von Inge Aicher-Scholl
am 23 Mai 1986
Sie haben versagt
Wir wissen es nicht. Verfallsdaten beachten oder Halbwertzeiten? Wir wissen es nicht. Regenschirm oder Abduschen? Wir wissen es nicht. Sind Kinder 23 mal oder nur 17 mal so gefährdet wie Erwachsene? Wir wissen es nicht.
Es geht um mehr als um Tiefkühlkost
Unsere Politiker haben sich totgestellt
Als Lastwagenfahrer einst
Wenn jetzt Frauen ihre Kinder nicht mehr Warum?
Ruhe bewahren,
Nur einer meldet sich zu Wort: Herr Zimmermann.
Ruhe bewahren,
Der Kanzler gab aus dem Fernen Osten Anweisungen.
Heute sind 350 Kernreaktoren in rund 30 Ländern im Betrieb.
Nun werden noch mehr Menschen an Krebs sterben.
Versagen gehört zu unserer Welt. Aber sie haben versagt.
Mag sein, die deutschen Atomkraftwerke
Und Brokdorf liegt nur 60 km von Hamburg,
Wer evakuiert die Hamburger wohin?
Jeder wird allein gelassen sein.
Nur keine Panik, sagen sie.
Beschwichtigung von Ignoranten.
Was haben wir gelernt?
Auswandern? Emigrieren?
Wenn wir heute nichts dagegen unternehmen,
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Inge Aicher-Scholl Inge Aicher-Scholl (* 11. August 1917 in Ingersheim-Altenmünster (heute zu Crailsheim); 4. September 1998 in Leutkirch im Allgäu) war Kulturschaffende und Schriftstellerin.
Inge Aicher-Scholl war die älteste Schwester der von den Nationalsozialisten hingerichteten Geschwister Scholl. Sie gründete 1946 in Ulm die dortige Vh, eine der ersten Volkshochschulen im Nachkriegsdeutschland. 1950 rief sie die Geschwister-Scholl-Stiftung als Trägerin der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG Ulm) ins Leben. Über ihre Geschwister Hans und Sophie und deren Münchener Widerstandsgruppe veröffentlichte sie 1952 das Buch "Die weiße Rose". Im selben Jahr heiratete sie den Gestalter Otl Aicher.
1972 übersiedelte die Familie nach Rotis bei Leutkirch im Allgäu. Seit 1978 engagierte sich Inge Aicher- Scholl intensiv in der Friedensbewegung.