Datum: 21.11.2005

Erdöl für alle - diese Zeit ist vorbei


von Hans-Josef Fell
Mitglied des Deutschen Bundestages
Forschungs- und technologiepolitischer Sprecher
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

 

Erdöl für alle - diese Zeit ist vorbei Es ist eine Mär zu glauben, es gäbe für den Verbrauch noch für Jahrzehnte genügend Erdöl in der Welt. Die Realität sieht anders aus. Das Erdöl wird knapp und zwar bald, sehr bald sogar. Dies musste und muss verschleiert werden. Zu diesem Zweck wurden unzählige Expertisen geschrieben, scharenweise Vorträge gehalten, Interviews gegeben. Hauptverschleierungskünstler sind die Internationale Energieagentur (IEA), die Mineralölkonzerne und die amerikanische USGS (United States Geological Survey), die den Statistischen Unterbau liefert, auf den sich die meisten Energieexperten beziehen. Da die meisten Experten auf die gleichen Zahlen zugreifen, kommen auch die meisten zu dem gleichen Ergebnis, dass es noch lange genügend Erdöl gäbe.

Wer hinter den Ölschleier sehen will, betrachtet am besten die Analysen der ASPO (Association for the Study of Peak Oil & Gas). Die ASPO sagt schon seit Jahren für den jetzigen Zeitraum das Erreichen des Maximums der Erdölförderung voraus.

Doch selbst die ASPO wurde in den letzten Jahren noch von der Realität überholt. Grund ist die stark gestiegene, globale Nachfrage nach Erdöl. Alleine der Anstieg im letzten Jahr überschritt den Verbrauch Deutschlands. Alle 3-4 Jahre müsste ein neues Saudi-Arabien aus dem Boden gebohrt werden, um diesen Nachfrageanstieg zu befriedigen. Dabei hat Saudi-Arabien schon genügend damit zu tun, den Förderrückgang der Nordsee und anderer Gebiete aufzufangen. Das OPEC-Land Indonesien ist dieses Jahr zum Importland geworden und hat mit Unruhen aufgrund der Erdölpreisanstiegs zu tun. Iran versucht auf Erdgas und Atom umzusteigen, da es seine Erdölförderung zurückfahren muss. Und Saudi-Arabien produziert an seiner Kapazitätsgrenze. Die jüngste Studie des Analysten Simmons geht davon aus, dass Saudi-Arabien schon bald seine Erdölförderung wird senken müssen. Kritisch über die Möglichkeiten Saudi-Arabiens äußert sich mittlerweile sogar der frühere Chef des staatlichen saudi-arabischen Ölkonzerns Aramco in New-York Times Magazin vom 21. August.

Der französische Premier-Minister Dominique de Villepin sagte am 1. September, dass es Zeit ist, sich der Energie-Realität zu stellen: "Wir sind in das Post-Erdölzeitalter eingetreten. Ich möchte alle Konsequenzen ziehen und einen richtigen Schwung in Energiesparen und erneuerbare Energien geben".

Doch noch sind die beschwichtigenden Stimmen in der Überzahl - leider nicht ohne Folgen: Die jahrelangen Fehleinschätzungen der Erdölanalysten haben gravierende Auswirkungen auf die Planungen der Staatshaushalte und Investitionen der Wirtschaft sowie der Privathaushalte.

Alle Jahre wieder werden aufgrund utopischer Annahmen über Erdölreserven für das Folgejahr niedrigere Ölpreis prognostiziert. Halb aus Spaß, halb mit Ernst hatte ich am 19.10.2004 in einer Pressemitteilung folgende Prognose abgegeben: "Für 2005 rechnen die Wirtschaftsweisen vollkommen weltfremd mit 37 Dollars je Barrel Rohöl. In den letzten 6 Jahren lag der Ölpreis im Schnitt um 50% über der Prognose von Analysten, wie eine Untersuchung der Deutschen Bank zeigte. Wird dies berücksichtigt, ergibt sich ein Ölpreis von durchschnittlich 55 Dollars je Barrel. D.h., dass der Ölpreis sich im nächsten Jahr vermutlich über längere Zeiträume über 60 Dollars je Barrel aufhalten wird."

Letztes Jahr schwankte der Rohölpreis im August zwischen 40 und 45 Dollar je Barrel. Damals wurden die Spekulanten und die Krisen in Venezuela und Nigeria dafür verantwortlich gemacht. Die Krisen sind verschwunden und der Erdölpreis liegt zwischen 60 und 70 Dollar je Barrel - auch schon vor den Hurrikan-Schäden.

Jetzt, wo das Erdöl knapp wird, wäre es das Verkehrteste, die Mineralölsteuer zu senken und damit erneut falsche Kaufanreise zu setzen. Leider genügt es auch nicht, alleine aufs Energiesparen zu setzen und etwa 5-liter-Erdöl-Autos zur Norm zu machen. Diese Maßnahmen sind zweifellos wichtig. Entscheidend ist aber der Wechsel der Energieträger - Weg von endlichen Ressourcen - hin zu unerschöpflichen Erneuerbaren Energien. Besser sind also 3-Liter-Pflanzelölautos oder 1-Liter-Solarautos, so wie ich es fahre. Und es ist sicher auch wichtig, Altbauten besser zu dämmen. Aber in die Heizung des Niedrigenenergiealtbaus gehören dann Holzpellets und nicht Erdöl und auch nicht das Erdgas, das sich als nächstes verknappen wird, wie wir in Amerika bereits sehen konnten.