Leserbrief zu SPIEGEL-Artikel, "Schillernde Landschaften"
Text des Leserbriefs:
Ihr jüngster Beitrag passt in die Serie negativer SPIEGEL-Beiträge zum Thema Erneuerbare Energien. Jedoch kann ich beim besten Willen nicht erkennen, zu welcher Energiepolitik sich DER SPIEGEL bekennt, wenn er die Investitionen in regenerative Energien als ,energiepolitische Geisterfahrt' anprangert ?!In Sachsen entsteht auf sog. ,Unland' eine 5MW Photovoltaik-Freiflächenanlage. Dass Shell Solar - also ein Mineralölkonzern - der Generalunternehmer für diese Anlage ist, scheint dem SPIEGEL sauer aufzustoßen. Wenn zudem die PV-Großanlage nicht mehr von ,zotteligen Weltveränderern', sondern von einem ,schneidigen Ökonomen' geführt wird, der zudem im Mercedes (statt Fahrrad) fährt, dann scheint dies höchst suspekt zu sein.
Ganz anrüchig ist dem SPIEGEL jedoch offensichtlich, dass mit regenerativen Kraftwerken (seien es Windkraftanlagen, Biogasanlagen oder wie im vorliegenden Fall eine PV-Anlage) auch Geld verdient werden kann.
Ja glaubt DER SPIEGEL denn allen Ernstes, dass die Energiewende - an der wir nicht vorbeikommen werden - von einigen wenigen idealistischen Weltveränderern vorgenommen und aus deren privatem Geldbeutel bezahlt werden kann?
Wenn wir (die Industriestaaten und die EU bzw. Deutschland im besonderen) von den absehbar knapper werdenden fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) in absehbarer Zeit unabhängiger werden wollen, so sind in einer Marktwirtschaft Rahmenbedingungen erforderlich, die den Investoren (Kapitalgebern) wirtschaftliche Vorteile (d.h. Gewinne) versprechen. Das ist nichts Anrüchiges! Die konventionelle und nukleare Kraftwerkswirtschaft betreibt in Deutschland seit Jahrzehnten nichts anderes. Und sie hat damit prächtig verdient (,Monopolgewinne') und tut es im liberalisierten Strommarkt noch heute noch (z.B.: durch steigende Gewinne aus den ,Netznutzungskosten').
Wer im Angesicht des Treibhauseffekts (den selbst die US-amerikanische Regierung nicht mehr zu negieren scheint, s. Pentagon-Studie und jüngste Verlautbarungen der Regierung an den Kongress) und der Problematik der absehbaren und teilweise bereits spürbaren Verknappung der fossilen Energieträger (der aktuell hohe Ölpreis ist nur ein kleiner Vorgeschmack) die Energiewende hin zu regenerativen Quellen ablehnt, muss klar sagen, wie er sich unsere Energieversorgung in Zukunft vorstellt.
Die energiehungrigen Industriestaaten und Schwellenländer (China, Mexico, Brasilien, etc.) werden realistisch keine andere Chance haben, als neben einer konsequenten Energiesparpolitik das gesamte Spektrum der regenerativen Energien zu nutzen und weiterzuentwickeln. Nur so können sie ihre derzeitige Abhängigkeit von Eröl (Nahost) und Erdgas (Russland) reduzieren, einen aktiven politischen Beitrag zur Stabilisierung der Welt leisten (Vermeiden von ,Krieg um Öl' oder andere Rohstoffe) und vielleicht der Klimakatastrophe entgehen. Insofern ist der Übergang zu regenerativen Energieträgern keine ,energiepolitische Geisterfahrt' (denn das Ziel ist klar benannt!), sondern das Vermeiden einer Fahrt mit Vollgas gegen die Wand.
Im Rahmen einer Energiewende wird die Photovoltaik - auch in Deutschland - einen nennenswerten Beitrag leisten müssen. Ich persönlich ziehe allerdings Anlagen auf den ohnehin in großem Umfang vorhandenen geeigneten Dachflächen den Freiflächenanlagen vor.
Zur Kritik an der Höhe der im EEG festgelegten Einspeisevergütungen für regenerativen Strom möchte ich anmerken, dass nur bei einer mindestens kostendeckenden Vergütung ein wirtschaftlicher Anreiz besteht, die derzeit noch teuren Techniken weiterzuentwickeln und damit mittelfristig kostengünstiger und wettbewerbsfähig zu machen. Die Umlage für EEG-Strom auf den Strompreis, die 2002 ca. 1 ? pro Monat und Haushalt ausmachte wird in weiten Kreisen unserer Bevölkerung akzeptiert. Dies belegen aktuelle Umfragen. Ich denke, dass die Mehrzahl unserer Bürger selbst steigende Stromkosten zu akzeptieren bereit sind, wenn damit die Perspektive einer nachhaltigen Erzeugung für unsere Kinder eröffnet wird. Die Kosten der Kohlesubventionen und die aktuelle Verteuerung konventioneller Energieträger (Heizöl, Benzin, etc.) belasten die Bürger ohnehin weitaus stärker (mit der Aussicht auf weitere Verschlechterungen ...).
Dipl. Ing. Alfons Schulte, Aachen