Zum EuGH-Vorwurf der Handelsbehinderung
vom 04.11.2000der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sieht in den Regelungen des alten Stromeinspeisungsgesetzes (StrEG) eine Beschränkung des zwischenstaatlichen freien Warenverkehrs.
Der SFV hält dies für unzutreffend. Die Regelungen des StrEG behindern nach unserer Auffassung weder direkt noch indirekt den grenzüberschreitenden freien Stromaustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den anderen Staaten der Gemeinschaft. Dies begründen wir im folgenden.
Zunächst zitieren wir aus dem Plädoyer des Generalanwalts (GA)
203. Die Streithelfer und die Bundesregierung machen geltend, der Strom aus erneuerbaren Energien, der vom StrEG 1998 erfasst sei, mache lediglich 1 % des Stromverbrauchs in Deutschland aus. Da die Abnahmepflicht nur einen unbedeutenden Teil des Strommarktes betreffe, sei der innergemeinschaftliche Handel nicht ernsthaft beeinträchtigt.
204. Der Rechtsprechung des Gerichtshofes lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob für Artikel 30 EG-Vertrag eine De-Minimis-Regel gilt, durch die Maßnahmen ohne spürbaren Einfluss auf den Handel aus dem Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen würden. Selbst wenn eine solche Regel bestehen sollte, so wäre sie im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Ein grenzüberschreitender Stromhandel, der 1 % des gesamten deutschen Stromverbrauchs ausmacht, ist offensichtlich weder bei absoluter noch bei relativer Betrachtung (etwa bezüglich möglicher Einfuhren aus Dänemark oder Schweden) eine zu vernachlässigende Größe. Dem wäre erst recht so, wenn man nur die Auswirkungen auf den Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien zugrunde legen wollte.
205. Eine Regelung wie die des StrEG 1998 ist folglich als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung anzusehen und daher im Grundsatz nach Artikel 30 EG-Vertrag verboten.
Eine Analyse des Zitats ergibt:
1. Der GA akzeptiert, dass Strom aus erneuerbaren Energien, der vom StrEG 1998 erfasst sei, lediglich 1 % des Stromverbrauchs in Deutschland ausmache.
2. Der GA sieht einen grenzüberschreitenden Stromhandel, der 1 % des gesamten deutschen Stromverbrauchs ausmacht, nicht als vernachlässigbare Größe an.
3. Der GA sieht eine Regelung wie die des StrEG 1998 deshalb als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung an.
4. Der GA sieht die Regelung des StrEG 1998 insbesondere insofern als handelseinschränkende Maßnahme an, wenn man ihre Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Handel mit Strom aus erneuerbaren Energien berücksichtigt.
Stellungnahme zu den Punkten 1. bis 3
Offensichtlich ist der GA der Meinung, das StrEG beschränke
in seinen praktischen Auswirkungen den grenzüberschreitenden
Stromhandel um einen Betrag, der 1 % des deutschen
Stromverbrauchs ausmache.
Eine Begründung dafür, warum genau die Menge, die nach den
Regeln des StrEG aus Anlagen zur Stromerzeugungung aus
erneuerbaren Energien in das deutsche Stromnetz eingespeist
wird, nicht mehr durch grenzüberschreitende Importe nach
Deutschland eingeführt werden kann, gibt der GA nicht, wohl
weil ihm dies unmittelbar zwingend logisch erscheint.
Wir halten das Ergebnis seiner Überlegungen allerdings für
falsch. Da der GA aber bedauerlicherweise keine Begründung
nennt, können wir den Fehler der uns unbekannten
Begründung nicht direkt widerlegen.
Wir können aber zeigen, dass seine Überlegungen im ERGEBNIS
falsch sind:
Die grenzüberschreitenden Stromimporte in die Bundesrepublik
Deutschland betragen nur wenige Prozent des deutschen
Stromverbrauchs. In manchen Jahren, z.B. 1991 und 1992 wurde
sogar mehr Strom exportiert als importiert.
Wenn Stromkunden oder Stromhändler dies wünschen, könnten
die Stromimporte weit über die derzeitigen Importmengen
hinaus gesteigert werden. Es würde dann weniger Strom aus
deutschen Kraftwerken gekauft, die deutsche konventionelle
Stromerzeugung würde entsprechend reduziert.
Eine Steigerung der Importe ist also - wenn die Akteure auf
dem Strommarkt dies wünschen - um viele Prozent möglich.
Theoretisch könnte sogar der gesamte Stromverbrauch der
Bundesrepublik durch Stromimporte aus dem Ausland gedeckt
werden, wenn nicht bereits 1 % Strom aus erneuerbaren
Energien nach der Vorrangregel des StrEG im deutschen Netz
aufgenommen werden müsste.
Es können also wegen der Regelung des StrEG nicht 100 % des
deutschen Strombedarfs, sondern "nur" 99 % durch Importe
gedeckt werden. Hier scheint es eine Begrenzung zu
geben; wohlgemerkt, theoretisch!
In der Praxis stellen sich allerdings einer ständigen
Steigerung der Stromimporte weit frühere Begrenzungen
entgegen, lange bevor die theoretisch möglichen 99 %
erreicht sind. Die praktischen Begrenzungen ergeben sich
nicht aus dem StrEG, sondern werden durch andere
Gegebenheiten verursacht.
Z.B. könnten die Stromproduzenten der anderen
europäischen Staaten überhaupt nicht die erforderlichen
Strommengen bereitstellen, um die gesamte Bundesrepublik
zu versorgen.
Eine Begrenzung aber, die praktisch nicht wirksam werden
kann, weil es andere, früher greifende Begrenzungen gibt,
ist irrelevant.
Soweit unsere Stellungnahme zu den Punkten 1. bis 3.
Stellungnahme zu 4.
4. Der GA sieht die Regelung des StrEG 1998 insbesondere
dann als handelseinschränkende Maßnahme an, wenn man ihre
Auswirkung auf den grenzüberschreitenden Handel mit Strom
aus erneuerbaren Energien berücksichtigt.
Dieser Einwand erscheint uns unverständlich. Da auch hier
eine Begründung des GA fehlt, können wir nur darauf
hinweisen, dass im Ergebnis keine mengenmäßige Einschränkung
des grenzüberschreitenden Handels mit Strom aus erneuerbaren
Energien zu erkennen ist:
Das StrEG zwingt keinen Betreiber einer EE-Anlage, seinen
Strom dem Netzbetreiber zu den StrEG-Bedingungen zu
verkaufen. Es bleibt dem Betreiber also unbenommen, als
Lieferant am nationalen oder grenzüberschreitenden Handel
mit Strom aus erneuerbaren Energien teilzunehmen.
Das StrEG hindert insbesondere auch keinen inländischen Stromkunden, in
beliebiger gewünschter Menge ausländischen Strom aus
erneuerbaren Energien zu kaufen.
Eine Steigerung der Importe von Strom aus erneuerbaren
Energien stieße infolge des StrEG erst dann an eine
Grenze, wenn 99 % des deutschen Strombedarfs aus ausländischem
Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt würde.
Ein Erreichen dieser Grenze ist in der Praxis noch weniger
als unter 1. bis 3. möglich, weil auf Jahre hinaus die
Strommengen aus erneuerbaren Energien aller Nachbarländer
der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichen, 99 % des
Strombedarfs der Bundesrepublik zu decken.
Zusammenfassung zu den Punkten 1. bis 4.
Der GA geht davon aus, dass die vorrangige Aufnahme von
Strom aus erneuerbaren Energien im Stromnetz mengenmäßig zu
einer Einschränkung des möglichen Importumfangs führt. Dies
ist ein Irrtum.
Mit freundlichen Grüßen
Georg Engelhard, Wolf von Fabeck