen der rasche Atomausstieg als vordringliches Ziel grüner Politik angesehen wird. Die mögliche Hinnahme von 30 Jahren wird dort vielfach als ein klägliches Versagen empfunden. Waren die Ausstiegsversprechen von SPD und Grünen überhaupt ernstgemeint, fragt sich die Öffentlichkeit. Warum nutzt die Regierung nicht die Möglichkeit, den Ausstieg innerhalb Jahresfrist durch eine Änderung des Atomgesetzes zu erzwingen; warum verpflichtet sie nicht endlich die Betreiber der Atomkraftwerke dazu, eine angemessene Haftpflichtversicherung zu zahlen wie sie jeder Autobesitzer zahlen muß?
Nach Auskunft aus dem Bundeswirtschaftsministerium würde in einem solchen Fall der Atomstrompreis auf über 3,60 DM hochschnellen... Jede weitere Laufzeitdebatte würde sich dann erübrigen.
Sieht man allerdings die beiden genannten Entscheidungen (EEG und 30-Jahre Laufzeit) im Zusammenhang, kann man auch zu einer anderen, viel positiveren Beurteilung kommen:
Die Atomenergie ist ja nicht die einzige Gefahr, die uns bedroht... Viele tausend Tote in diesem Jahr durch Orkane und Überschwemmungen sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Ereignisse, die uns bei Fortführung der Energiegewinnung aus fossilen Quellen in den nächsten Jahrzehnten bedrohen... Ein bloßer Ausstieg aus der Atomenergie und die Verlagerung der Energieerzeugung in die fossilen Techniken würde das Klimaproblem sogar noch verschärfen. Und die so oft beschworene Hoffnung auf das gewaltige Energie-Einspar-Potential, das den Wegfall der Atomenergie ausgleichen könnte, hat nach 15 Jahren gutgemeinter vergeblicher Energiesparappelle bei gleichzeitig sinkenden Strompreisen jeder wirtschaftlich denkende Mensch längst aufgegeben. Die Masse der Bevölkerung wird Energie erst dann sparen, wenn sie schmerzhaft teuer wird (SCHMERZHAFT!!! meine ich...)
In der aufgeheizten Atomdiskussion wird man leicht mißverstanden. Ich betone deshalb an dieser Stelle ausdrücklich, daß der Solarenergie-Förderverein nicht die eine fürchterliche Technik, Atomenergie gegen die andere schreckliche Technik, Fossilenergie aufwiegen will, sondern daß wir - so rasch wie möglich - BEIDE ablösen wollen: Atomenergie UND fossile Energien!
Und noch ein weiteres Mißvertändnis möchte ich gar nicht erst aufkommen lassen: Das Energiesparen halten wir für einen wichtigen Beitrag zur Verminderung des Atom- und CO2-Problems, aber nicht für den entscheidenden.
Energiesparen schiebt lediglich den Eintritt der gefürchteten Katastrophen ein wenig hinaus, eröffnet aber keinen grundsätzlichen Ausweg. Uns geht es um eine grundsätzliche Lösung!
Und in dieser Hinsicht - auch wenn man es beim ersten Hinsehen überhaupt nicht recht bemerkt - wird von Rot/Grün jetzt endlich Ernst gemacht. Endlich wird darauf verzichtet, den Schwerpunkt der Energieerzeugung und damit die von ihr ausgehenden Gefahren nur von den nuklearen zu den fossilen Energien hin- oder zurückzuschieben.
Endlich wird stattdessen die wirtschaftliche Voraussetzung dafür gelegt, daß die erneuerbaren Energien die Nachfolge von beiden antreten können. In dieser Hinsicht ist der von Rot/Grün jetzt auf den Weg gebrachte Gesetzesentwurf von erheblichem Gewicht. Die energiepolitische Sensation des neuen Gesetzes liegt im Vorwort:
"Strom aus erneuerbaren Energien im Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird so vergütet, daß bei rationeller Betriebsführung der wirtschaftliche Betrieb der verschiedenen Anlagentypen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen grundsätzlich möglich ist, übliche unternehmerische Risiken von den Anlagenbetreibern jedoch selbst zu tragen sind. Auf diese Weise wird eine dynamische Entwicklung in Gang gesetzt, die privates Kapital mobilisiert, die Nachfrage nach Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien steigert, den Einstieg in die Serienproduktion ermöglicht, zu sinkenden Preisen führt, die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit erneuerbarer Energien verbessert und ihre stärkere Marktdurchdringung zur Folge hat."
Ich will nicht verhehlen, daß mich diese Sätze mit großer Genugtuung erfüllen. Fast wörtlich steht das so seit Jahren in unseren Info-Blättern, aber als der SFV als erster diese Forderungen erhob, hat man uns als Spinner oder Traumtänzer abgetan!
Doch zurück zur Realität. Leider entsprechen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurfs noch nicht dem verkündeten Gesetzesziel. Insbesondere ist die Vergütung von 99 Pfennigen pro Kilowattstunde für Solarstrom eben noch nicht wirtschaftlich. Aber hier ist nicht der Platz für Detailkritik. Ich werde in gesonderten kritischen Artikeln auf diese Punkte eingehen. Unsere Aufgabe als Verein werden wir in den nächsten Monaten darin sehen, die erkannten Defizite öffentlich anzusprechen und ihre Verbesserung anzumahnen. Wenn es den engagierten Energiepolitikern der Koalition schließlich gelingt, den Gesetzestext in einigen wichtigen Punkten dem hohen Anspruch des Vorworts anzupassen, kann unser Land stolz darauf sein, das weltweit mit riesigem Abstand fortschrittlichste Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien aufzuweisen. Insofern wünsche ich dem neuen Gesetz nicht nur Erfolg, sondern auch eine stärkere Beachtung in der Öffentlichkeit.
Mit allen guten Wünschen für die Festtage und das neue Jahrtausend grüße ich Sie herzlich
Wolf von Fabeck