Datum: April 2005

Der Land- und Forstwirt als Energiewirt

Kritischer Kommentar zur 7. EUROSOLAR-Konferenz im Februar 2005

Von Petra Hörstmann-Jungemann

Es ging um Konzepte zur Nutzung von Biomasse und deren gesetzliche Rahmenbedingungen. Viele Referenten berichteten über die vielseitige Verwendbarkeit der Biomasse im Energiesektor: als Biotreibstoffe im Verkehrssektor (Pflanzenöl, Bioethanol, Biodiesel, Biomethan oder synthetische Biokraftstoffe), zur Prozess- und Raumwärmeerzeugung (Biogas, Holz, auch in Stück- und Pelletform ...) oder zur Stromproduktion (Biogas, Holzhackschnitzel, Pflanzenöl...)
Besonders hervorgehoben wurde, dass die Biomasse regional aufbereitet und auch genutzt werden kann. So forderten einige Referenten (Bärbel Höhn Umweltministerin NRW, Dr. Heinz Kopetz, u.a.), dass die Land- und Forstwirte die Chance der regionalen Aufbereitung nutzen und entsprechende dezentrale Energiestrukturen z. B. mit Hilfe von kommunalen Energieversorgern aufbauen sollten. Dabei sollten die Landwirte nicht nur den Rohstoff Biomasse produzieren, sondern auch zum Anbieter von Energie werden. Dies stärke die örtliche Wirtschaft und schaffe Arbeitsplätze.

Hierzu ein Kommentar

Es gab eine Fülle interessanter Detailinformationen zum Einsatz von Biomasse im Energiesektor. Die Diskussion der grundsätzlichen Fragen kam zu kurz: Welche Aufgaben kann die Bioenergie mit Rücksicht auf ihr begrenztes Potential in einer auf Erneuerbare Energien umgestellten Energiewirtschaft nachhaltig wahrnehmen? Mit welchem Potenzial ist zu rechnen? Ist die Ertragsfähigkeit der Böden auch langfristig gesichert?

Biomasse, eine unerschöpfliche Energiequelle?

Nach den Vorgaben der Europäischen Union (EU) sollen bis 2010 neun Prozent der Energie aus Biomasse gedeckt werden. Dies entspricht immerhin einem Flächenbedarf von 12,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Europas (EU15). Derzeit gibt es in der EU noch eine Überproduktion an landwirtschaftlichen Produkten. Diese, so einige Referenten, sollte in den Energiesektor umgelenkt werden und zusätzliche Flächen von ca. 7 % aus der Flächenstilllegung könnten aktiviert werden. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln würde dadurch nicht gefährdet. Darüber hinaus lieferten die Wälder noch ungenutzes Holz, welches ebenfalls zur Energieerzeugung herangezogen werden könne.

Was kommt jedoch nach Erreichung des EU-Ziels, dass ja nur eine Etappe auf dem Weg zu einer regenerativen Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien darstellt? Land- und forstwirtschaftlich nutzbare Flächen sind begrenzt und nicht beliebig vermehrbar. Die naheliegende Frage wie in einem zukünftigen Interessenkonflikt zwischen den drei konkurrierenden Nachfragegruppen Lebensmittel, Rohstoffe und Energie entschieden werden wird, wurde nicht ausreichend thematisiert.

Energiepflanzenanbau - Ökologisch vertretbar?

Die verstärkte Nutzung der Biomasse zur Energieerzeugung sollte nach Überzeugung von Dr. Harry Lehmann (Umweltbundesamt) auf jeden Fall nachhaltig angelegt sein, um die angestrebten wirtschaftlichen und politischen Ziele zu erreichen. Es solle keinen Ausbau der Biomasse um jeden Preis geben. Eine Betrachtung und Einbeziehung vieler Aspekte wie z. B. Ressourcenverbrauch, Gesundheit, Flächeninanspruchnahme, Wirtschaftskreisläufe, Arbeitsplätze u. a. über die gesamte Nutzungskette von Biomasse zur Energieerzeugung sei wichtig. Ein Aspekt der nachhaltigen Nutzung der Biomasse ist m. E. auch die Gewährleistung geschlossener Nährstoffkreisläufe. In den Vorträgen der Referenten fand dieser Punkt eine zu geringe Beachtung. Wird etwa Bioenergie (synthetischer Biokraftstoff (Sunfuel), Strom, u. a.) nach dem Carbo-V-Verfahren der Firma Choren (siehe Anlage 1) aus Biomasse hergestellt (Dr. Bodo Wolf, Choren Industries), so verbleibt ein Teil der mineralischen Bestandteile der Pflanze letztlich im Schlackengranulat, wo sie wasserunlösbar gebunden werden. Sie fehlen dann im Nährstoffkreislauf.

In diesem Zusammenhang muss auch die Entnahme von Restholz (Wipfel, Äste) aus den Wäldern m. E. als problematisch angesehen werden, obwohl diese von einigen Referenten befürwortet wird (z. B. Dr. Thomas Griese, Staatssekretär im Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes NRW; Dr. Heinz Kopetz, Direktor der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft Steiermark, Österreich u. a.).

Nutzt man das Restholz, Stroh oder auch die ganze Pflanze zur Energieproduktion, so wird auch den heterogenen Organismen ein Teil ihrer Nahrungsgrundlage entzogen, entsprechend können sie sich nicht so gut entwickeln. Es muss bei der Entnahme auf das empfindliche Ökosystem des Waldes und Feldes Rücksicht genommen werden, um eine Gefährdung der Bodenfruchtbarkeit und somit auch der Ertragsfähigkeit der Böden zu vermeiden, sonst ist die Grundlage der zukünftigen Energiegewinnung bereits im Ansatz gefährdet. Ein sparsamer Umgang mit dem Rohstoff Biomasse ist also notwendig. Dieser Aspekt sollte m. E. bei dem Konzept von Prof. Konrad Scheffer (siehe Artikel im Solarbrief 3/02), Universität Kassel, stärker einbezogen werden. In dem genannten Konzept wird der Anbau von speziellen Energiepflanzen zur Nutzung der ganzen Pflanze mit möglichst hohen Erträgen favorisiert. Im Vergleich zum herkömmlichen Anbau, z.B. Raps zur Pflanzenölproduktion, können zwar höchstmögliche Nettoenergieerträge pro Flächeneinheit erzielen werden. Ob die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit langfristig gesichert ist, wurde nicht thematisiert.

Zusätzlich wird in seinem Konzept zur Biomassebereitstellung für synthetische Biokraftstoffe wie Sunfuel (s. Anlage 1) bereits ein hoher Energieeinsatz für dessen Herstellung eingeplant.
Ist es nicht sinnvoller, Biokraftstoffe mit möglichst geringem Energieeinsatz bei der Herstellung einzusetzen, weil die land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche, aber auch die Böden in ihrer Ertragsfähigkeit begrenzt sind?
Dies bedeutet aber auch, mehr energiesparende Verbrauchskonzepte von Bioenergie einzusetzen. Man denke nur an den Einsatz energiesparender Kraftfahrzeugtechnik (Unter-1-Liter-Auto).

Leider wurden andere Nutzungskonzepte, die auf der gleichen Fläche Nahrungsmittel oder Rohstoffe UND Energie erzeugen (z. B. Leindotter als Ölpflanze im Mischfruchtanbau mit einer Nahrungsmittelpflanze), von den Referenten nicht aufgegriffen.


Anlage 1

Herstellung von synthetischen Biokraftstoffen (BtL) nach dem Carbo-V-Verfahren der Firma Choren: Biomasse wird über verschiedene Verfahrensschritte in Synthesegas zerlegt, welches dann z. B. zur Herstellung von flüssigen Kraftstoffen über das Fischer-Tropsch-Verfahren zur Verfügung steht. Es sind viele Reinigungsschritte erforderlich, bis man ein sauberes Endprodukt, zum Beispiel „Sunfuel“ erhält. Neben Abgasen erhält man als Rückstand ein Schlackegranulat, in dem die mineralischen Bestandteile der Pflanzen wasserunlöslich (und damit nicht wiederverwendbar) eingebunden sind. Dieses soll als Baustoff eingesetzt werden. Weitere Informationen unter www.choren.de