Welche Farbe hat der Strom?
Von Britta Marold"Strom ist gelb!" Nahezu jeder in Deutschland kennt diesen Satz.
"Ich finde, Strom muss grün sein!" In dieser Aussage gipfelte der Wahlkampf der nordrheinwestfälischen Grünen im vergangenen Jahr.
Haben Sie sich bereits einmal mit der Taschenlampe vor Ihre Steckdose gelegt, um zu sehen, welche Farbe IHR Strom hat?
Versuchen Sie es lieber erst gar nicht! Denn : Strom hat keine Farbe.
Vielleicht sind Sie jetzt versucht, diesen Artikel gähnend aus der Hand zu legen. So nach dem Motto: "Ja, ja. Das ist doch nichts Neues!"
Vielleicht denken Sie auch: "Naja, dass Strom keine Farbe hat, weiß ich auch. Trotzdem nutze ich aber Ökostrom in meinem Haushalt. Der wird mir schließlich extra aus dem Windpark in Schleswig-Holstein durchgeleitet..."
"Durchleitung". Hier taucht schon die zweite äußerst irreführende Formulierung in diesem Bereich auf. Die Märchen von der Farbe des Stroms und der Durchleitung desselben werden weder als Märchen benannt noch erkannt. Die dadurch herrschende Verwirrung ist allgemein und sehr verbreitet. Die Frage ist, wie diese Verwirrung zustande gekommen ist und - vor allem - warum!?
Wem nützen die Märchen von Durchleitung und farbigem Strom? Wer zahlt den Preis für das Durcheinander der Begriffe?
Das sei ein Vermittlungsproblem, heißt es immer wieder. Man könne der Bevölkerung nicht deutlich machen, dass "Durchleitung" und "grüner Strom" nur Arbeitsbegriffe für die Stromwirtschaft seien. Die Menschen seien nicht in der Lage, diese Feinheiten zu begreifen.
Tatsache ist aber, dass es niemand bisher versucht hat.
Und wieder die Frage: Warum? Wem nützt, wem schadet das?
Wie ist das denn nun eigentlich mit dem Strom?
Wir haben das wohl alle im Physikunterricht in der Schule gelernt: Strom, Energie, Bewegung der Teilchen etc... Ich will das hier jetzt nicht genau ausführen. Aus den physikalischen Tatsachen ergibt sich indessen Folgendes:
In dem Moment, in dem der Strom ins Netz eingespeist ist - und zwar egal in welches - ist es nicht mehr möglich, seine Herkunft zu unterscheiden. Ob Strom aus Wasser, Sonne, Wind, Kohle oder Atom stammt, ist schlicht nicht mehr feststellbar. Und nicht nur das: Von diesem Moment an ist es auch noch irrelevant. Keine Waschmaschine läuft leiser, kein Fernsehapparat zeigt andere Bilder, kein Licht leuchtet mehr oder weniger hell. Strom ist Strom.
Und jeder, der sich mit Energiewirtschaft beschäftigt, weiß das.
Woher kommt dann aber der Begriff der Durchleitung?
Durchleitung ist ein kaufmännischer Begriff. Durch die Liberalisierung des Strommarktes sind die Energieerzeuger und die Netzbetreiber faktisch zu getrennten Unternehmen geworden. Der Netzbetreiber erhält ein Entgelt für die Nutzung seines Netzes, die Netznutzungsgebühr. Der Erzeuger speist Strom ins Netz ein, der Endverbraucher entnimmt ihn. Wenn ich also meinen Strom von einer Solaranlage in Freiburg beziehe, werden die verschiedenen dazwischenliegen Spannungsebenen in die Berechnung der Netznutzungsgebühr einbezogen. (Bei dieser Berechnung spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle. Der Einfachheit halber lasse ich diese außer Acht.) Mein Energieversorger hat damit theoretisch nichts zu tun. Ich zahle die Netznutzungsgebühr eigentlich direkt an die dazwischen liegenden Netzbetreiber. Der Energieerzeuger seinerseits garantiert dem Netzbetreiber, dass er die Menge Strom, die ich aus dem Netz entnehme, einspeist.
Da Strom aber nun, wie oben erklärt, nicht wie Wasser durch ein Bett durch die Leitung fließt, findet faktisch keine DURCHLEITUNG von meinem Energieversorger zu mir statt. Man muss sich das Netz eher wie ein Depot vorstellen: An allen möglichen Stellen (Einspeisepunkten) wird Energie - Strom - dazugegeben und jeder, der Strom benötigt, entnimmt aus diesem Depot die von ihm benötigte Menge. Einzig die Bezahlung fließt von dem Stromkunden zu dem jeweiligen EVU. Durchleitung - ein kaufmännischer Begriff.
Das ist an sich kein Problem. Das Problem liegt vielmehr darin, dass der Begriff "Durchleitung" in unseren Köpfen ein bestimmtes Bild auslöst. Wir sehen eine Leitung vor uns, durch die der Strom blitzschnell und zielgenau von der Freiburger Solaranlage zu meinem Zähler in Aachen fließt. Deswegen glauben wir dann auch, dass der Strom, der in Aachen aus meiner Steckdose kommt, tatsächlich von DIESER SOLARANLAGE IN FREIBURG stammt. Solange ich die Mehrkosten für Ökostrom nun an den Betreiber der Solaranlage zahle, und dieser durch diese Zusatzzahlung seine Anlage kostendeckend betreiben kann, ist das auch noch in Ordnung. Mein Geld wird tatsächlich dazu benutzt, den wirtschaftlichen Betrieb einer Solaranlage zu ermöglichen.
Im Normalfall allerdings ist die Sache mit dem "Ökostrom" leider eine ganz andere:
"Ökostromhandel" und "grüne Tarife"
Auf dem Enegiemarkt herrschte jahrelange Monopolwirtschaft. Die EVU haben ihren Strom aus verschiedenen Quellen gewonnen. Aus Kohle und Atom, aber auch schon seit langer Zeit aus Wasserkraft. Strom aus Wasserkraft zählt bekanntermaßen zu den erneuerbaren Energien. Schon immer ist der Strom im Netz aus einem Mix der verschiedenen Erzeugungsmöglichkeiten gespeist worden. Der Stromkunde zahlte einen Mischpreis, der sich anteilig aus dem Preis für die jeweilige Stromart zusammensetzte. Auch Strom aus Sonne und Wind wurde in diesen Mischkalkulationen mit einberechnet.
Seit zwei Jahre sieht das häufig anders aus. Energieerzeuger haben damit begonnen, ihren Kunden den Strom aus Wasserkraft, Sonne, Wind und anderen erneuerbaren Energien als "Ökostrom" anzubieten. Sie sagen: "In unserem Netz haben wir einen Anteil von (z.B.) 3% Wasserkraft. Diese 3% verkaufen wir ab sofort als Ökostrom. Der Kunde braucht nur 2 Pf/kWh mehr zu zahlen.
Und schon erhält er absolut sauberen Strom." Aus den obigen Ausführungen wissen wir, dass das absoluter Humbug ist. Es ändert sich weder irgendetwas im Netz, noch wird auch nur eine kWh mehr Strom ökologisch erzeugt. Es bleibt alles beim Alten. Alles? Nein. Die Stromrechnung des Kunden steigt um 2 Pf/kWh. (Für einen durchschnittlichen 4-Personenhaushalt heißt das ca.
60 DM Mehrkosten pro Jahr.) Und dieses Geld steckt sich das EVU fröhlich lächelnd in die Tasche und sonnt sich obendrein noch in seinem Imagegewinn:
"Wir, das EVU mit dem Ökostrom."
Der Ökostromkunde zahlt die 60,-DM gerne. Er glaubt, er tut etwas für die Umwelt, was - wie alle wissen - wichtig ist. Er freut sich an seinem Strom, ist zufrieden, seinen Beitrag zu leisten.
In Wirklichkeit aber ist der Kunde einem Betrug aufgesessen. Sein Geld hilft nicht dabei, die Umwelt zu entlasten. Es füllt nur die Taschen derer, die mit Umweltschutz oft nicht das Geringste zu tun haben.
Die Netzbetreiber sind verpflichtet, Strom aus erneuerbaren Energien "vorrangig abzunehmen und zu vergüten."(EEG §3...) Das heißt, jeder Netzbetreiber MUSS den Strom, der aus Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung angeboten wird, in sein Netz aufnehmen. Ob er ihn als "Ökostrom" verkauft, oder ob der Strom in den normalen Mischpreis mit einbezogen wird, ist abhängig von den Kunden. Wenn die Kunden keinen "Ökostrom" wollen, so muss der Strom trotzdem aufgenommen und verbraucht werden. Der höhere Preis wird laut EEG gleichmäßig auf alle Netzbetreiber und damit über den bundesweiten Ausgleich (EEG §11) gleichmäßig auf alle Stromkunden in Deutschland umgelegt. Kaufen also gutwillige Umweltfreunde diesen Strom, so ersparen sie damit nur der Allgemeinheit einen etwas höheren Strompreis. Sonst ändert sich in den meisten Fällen überhaupt nichts!
Sicher gibt es auch Ausnahmen. Einige Ökostromhändler und einige EVU benutzen die Mehreinnahmen, um neue regenerative Energieerzeugungsanlagen zu bauen. Hier ist das Geld gut angelegt! Denn einzig die Art der Erzeugung des Stroms ist für die Umwelt von Bedeutung. Wenn ein Mensch also nicht genug Geld hat, um durch den Kauf von Windfonds oder der Teilnahme an einer Betreibergemeinschaft für Solaranlagen in die Umwelt zu investieren, so ist diese Form von Engagement sicher eine Alternative. Es gibt einige dieser sogenannten Spendensammelmodelle. Erstaunlich ist nur, dass die meisten, die Spenden für den Erhalt der Umwelt sammeln, steif und fest behaupten, sie würden "Ökostrom" verkaufen. In Wahrheit sammeln sie bei Ihren "Kunden" jedoch einige Pfennige mehr ein, die sie dann benutzen, um die Wirtschaftlichkeit von Energieerzeugungsanlagen, die neu erbaut werden, zu sichern.
Dass hier nicht Klartext gesprochen wird, trägt erheblich zu dem herrschenden Durcheinander der Begrifflichkeiten bei. Wie kann ich als Stromkunde, der sich nicht in der Szene bewegt, unterscheiden, mit was für einer Art von "Ökostromer" ich es hier zu tun habe? Die irreführenden Begriffe wie Ökostrom und Durchleitung werden von allen gleich benutzt. Niemand hält es für nötig, den Kunden diese Begriffe einmal deutlich auseinanderzusetzen.
Bei den unseriösen Anbietern am Markt, die wie oben beschrieben ihre Kunden hinters Licht führen, kann ich das verstehen. Ihnen nützt es, wenn der Stromkunde nicht weiß, dass sein Geld einfach nur eingesammelt wird.
Warum aber unterstützen die wenigen seriösen Anbieter am Markt dieses Gebaren? Warum nennt sich ein Unternehmen, dass dafür sorgt, dass neue Erzeugungsanlagen für Strom aus regenerativen Quellen gebaut werden können, ausgerechnet "Ökostromhändler"?
Das oft gehörte Argument habe ich schon oben beschrieben: Die Leute begreifen den Unterschied nicht. Dem widerspreche ich! Ich bin überzeugt, dass jeder Durchschnittsbürger, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, verstehen kann, wo der Unterschied liegt.
Wir haben uns nur leider angewöhnt, uns kurzer, griffiger Slogans zu bedienen. Hauptsache kurz, egal ob die kurze Erklärung der Komplexität der Sache angemessen ist oder nicht. Die Energiewende ist unser wichtigstes Anliegen. Gerade hier können wir uns ungenaue und falsche Argumentation nicht erlauben. Wenn die oben geschilderte Unseriosität von anderer Seite aufgedeckt wird und wir haben wider besseren Wissens geschwiegen, dann haben wir unserem wichtigsten Anliegen, der Energiewende, unüberschaubaren Schaden zugefügt.