Konsequente Energiewende und vollständiger Atomausstieg

 

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima jährt sich am 11.03.2021 zum zehnten Mal. Ein trauriges Jubiläum, das nach Tschernobyl im Jahr 1986 einmal mehr die ungeheure Gefahr von Atomkraft verdeutlicht.

Etwas Positives hatte die Tragödie von Fukushima dennoch: Deutschland hat als erstes Land den Atomausstieg auf den Weg gebracht und damit umgesetzt, was die Anti-Atom-Bewegung in jahrzehntelanger Überzeugungsarbeit vorbereitet und gefordert hat. 

Leider müssen wir feststellen, dass der für 2022 geplante Atomausstieg kein vollständiger Ausstieg ist. Die Urananreicherungsanlage in Gronau oder die Brennelementefabrik in Lingen werden auch nach dem Atomausstieg weiterlaufen. Sie beliefern weiterhin europaweit Atomkraftwerke, einschließlich alter und unsicherer Atommeiler wie Tihange oder Doel 1 und 2 in Belgien. Am Karlsruher Institut für Technologie wird trotz Ausstieg an der vierten AKW-Generation geforscht und entwickelt. Gleichzeitig importiert Deutschland nach wie vor Atomstrom aus den Nachbarländern Frankreich, Schweden, Polen oder Tschechien, statt die erneuerbare Energiewende voranzutreiben. Deutschland wirkt so trotz offiziellem Atomausstieg direkt und indirekt am Weiterbetrieb von Atomkraft in anderen Ländern mit. 

Atomkraft gegen die Klimakrise

In letzter Zeit häufen sich dazu die Darstellungen von Atomenergie als umweltfreundliche Energiequelle und Lösung gegen den ungebremst fortschreitenden Klimawandel. Letztes Jahr zeigten ARD und ZDF in der Sendung “Funk”, einem für Jugendliche und junge Erwachsene ausgerichteten Online-Magazin, ein Video mit harmlosen, fröhlich energie-produzierenden Zeichentrick-AKWs: “Atomkraft, die Lösung” erklärt ein mit Atomenergie angetriebener Roboter.

Das, obwohl wir bereits jetzt die Langzeitprobleme unserer Atomnutzung zu spüren bekommen: nach 60 Jahren grübeln Politik und Forschung noch immer über geeignete Lagerorte für den anfallenden Atommüll. Seitdem der marode Salzstock Gorleben als Lagerstätte wegen geologischer Mängel 2020 letztlich abgelehnt wurde, muss die Endlagersuche neu beginnen. Bis irgendwann eine Lösung gefunden wird, liegen Tonnen von radioaktivem Müll in 16 oberirdischen Zwischenlagern herum - und mit jeder Kilowattstunde Atomenergie wird es mehr. 

Kollektiv möchten wir uns am Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Fukushima gegen diese Augenwischerei aussprechen, denn: 

Atomenergie ist nicht sauber

Die Mär von der sauberen und CO2-neutralen Atomenergie lässt sich leicht widerlegen, sobald der gesamte Nutzungskreislauf betrachtet wird. CO2-Emissionen fallen bei der Gewinnung von Uran, dem Transport, der Konstruktion der Kraftwerke sowie bei der langfristigen Verwahrung der Abfälle an (ROWO, 2021).

Das Ablassen von Kühlwasser in natürliche Gewässer ist insbesondere im Sommer problematisch, wenn durch Temperaturänderungen der Sauerstoffgehalt im Wasser beeinflusst wird, was sich auf die Ökologie der Gewässer auswirkt (Schmidt, 2019). 

Atomkraft ist nicht günstig

Bis heute ist Atomkraft die am höchsten staatlich subventionierte Energiequelle – die Kosten von Uranbergbau, AKW-Rückbau und Entsorgung von Atommüll nicht einkalkuliert (IPPNW, 2019). Einer neuen Studie zuFolge belaufen sich die gesellschaftlichen Kosten in Deutschland seit den 1950er Jahren auf mehr als eine Billion Euro. Dies umfasst direkte und indirekte staatliche Förderungen – zum Beispiel Finanzhilfen, Forschungsausgaben und Steuervergünstigungen, sowie Vorteile für Atomkonzerne durch den Emissionshandel (Neumann, 2020) (Schrems & Fiedler, 2020).

Atomkraft ist nicht klimafreundlich

Weil AKWs sehr träge auf Lastschwankungen reagieren, sind sie inkompatibel mit Erneuerbaren Energien und verdrängen diese aus dem Stromnetz (ROWO, 2021). In einer unabhängigen Studie wurden die Jahre von 1990 bis 2014 analysiert. Die untersuchten Länder wurden in eine oder beide der Kategorien eingeteilt: Nutzung von Atomkraftwerken (30 Länder) und Nutzung von Erneuerbaren Energien (123 Länder). Dabei wurde “keinerlei Effekt der Kernkraft auf eine Reduktion der Kohlenstoffdioxid-Emissionen gefunden” so Benjamin Sovacool von der University of Sussex. "Wir haben darüber hinaus herausgefunden, dass sich Erneuerbare Energien und Kernkraft nicht gut 'vertragen', eines scheint auf die Kosten des anderen zu gehen. Ein Land kann nicht Beides gleichzeitig gut machen" (BR 2020).

Atomkraft ermöglicht die militärische Atomnutzung

Durch die Nutzung von Atomenergie wird die militärische Atomnutzung ermöglicht. Denn zivile und militärische Atomprogramme gehören beide zum nuklearen Betrieb und sind auf den Rohstoff Uran angewiesen. Forschung und Entwicklung sowie die Ausbildung des Personals überschneiden sich in beiden Nutzungen. Atomwaffenprogramme wären ohne die zivile Nutzung von Atomenergie heutzutage weder finanzier- noch umsetzbar (IPPNW, 2019) (ROWO, 2021).

Gemeinsam mit rund 50 Organisationen möchten wir am Jahrestag Fukushima daran erinnern, dass Atomenergie weder ungefährlich, noch günstig, noch klimafreundlich ist. Wir fordern einen kompletten Ausstieg aus der atomaren Industrie und eine Umleitung aller EU-weiten Förderungen von Atomkraft in Erneuerbare Energien, damit 100% EE bis 2030 umgesetzt werden kann!

 

Gemeinsames Positionspapier: Konsequente 
Energiewende statt Atomkraft

In jüngster Zeit wird vermehrt Atomkraft unreflektiert als „klimaneutral“ und dementsprechend „umweltfreundlich“ dargestellt und auf die jahrzehntealte Mär von angeblich sicheren zukünftigen Reaktoren zurückgegriffen.

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, Gruppen und Verbände erklären: Diese Aussagen sind Gift für eine sichere und klimagerechte Zukunft!

  • Atomenergie ist keine Lösung für die Klimakatastrophe! Im Gegenteil, Atomkraft blockiert verfügbare Investitionsmittel für den Ausbau Erneuerbarer Energien und sie blockiert Kapazitäten im Stromnetz. Atomkraft ist ein tödliches Relikt eines überkommenen zentralisierten Energiesystems. Von ihr profitieren einzig die Akteure, die seit Jahrzehnten gegen eine sozial-ökologische Energiewende arbeiten. Außerdem: anders als häufig behauptet ist auch Atomkraft nicht CO2 frei!

 

  • Atomkraft ist weder sozial noch sauber! Bereits die Gewinnung von Uran geht einher mit Ausbeutung, langanhaltender Umweltzerstörung und Krankheit und Tod vieler Arbeiter*innen. Atomkraftwerke setzen die Bevölkerung einem enormen und ständigen Risiko aus. Reaktorkatastrophen wie in Tschernobyl und Fukushima können sich jederzeit wiederholen. Die Produktion von Atomstrom geht außerdem mit der militärischen Nutzung der Atomenergie einher. Beide sind Teil derselben nuklearen Kette und ohne einander weder finanzier- noch realisierbar. Am Ende des Prozesses stehen radioaktive Abfälle, die die Umwelt über unvorstellbare Zeit verschmutzen und nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden.

 

  • Atomkraft hat keine Zukunft! Der Anteil und die Bedeutung von Atomenergie sind seit Jahren rückläufig. Und auch die diversen, angeblich neuen Reaktorkonzepte basieren auf alten, vielfach gescheiterten Versuchsmodellen, die sich aus gutem Grund nicht durchsetzen konnten. Keines dieser Konzepte vermag grundsätzliche Probleme der Atomenergie und der Atommülllagerung zu lösen. Es wird Zeit, dass Atomkraft endlich der Vergangenheit angehört!

 

Gemeinsam fordern wir:

  • Deutschland muss endlich einen kompletten Atomausstieg beschließen, inklusive der Urananreicherungsanlage in Gronau, der Brennelementefabrik in Lingen und der bislang weiterhin betriebenen Reaktorforschung. 
     
  • Die EU-weite Förderung der Atomkraft durch den EURATOM-Vertrag muss beendet und durch eine Förderung von Erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und Energieeinsparung ersetzt werden.

 

Die energiepolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden nicht mit den gescheiterten, nicht nachhaltigen Technologien des 19. und 20. Jahrhunderts gelöst werden können. Der einzig realistische Weg hin zu einer sicheren, stabilen und nachhaltigen Energieversorgung inklusive Wärme, Mobilität und Prozessenergie für die Zukunft ist und bleibt die weltweite Energiewende hin zu 100% Erneuerbaren Energien, die sozial gerecht gestaltet und mit Guter Arbeit verbunden werden muss. 

Mehr Hintergrundinformationen unter: https://www.bund.net/toedliches_relikt_ohne_zukunft

Die Pressemitteilung und das Positionspapier von Robin Wood finden Sie hier: Zum Fukushima-Jahrestag: Für eine konsequente Energiewende statt Atomkraft! https://www.robinwood.de/pressemitteilungen/zum-fukushima-jahrestag-f%C3%BCr-eine-konsequente-energiewende-statt-atomkraft

 

Zu den Unterzeichnern des Positionspapiers gehören neben den 50 Antiatom- und Klimaschutzorganisationen auch der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) und SFV Infostelle Nordbayern.

 

Quellen

 

BR, 2020, Neue Studie: Kernkraft kein Mittel gegen Klimawandel, online: https://www.br.de/nachrichten/wissen/kernkraft-kein-mittel-gegen-klimawandel,SCGCuiV

IPPNW, 2019, Atomenergie – der Treibstoff für die Bombe, online: https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomwaffen/IPPNW-Information_Zivil-militaerische-Nutzung_2019.pdf

Neumann, Hinrich, 2020, topagrar online, Atomkraft hat Volkswirtschaft Milliarden gekostet, online: https://www.topagrar.com/energie/news/atomkraft-hat-volkswirtschaft-milliarden-gekostet-12352064.html

ROWO, 2021, Atomkraft: Tödliches Relikt ohne Zukunft, online: https://www.robinwood.de/pressemitteilungen/zum-fukushima-jahrestag-f%C3%BCr-eine-konsequente-energiewende-statt-atomkraft

Schmidt, Fabian, 2019, DW, Wie kühlen heiße Länder ihre Kernkraftwerke?, online: https://www.dw.com/de/wie-k%C3%BChlen-hei%C3%9Fe-l%C3%A4nder-ihre-kernkraftwerke/a-49758541

Schrems,Isabel und Fiedler, Swantje, 2020, Studie im Auftrag von Greenpeace Energy EG, Gesellschaftliche Kosten der Atomenergie in Deutschland, online: https://www.greenpeace-energy.de/fileadmin/docs/pressematerial/2020-09_FOES_Kosten_Atomenergie_Stand_final.pdf