Dr. Roda Verheyen ist Rechtsanwältin in der auf Umwelt- und Energierecht spezialisierten Kanzlei Günther in Hamburg. 2002 gründete sie das internationale Netzwerk „Climate Justice Programme“ und führt heute unter anderem verschiedene Klimaklagen, aber auch Beschwerde­verfahren bei der Aarhus-Konvention. Sie verteidigt klimapolitische Aktivist:innen und berät Mandant:in­nen in vielen Umweltfällen aus anderen Jurisdiktionen, in denen deutsches Recht eine Rolle spielt.

Das Spektrum von Rechtsfällen mit Bezug zum Klimaschutz ist immens. Sie engagieren sich juristisch sowohl gegen Konzerne als auch zugunsten von Aktivist:in­nen. Ist die Justizsphäre alles in allem eher förderlich oder hinderlich beim Klimaschutz?
 

Meine Auffassung ist schon seit 20 Jahren, dass bei so einem großen gesellschaftlichen Problem wie der globalen Klimakrise nicht eine der drei staatlichen Gewalten außen vor bleiben kann. Es ist schon allein wegen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen unrealistisch, das zu glauben. Das sehen wir zur Zeit auf der strafrechtlichen und auf der versammlungsrechtlichen Seite.

Denn wenn es Proteste auf der Straße gibt, werden praktisch automatisch auch die Gerichte involviert. Aber umgekehrt aktiv die Gerichte zu involvieren, ist auch erforderlich, weil man sonst einfach fahrlässig wäre. Denn in einer Demokratie gibt es immer drei Gewalten, die ein Problem zu bewältigen haben, und dazu gehören nun mal auch die Gerichte. Insofern würde ich vielleicht die Frage so beantworten, dass die Gerichte in Deutschland viel zu lange sträflich untätig waren, was den aktiven Klimaschutz angeht. Denn wir hätten ja immer schon, auch ohne das bundesverfassungsgerichtliche Mandat, über Artikel 20a Einzelentscheidungen klimaschützend auslegen können. Das ist aber nicht passiert! Das ist ganz klar eine Kritik, nicht nur von mir, sondern von vielen anderen Juristinnen und Juristen auch, dass wir praktisch 20 Jahre Zeit verloren haben, obwohl es den Artikel 20a im Grundgesetz schon lange gab.

Heute sind wir nicht mehr zwei oder drei Leute in Deutschland, die in irgendeiner Form die Gerichte involvieren. Wir sind ja inzwischen viel, viel mehr. Das ist eine weltweite Bewegung, die sagt, die dritte Gewalt muss sich einbinden lassen. Und das wird auch so lange nicht aufhören, bis wir den gefährlichen Klimawandel abgewendet haben – was im Moment sehr schwer vorstellbar ist.

 

Info: Art 20a Grundgesetz

"Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."
 

Sie sprechen von den drei Gewalten: Legislative, Exekutive, Judikative. Aber wenn Sie Klimaaktivist:innen verteidigen, dann ist ja noch eine vierte Gewalt im Spiel, nämlich die Zivilgesellschaft. Welche Rolle spielt eigentlich diese Zivilgesellschaft als politischer Machtfaktor, und wie hängt das mit der Justiz zusammen?


Diese Frage ist Gegenstand der soziologischen Forschung. Es ist ganz spannend, was da inzwischen herausgekommen ist. Der Forschungsschwerpunkt hier in Hamburg hat dazu empirische Studien veröffentlicht, an denen ich auch beteiligt bin. Eine gesellschaftliche Bewegung hat immer auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung von bestimmten Problemen, auch im Gerichtssaal.

Als ich angefangen habe mit diesen Klimaklagen, 2014 (beziehungsweise, die allererste war eine Umweltinformations-Klage zu Exportkrediten, die ist noch viel älter), war der Klimawandel in keiner Form als gerichtsbekannt vorauszusetzen. Es gab nichts dazu, außer wissenschaftlichen Berichten und so ganz kleinen wissenschaftlichen Bubbles, in denen die ganzen Fakten bekannt waren. Inzwischen würde ich davon ausgehen, dass in der gesamten Europäischen Union die wissenschaftlichen Grundlagen zum Klimawandel, zu den menschlichen Beiträgen, sogar zur Ungerechtigkeit der Folgen des Klimawandels gerichtsbekannt sind. Und deswegen kann man das voneinander auch nicht trennen. Jedenfalls ist es, glaube ich, immer gegenseitig beeinflussend. Und das ist ja auch gut so. Das Recht bildet ja letztlich nichts anderes ab als einen gewissen gesellschaftlichen Konsens zu einer bestimmten Zeit.

Das heißt also, es hilft auch bei Gerichtsprozessen, wenn sie durch Proteste auf der Straße flankiert werden? Sicherlich nicht kausal. Das könnte man vielleicht auch noch mal andersherum betrachten: Als wir die große Welle der öffentlichen Meinungsmache gegen Klima­aktivist:innen gesehen haben, hat das ja nicht kausal dazu geführt, dass plötzlich alle deutschen Richterinnen und Richter die Leute eingesperrt haben. In Deutschland funktioniert das Rechtssystem ja. Richterinnen und Richter lassen sich nicht mal eben so umwerfen. Die Frage ist aber natürlich trotzdem: Wie offensichtlich sind bestimmte Probleme, und wie offensichtlich müssen sie dann vor Gericht auch angegangen werden?

Abb 1 — Welche Rolle die Zivilgesellschaft auf die Problemwahrnehmung in der Gesellschaft und im Gerichtssaal spielt, ist Gegenstand soziologischer Forschung  •

Abb 2 — Über 2500 Gerichtsprozesse werden seit 2022 gegen Einzelpersonen von der "Letzten Generation" geführt. Einige endeten sogar mit Haftstrafen •

Was wir beobachten, ist: Die Rechtssphäre wird heute aktiv von der Zivilgesellschaft benutzt. Es gibt etliche Fälle weltweit, wo die Zivilgesellschaft ihre Regierung aufgrund von Nicht-Tätigkeit, was das Pariser Klimaabkommen oder Ähnliches angeht, verklagt. Aber es gibt ja genauso das Gegenteil: Zum Beispiel die sehr vielen Gerichtsprozesse gegen die Letzte Generation, was am Ende so eine Protestbewegung zum Erliegen bringen kann. 

Dazu gibt es keine Empirie. Ich bin ja auch Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied beim “Green Legal Impact”-Verein, der sich damit befasst, genau diese Bewegungs-Unterstützung zu leisten. Wir haben da ein Projekt, das nennt sich “Green Legal Spaces”. Das befasst sich genau mit dieser Frage: Gibt es einen Chilling effect? Gibt es wirklich ein höheres Strafmaß? Wird Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit in irgendeiner relevanten Form eingeschränkt? Es ist wirklich sehr schwer zu beurteilen. Mein begrenztes Fenster der Erkenntnis ist, dass das Strafmaß nicht angestiegen ist und dass die allermeisten Gerichte sich einfach nicht aus der Ruhe bringen lassen.
 

Gerade die Klimaproblematiken haben sehr komplexe Ursache-Wirkungs-Ketten, sowohl zeitlich als auch räumlich als auch sozial. Und es ist immer sehr schwer, ein Extremwetterereignis konkreten Verursachern zuzuschreiben. Uns interessiert: Wie gehen Sie da vor, wenn Sie zum Beispiel den peruanischen Bauern Señor Lliuya vor Gericht vertreten?

Das ist eine komplexe Frage. Ich habe versucht, das in meinem Buch (siehe Seite 31) zu beschreiben, und habe ein ganzes Kapitel dazu eingefügt, weil es um genau diese Fragen, glaube ich, ganz zentral auch in den kommenden Jahren gehen wird; nicht nur bei solchen großen Klagen wie mit meinem peruanischen Mandanten, sondern bei allen Fragen rund um die Kosten des Klimawandels. Es geht immer um die Frage: Wer hat eigentlich wie viel davon verursacht? Es ist aber nur scheinbar komplex. Aus meiner Sicht ist es möglich, und zwar sowohl öffentlich-rechtlich als auch zivilrechtlich, einen Verursachungsbeitrag von verschiedenen Emissions-­Verursachern bestimmten Schäden zuzurechnen. Punkt. Jeder, der etwas anderes sagt, tut das aus Verschleierungsabsicht. Punkt.

Und dann können wir weitersprechen: Natürlich sind das alles modellbezogene Daten, das heißt, es gibt eine Projektion. Man muss das dem Gericht erklären, das ist eine komplexe Wissenschaft – aber es geht. Und – das ist mir sehr wichtig: Es ist nicht komplizierter als der Nachweis, dass eine bestimmte Krankheit zum Tod eines Menschen geführt hat.
Denn auch dort gibt es immer Millionen mögliche Kausalverläufe. Es gibt immer auch andere Ursachen. Diese Probleme bei der Zuordnung von Kausalverläufen, auch additiver Kausalität, die gibt es immer im Recht. Das ist eine normative Frage, die kann gelöst werden. Leider hat sie bisher kein Gericht gelöst. Und in meinem RWE-Fall vor dem OLG Hamm sind wir jetzt genau an dieser Stelle: Ob das Gericht in der Lage ist, normativ diese Frage zu lösen.

Aber am allerwichtigsten ist: Ja, jede Tonne Treibhausgase trägt dazu bei, dass ein Gletscher schmilzt, dass ein Extremwetterereignis wahrscheinlicher wird, etc. pp. Und das heißt: Es ist eben nur scheinbar wahnsinnig komplex. Mit genau diesen Fragen muss ich mich jeden Tag befassen, in den Fällen, die ich im Hinblick auf Unternehmen führe. Denn da wird ständig verschleiert, es werden immer Nebelbomben geworfen: “Das ist alles viel zu komplex” usw. Und das ist einfach falsch. Deswegen freue ich mich auch darauf, wenn ich da mal vor Gericht argumentieren kann. Das ist bisher noch nicht passiert, weltweit noch nicht ein einziges Mal.

© LucyKaef auf Pixabay | Abb 3 — Wie stark sind konkrete Treibhausgasemissionen für extreme Wetterereignisse verantwortlich? Die Attributionsforschung versucht Antworten zu finden. 

Ist das noch Wetter oder schon Klima? 

Durch die „Attributionsforschung“ kann ermittelt werden, in welchem Ausmaß der menschlich verursachte Klimawandel für das Auftreten von extremen Wetterereignissen verantwortlich ist. Die Möglichkeit einer Attribution hängt stark von der Verfügbarkeit von Daten ab. In Zukunft spielt die Attribution auch für die Rechtsprechung eine zunehmend wichtige Rolle.

Weitere Infos: 
www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/spez_themen/attributionen/node_attribs.html 

Bei RWE haben wir ja gewissermaßen das Glück, dass es den Konzern noch gibt. Es geht ja um Emissionen, die teilweise schon vor Jahrzehnten passiert sind. Und es kann gut sein, dass ein solcher Akteur dann überhaupt nicht mehr greifbar ist, wenn die Folgen auftreten.

Ja, das mag sein. Das, was wir bei RWE einklagen, ist ja im Prinzip genau dasselbe, was man gegen ein Land einklagen könnte. Also von der Größenordnung her. Die gesamte Attributionsforschung stammt ja letztlich aus der Klimadiplomatie, nämlich aus der Frage der historischen Verantwortung für bestimmte Verläufe und daraus diplomatisch abzuleitenden Verpflichtungen für den Klimaschutz. Nicht aus der Frage: Welches Unternehmen ist wofür verantwortlich? Sondern: Wie können wir denn Verantwortlichkeiten für den Klimaschutz gerecht verteilen? Wieviel hat denn Deutschland schon verursacht? Wieviel haben die Niederlande verursacht, usw. Letztlich geht das alles zurück auf Ideen von Brasilien aus den Neunzigern.

 

Als das Zivilisierende an unserem Rechtssystem gilt, dass zwischen der Tat und dem Urteil eine Zeitspanne eingebaut wird, die die Affekte abkühlt. Gewissermaßen ist also die Langsamkeit unseres Rechtssystems einer seiner größten Vorzüge. Aber inzwischen sind wir beim Klima mit Problemen konfrontiert, bei denen wir uns Langsamkeit überhaupt nicht leisten können und es gerade darum geht, die Geschwindigkeit zu maximieren. Wie geht man mit diesem Dilemma um? 

Meine Antwort auf diese Frage ist immer, dass eine Klimaklage nicht das Klima­problem lösen kann. Weder eine noch tausend. Eine Klimaklage ist nur ein Element, ein kleiner Baustein in einem großen Baukasten von Bestrebungen, letztlich die Menschheit zu retten. (Nicht die Welt, sondern die Menschheit, muss man ganz klar sagen; die Welt wird es weiter geben.) Und wenn man zu viel erwartet von einem juristischen Vorgehen, kann man nur enttäuscht werden. Das beste Beispiel dafür ist der Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts. Der war superschnell. Nicht aus Ihrer Sicht, aber aus meiner Sicht. Wir haben ja die Verfassungsbeschwerde [Anm. d. Red.: Klage von L. Neubauer u.a. vom 15.01.2020, unterstützt durch Greenpeace und Germanwatch] absichtlich erst 2020 erhoben, nachdem wir das Praktische verwaltungsgerichtlich vorbereitet hatten, und aus meiner Sicht war dann die Entscheidung innerhalb eines Jahres da. Das ist ja unglaublich schnell. Hat das aber alles geändert? Nein, nicht so wirklich. Also klar, die Ziele auf dem Papier sind angeschärft worden. Aber wir schlagen uns mit denselben Umsetzungsproblem herum wie vor 20 Jahren. Also die Überkompensation mangels Suffizienzansatz, sage ich mal grob mit den Worten von Felix Ekardt. Insofern, glaube ich, kann man da keine Wunder erwarten.

Aber eins ist auch klar: Als ich damit angefangen habe, gab es in der internationalen Litigation Community (so nennt man die ja inzwischen) vielleicht 20 Leute weltweit, inzwischen sind es tausende.

 

Haben Sie erwartet, dass zum Beispiel die Klage mit dem Herrn Lliuya gegen RWE über acht Jahre dauert und noch länger dauern wird?  

Nein, das habe ich natürlich nicht erwartet, dass das acht Jahre dauert. Wir haben ja allein schon zweieinhalb durch die Pandemie verloren. Nein, ich habe das überhaupt nicht erwarten können. Ich habe die allererste Klage dieser Art in Europa erhoben. Da gab es so viele Gegenreden, es wurde ja auch als verrückt und irgendwie wahnsinnig tituliert.
Auch da ist diese Klage natürlich nur ein Puzzle-Teil. Wenn wir sie gewinnen, muss man sich mal fragen, was passiert denn dann? Dann muss immer noch dieses Schutzprojekt vor Ort in Huaraz umgesetzt werden. Ich bin jetzt gerade hingereist, weil es da behördlicherseits Bedürfnisse zum Informationsaustausch gab, und auch, weil es viele andere Betroffene noch gibt außer meinem Mandanten. Wir haben da ausführlichst über diese ganzen Fragen gesprochen. Selbst wenn wir die Klage gewinnen, gibt es noch richtig viel Arbeit, damit die Menschen wirklich etwas davon haben. Das darf man nicht vergessen. Darum geht es doch! RWE will immer so tun, als sei das eine strategische Klage und wir wollten den Konzern irgendwie zugrunde richten. Nein, es geht darum, dass da Zehntausende von Menschen mit dem Tod bedroht werden durch diese Lagune. Also, “erwartet” … man kann nur immer sein Bestes tun.

Aber für mich ist es wichtig, dass ich wenige wirklich politische Klagen führe. Bei den meisten Klagen, die ich führe, geht es um Personen, die haben ein ernsthaftes Problem. Mein VW-Kläger hat hunderttausende Euro durch die Waldschäden verloren. Kriegt er die ersetzt? Nein! Hat er ein Problem? Ja, weil er einen Hof hat, in den er investieren muss. Das interessiert bloß kaum jemanden. Und ich muss mich da mit Schriftsätzen von VW auseinandersetzen, wo im Prinzip drinsteht, es gibt lokal keinen Klimawandel. Das ist absolut empörend!

Genauso ist es bei der europäischen Klimaklage. Da haben wir ja versucht zu sagen: Ja, das ist ein großes Problem, es betrifft viele, aber trotzdem gibt es eine Klage­befugnis. Das Verfassungsgericht in Deutschland hat gesagt: Stimmt. Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Ist mir völlig egal, geh doch nach Hause!
Es geht letztlich immer um die Klagebefugnis. In der europäischen Klimaklage habe ich Personen vertreten, die sind vorm Verhungern. Und es wird immer schlimmer, das ist auch attributionsseitig absolut darlegbar. Wenn dann ein Gericht sagt: Tut mir leid, du bist nicht betroffen genug, dann geht das am Menschenrechtsschutz vorbei.

© Germanwatch e. V. | Abb 4 — Der Peruanische Landwirt Saúl Luciano Lliuya verklagt seit 2015 RWE. Der Konzern soll sich finanziell an Schutzmaßnahmen für sein durch den Klimawandel bedrohtes Dorf beteiligen. 

© Germanwatch e. V. | Abb 5 — Gletschersee Palcacocha mit einem provisorischen und unzureichenden Abpumpsystem im Vordergrund.

© Hubert Perschke Germanwatch e.V. | Abb 6 — Lliuya und sein Vater bei der Klage­einreichung 2015 in Essen. •

Es gibt ja diese privaten Schiedsgerichte auf Basis von Freihandels- und Investitionsabkommen. Wie schnell werden hier Urteile gesprochen?

Da muss man auch differenzieren. Es gibt sehr viele gute Schiedsgerichtsverfahren, da geht es um kaufrechtliche Fragen mit internationalem Bezug, wo es gut ist, dass die Privatwirtschaft einfach sagt: “Okay, wir machen das mal unter uns, denn es geht nicht um den Konflikt, es geht darum: Wer kriegt welches Geld? Und das können wir schnell unter uns machen.” Das ist in Ordnung, finde ich. Schlimm wird es immer nur dann, wenn Staaten verklagt werden können von privaten Investoren, während die Staaten im Prinzip gegen die Investoren nichts tun können. Das ist eine Erfindung, die aus ganz anderen Zeiten stammt und die aus meiner Sicht einfach abgeschafft gehört. Das ist im Prinzip diese Investitionsschiedsgerichtsbarkeit-Ebene. In der allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit spielt im Übrigen das Klimarecht inzwischen auch eine Rolle. Es gibt ja im internationalen Kaufrecht zum Beispiel AGB, und es ist inzwischen ganz anerkannt, dass, wenn ein Land bestimmte Klima-Auflagen macht, das Preiserhöhungen rechtfertigen kann. Das wird in der öffentlichen Politik überhaupt nicht besprochen, ist aber total relevant, gerade im Bereich der Energiewende zum Beispiel, und auch in der Verkehrswende. Das hat nicht nur schlechte Ebenen.
 

Eines ist aber, glaube ich, klar: Ein Investitionsschutzabkommen, wo einzelne Investoren Staaten verklagen dürfen, wie das beim Atomausstieg war, oder wie jetzt RWE gegen die Niederlande vorgegangen ist wegen des Kohleausstiegs, das gehört abgeschafft, fertig! Dafür gibt es keine Rechtfertigung, es durchbricht die Gewaltenteilung und ermöglicht aus meiner Sicht der falschen Partei einen zusätzlichen Gerichtszugang, anstatt für Menschenrechtsverletzungen (über die reden wir ja hier), den Gerichtszugang zu erweitern.

 

Wir danken für das Gespräch!

© Christophe Gateau / Greenpeace | Abb 7 — Roda Verheyen (2 v.l.) auf der Bundes­pressekonferenz im Juni 2024. Greenpeace, BUND, SFV, DUH und Germanwatch verklagen erneut die Bundesregierung wegen unzureichender Klimapolitik  • 

Dr. Roda Verheyen 

ist Rechtsanwältin in der auf Umwelt- und Energierecht spezialisierten Kanzlei Günther in Hamburg. 2002 gründete sie das internationale Netzwerk „Climate Justice Programme“ und führt heute unter anderem verschiedene Klimaklagen, aber auch Beschwerde­verfahren bei der Aarhus-Konvention. Sie verteidigt klimapolitische Aktivist:innen und berät Mandant:in­nen in vielen Umweltfällen aus anderen Jurisdiktionen, in denen deutsches Recht eine Rolle spielt.