Zu § 10 EEG - Abgrenzung von Anschluss- und Netzausbaukosten
Vergleich mit der Kostenregelung beim konventionellen Anschluss eines Stromkunden
vom 19.02.2001
(Weitere Aufsätze zum Thema:
- Netzanschluss oder Netzverstärkung - Kurzgutachten, Dr. Bönning
- Netzanschlusskosten - Erläuterung durch Dr. P. Schweisthal
Die Unterscheidung zwischen Netzanschluss- und Netzausbaukosten spielt auch bei der Kostenverteilung für die Einrichtung eines konventionellen Hausanschlusses eine wichtige Rolle. Für das Verständnis des Normengefüges kann es daher nur hilfreich sein, den Regelfall des Hausanschlusses eines Stromkunden nach AVBEltV mit dem Ausnahmefall, dem Anschluss des Einspeisers von Strom aus erneuerbaren Energien nach EEG zu vergleichen:
§ 10 I AVBEltV definiert den Anschluss wie folgt:
Der Hausanschluss besteht aus der Verbindung des Verteilungsnetzes mit der Kundenanlage. Er beginnt an der Abzweigstelle des Niederspannungsnetzes und endet mit der Hausanschlusssicherung, es sei denn, dass eine abweichende Vereinbarung getroffen wird.
In § 10 VI AVBEltV ist auch eine indirekte Definition für Netz enthalten:
Kommen innerhalb von fünf Jahren nach Herstellung des Hausanschlusses weitere Anschlüsse hinzu und wird der Hausanschluss dadurch teilweise zum Bestandteil des Verteilungsnetzes, so hat das Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Kosten neu aufzuteilen und dem Anschlussnehmer den etwa zuviel bezahlten Betrag zu erstatten.
Hier wird der Fall geregelt, dass sich in der bisherigen Anschlussleitung weitere Abzweigungen bilden. Die vormalige Anschlussleitung wird dadurch bis zu der neuen Abzweigstelle zum Verteilungsnetz. Schon bisher war dem Gesetzgeber und den Netzbetreibern also klar, dass alles, was der Versorgung mehrerer Anschlussnehmer dient, dem Verteilungsnetz zuzurechnen ist. Folgerichtig sind dem Anschlussnehmer die Anschlusskosten im Rahmen dieser Vorschrift zu erstatten.
Diese an der Funktion der Leitung ausgerichtete Abgrenzung von Anschluss und Netz ist dem Grunde nach auch für den Netzbegriff nach EEG anzuwenden. Für den Stromkunden erfüllt das Netz aber vorrangig eine andere Funktion als für den Einspeiser. Daher ist die Terminologie im Umfeld des Netzbegriffs nach AVBEltV und EEG unterschiedlich. Während in den AVBEltV vom Netz als Verteilungsnetz die Rede ist, spricht § 10 II S.1 EEG vom Netzausbau für die allgemeine Versorgung zur Aufnahme und Weiterleitung der eingespeisten Energie:
Die notwendigen Kosten eines nur infolge neu anzuschließender Anlagen nach § 2 (EEG) erforderlichen Ausbaus des Netzes für die allgemeine Versorgung zur Aufnahme und Weiterleitung der eingespeisten Energie trägt der Netzbetreiber, bei dem der Ausbau erforderlich wird.
Der gemeinsame Nenner besteht darin, dass dem Netz zuzurechnen ist, was der allgemeinen Versorgung dient. Nach AVBEltV sind das alle Einrichtungen bis zur Abzweigung des Verteilungsnetzes. Beim Einspeiser nach EEG sind das noch weiter gehend alle Einrichtungen des Netzbetreibers zur Aufnahme und Weiterleitung der eingespeisten Energie bis hin zum technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt.
Ab dem Anschlusskasten steht der eingespeiste Strom dem Netzbetreiber uneingeschränkt zur Verfügung. An diesem Punkt nimmt er den Strom auf und leitet ihn zum Zweck der allgemeinen Versorgung weiter. Ab hier kann der Netzbetreiber den Strom nach seinem Belieben verteilen. Auch eine eigens zum Einspeiser hin neu zu verlegende Stichleitung oder ein eigens zu erstellender Transformator zu Aufnahme des eingespeisten Stroms ist demnach vollständig dem Netz im Sinne des EEG zuzurechnen.
Die Anschlusskosten treffen nach §10 V AVBEltV und nach § 10 I EEG gleichermaßen den Anschlussnehmer. Aus den oben erläuterten Erwägungen ergibt sich für die Anschlusskosten des Einspeisers aber ein wesentlich geringerer Anwendungsbereich als für die Anschlusskosten des Stromkunden. Während die Hausanschlussleitung bis zur Abzweigung des Verteilungsnetzes vom Stromkunden zu bezahlen ist, beginnt beim Einspeiser das Netz im Regelfall bereits unmittelbar beim Hausanschlusskasten, so dass lediglich der Weg vom Generator bis zum Anschlusskasten für die Berechnung der Anschlusskosten verbleibt.
Abweichungen finden sich auch bei der Regelung der Netzausbaukosten:
§ 9 I AVBEltV lautet:
Das Elektrizitätsversorgungsunternehmen ist berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zur teilweisen Abdeckung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung von Verteilungsanlagen bis höchstens 30 kV (Niederspannungsnetz, Mittelspannungsnetz und Transformatorenstationen) zu verlangen, soweit sie sich ausschließlich dem Versorgungsbereich zuordnen lassen, in dem der Anschluss erfolgt. Baukostenzuschüsse dürfen höchstens 70 vom Hundert dieser Kosten abdecken.
Netzausbaukosten können hierbei dem Anschlussnehmer nicht direkt in Rechnung gestellt werden. Die Umlegung der konventionellen Netzausbaukosten erfolgt vielmehr auf zwei Stufen: Mit bis zu 70 % werden die Kosten des jeweiligen Ausbaubereichs nach dem Verteilungsschlüssel der vom Anschlussnehmer bestellten Leistung auf den Anschlussnehmer umgelegt. Den Rest trägt die Gemeinschaft der Stromkunden im Rahmen der Preisfindung für das Netznutzungsentgelt.
Den Grundsatz der solidarischen Aufteilung der Netzausbaukosten hat der Gesetzgeber unter angemessener Würdigung der Aspekte der nachhaltigen Sicherung der Versorgungslage und des Umweltschutzes im EEG konsequent weitergeführt:
Der Netzbetreiber trägt nach § 10 II S. 1 EEG (wie auch nach § 9 AVBEltV) zunächst die Netzausbaukosten allein: Einen Baukostenzuschuss für den Netzausbau kann der Netzbetreiber nach dem EEG vom Einspeiser allerdings nicht verlangen.
Die Netzausbaukosten können statt dessen nach § 10 II S. 3 EEG vollständig auf das Netznutzungsentgelt und somit die Gesamtheit der Stromkunden umgelegt werden.
Der Gesetzgeber hat klar zu verstehen gegeben, dass der Einspeiser nach EEG nicht mit den Netzausbaukosten belastet werden soll. Der Einspeiser leistet seinen Beitrag zur Versorgungssicherheit und zum Umweltschutz bereits durch die Errichtung und den Betrieb seiner Anlage nach dem EEG. Vor dem Hintergrund einer politischen Grundentscheidung für den schnelle Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien am Strommix ist es nur konsequent, den Einspeiser nicht wie vor dem EEG als unwillkommenen Störenfried, sondern als wichtigen Funktionsträger im Netz zu behandeln. Der Einspeiser wird eben nicht mehr als bloßer Verursacher von Mehrkosten beim Netzbetreiber angesehen, sondern als wesentlicher Faktor für die Sicherung einer nachhaltigen Energieversorgung.
Durch die enge Fassung des Anschlussbegriffs und die umfassende Definition des Netzes wird außerdem sichergestellt, dass dem Netzbetreiber keine wirtschaftlichen und kalkulationstechnischen Nachteile entstehen, wenn der Einspeiser den Anschluss nach § 10 I S.3 EEG von einem fachkundigen Dritten ausführen lässt. Der gesamte Weg des Netzes bis hin zum Anschlusskasten bleibt weiterhin hinsichtlich der Projektierung, Kalkulation und Auftragsvergabe wie bisher die Domäne des Netzbetreibers. Wenn der Einspeiser selber für die Erstellung seiner Anschlussanlage sorgt, entfällt zudem jeglicher Zahlungsverkehr zwischen Einspeiser und Netzbetreiber im Zusammenhang mit der Netzanbindung. Man kann sich somit auf das wesentliche, nämlich die technische Seite der Projektierung des Anschlusses und den hierzu erforderlichen Datenaustausch beschränken. Das langwierige Tauziehen um die Kosten der Netzanbindung und ihre Aufteilung entfällt. Schnelle und unbürokratische Anbindungslösungen werden endlich möglich.
Wie auch die Gesetzesbegründung zum EEG nachdrücklich betont, ist der Fall des Netzausbaus im Zusammenhang mit Anschlüssen von Einspeisern nach EEG derzeit noch ein seltener Ausnahmefall; das Kostenvolumen der Ausbaumaßnahmen nach EEG dürfte nur einen winzigen Bruchteil des Kostenvolumens von konventionellen Netzausbaumaßnahmen ausmachen. Sollte dieser Anteil allerdings so explosiv wachsen, dass in einzelnen Gebieten das Netznutzungsentgelt wegen des Netzausbaus im Zusammenhang mit der Aufnahme von Strom aus erneuerbaren Energien in unerträglichem Umfang nach oben getrieben würde, so könnte der Netzbetreiber unter Berufung auf die Unzumutbarkeit den Netzausbau verweigern. Die Netzbetreiber haben ihren Stromkunden aber bereits zu erkennen gegeben, dass sie die Kosten im Zusammenhang mit dem EEG auf weit mehr als nur die Mehrkosten der erhöhten Einspeisungsvergütung beziffern. Für die Netzausbaumaßnahmen dürfte somit in den allermeisten Fällen bereits eine mehr als nur ausreichende Position vorgesehen sein.
In der Praxis trifft der Einspeiser allerdings noch immer auf erheblichen Widerstand:
Dies ist vor allem der Fall, wenn die Bestimmungen nach EEG und AVBEltV miteinander konkurrieren, z.B. wenn ein Stromkunde sich zur Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien entschließt.
Viele Netzbetreiber wollen hier der Gefahr einer Erstattungspflicht für bereits vereinnahmte Netzanschlusskosten möglichst aus dem Weg zu gehen. Es liegt daher nahe, dass sie unter Vorschiebung vermeintlicher technischer Notwendigkeiten die Benutzung einer bestehenden Anschlussleitung zur Einspeisung verweigern, um deren Eingliederung ins Netz und die unwillkommene Kostenfolge des § 10 VI AVBEltV zu verhindern.
Dass solche Erwägungen keinen Einfluss auf die funktionelle Zurechnung von Leitungen zum Netz haben dürfen, leuchtet ein. Auch wenn der Netzbetreiber eine technisch überflüssige zweite Leitung legen lässt, sind somit beide Leitungen dem Netz zuzurechnen. Die erste Abzweigung des Netzes liegt schließlich auf dem unnötigerweise mehrfach erschlossenen Anwesen, wenn sich Einspeiser und Verbraucher auf demselben Anwesen befinden. § 10 EEG konkretisiert und objektiviert diesen Gedanken durch die verbindliche Festlegung auf den technisch und wirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt.
Auch die Vorfahrtregelung nach § 3 EEG für die Aufnahme des Stroms aus erneuerbaren Energien lässt keinen anderen Schluss zu: Ein Einspeiser, der zuvor nur als Stromkunde aufgetreten ist, hat das Recht, zunächst einmal die bestehende Hausanschlussleitung voll mit dem erzeugten Strom auszulasten. Die Hausanschlussleitung wird somit zwangsläufig Bestandteil des Netzes.
Im Rahmen des § 10 VI AVBEltV kann der Einspeiser daher m.E. bezahlte Hausanschlusskosten vom Netzbetreiber zurückfordern. Der Erstattungsbetrag ist vom Netzbetreiber unter den Kosten einer konventionellen Netzerweiterung zu verbuchen; bei der Berechnung künftiger Baukostenzuschüsse im dem betreffenden Anschlussgebiet nach § 9 I AVBEltV kann der Erstattungsbetrag mit berücksichtigt werden.
Jede Erweiterung der vormaligen Hausanschlussleitung oder eine zusätzliche Kabelführung stellt sich danach als einspeisungsbedingter Netzausbau dar, der aber im Gegensatz zum vorgenannten Erstattungsbetrag nach § 10 II S.3 EEG ausschließlich auf das Netznutzungsentgelt umzulegen ist.
Einige Netzbetreiber wollen den Status Quo aus der Zeit vor der Geltung des EEG in ihren Anschlussangeboten durch eigene Definitionen festschreiben oder sogar zu ihren Gunsten ausweiten. Ein wahres Bonbon in dieser Hinsicht ist die Definition von Netzanschlusskosten in einem Angebot der EON Netz GmbH Regensburg. Hier differenziert man nur noch zwischen Anschlussanlage des Netzbetreibers und Anschlussanlage des Kunden. Aus Netzausbaukosten werden so durch einen definitorischen Federstrich Anschlusskosten des Netzbetreibers. Die Summe aller Kosten wird dann dem Einspeiser in Rechnung gestellt. Der Einspeiser soll damit wirklich alles zahlen und ganz nebenbei die betroffenen Netzkomponenten auf seine Kosten auf den neuesten Stand bringen. Dieses kuriose Verständnis von Netzanschlusskosten stellt den Einspeiser erneuerbarer Energien sogar deutlich schlechter als den Anschlussnehmer nach AVBEltV.
Andere Netzbetreiber haben sich argumentativ bereits soweit zurückgezogen, dass sie die Regelung des § 10 II S.2 EEG allenfalls auf die erstmalige Netzanbindung neuer Anlagen nach EEG beschränken wollen; der Ausbau bestehender Anlagen soll gegen den in der Gesetzesbegründung erklärten Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen werden.
Hier ist schließlich nicht von neuen, sondern von neu anzuschließenden Anlagen nach § 2 EEG die Rede. Wenn die Leistung einer bestehenden Anlage soweit erhöht wird, dass die Netzanbindung neu zu berechnen und anzupassen ist, ist dem des Gesetz also hinreichend genüge getan.
Solche Reaktionen von Netzbetreibern widersprechen m.E. dem erklärten Willen des Gesetzgebers und offenbaren eine gewisse Ratlosigkeit und Trägheit der Netzbetreiber bei der Umstellung auf das neue Gesetz.
Der Gesetzgeber hat seine Arbeit meines Erachtens getan. Nun ist es Sache der Einspeiser, ihre Rechtsposition mit den gebotenen Mitteln durchzusetzen. Es dürfte sich kaum lohnen, dabei auf wesentliche Impulse von der Clearingstelle nach § 10 III EEG zu hoffen. Diese wird sich weitgehend auf die Dokumentation der Auseinandersetzungen zu beschränken haben, die der Einspeiser im eigenen Interesse führen muss, wo keine Einigung mit dem Netzbetreiber zustande kommt.
Ob sich der hier beschriebene Standpunkt vor den deutschen Gerichten durchsetzen wird, kann ich in Ermangelung einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung leider nicht abschätzen. Der Vergleich der AVBEltV 1979 mit dem EEG 2000 liefert jedoch einige wichtige Argumente für die anstehenden Auseinandersetzungen.
RA Dr. Patrick Schweisthal
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