VDEW ARGUMENTE - 25. Juli 1995
"KOSTENDECKENDE VERGÜTUNG" VON
SOLARSTROM?
Um weitere Kommunen von kostendeckender Vergütung abzuhalten, hat die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) eine 13-seitige Broschüre herausgegeben. Im folgenden geht der SFV stichwortartig auf einige Ungereimtheiten und Fehler in dem VDEW-Papier ein. Den vollständigen VDEW-Text finden Sie im Anhang.
Unter Punkt 1 "Ausgangslage" schreibt die VDEW:
"Der deutsche Primärenergieverbrauch belief sich 1994 auf rund 478 Mio t SKE.
[...] Strom hat
bisher nur einen Anteil an der Endenergie von rd. 18 Prozent."
Hier wird gleich zur Einstimmung der Eindruck erweckt, die Stromerzeugung sei in
Wirklichkeit
gar kein so wichtiges Problem bei der Energieerzeugung. Schließlich habe sie nur einen
Anteil
von 18 Prozent an - ja, an was? An der Endenergie! Mit dieser Angabe wird nicht
berücksichtigt,
daß Strom mit erheblichem Aufwand an Primärenergie hergestellt werden
muß. Der Endenergieanteil ist für die Beurteilung des Umweltschadens, der durch die Stromerzeugung
verursacht
wird, völlig unerheblich. Aber am Primärenergieverbrauch hat Strom einen Anteil
von etwa einem Drittel.
Der letzte Satz dieses Abschnitts ist demgegenüber sehr bemerkenswert:
"Das ökologisch Notwendige muß ökonomisch vernünftig
getan werden."
Wir können dies nur voll und ganz unterstützen.
In Punkt 2.1 heißt es:
"Dabei ist zu berücksichtigen, daß PV-Anlagen keine Kraftwerksleistung
ersparen."
Dies ist wahr. Es ändert aber nichts daran, daß jede kWh Solarstrom eine
entsprechende Menge
CO2 einspart, und genau das wollen wir ja. Langfristig muß - wenn der Anteil der
erneuerbaren Energien immer weiter zunimmt - zur Reservehaltung der vorhandene
Kraftwerkspark umgestellt werden auf andere Kraftwerkstypen und Brennstoffe. Die
Kraftwerke müssen in der Lage sein, kurzfristig hohe Leistung zu bringen, aber sie
müssen dann nicht mehr wie bisher auf Dauerleistung ausgelegt sein. Als Brennstoffe
kommen (Solar-)Wasserstoff oder Biomasse in Frage.
In Punkt 2.2 heißt es:
"Photovoltaik-Anlagen bringen ihren größten Ertrag in den
Sommermonaten, während der Mit-
tagsstunden - der größte Strombedarf besteht jedoch im Winter."
Hier werden schon wieder zwei Sachen durcheinandergeworfen. In der Tat bringen PV-
Anlagen
den größten Ertrag zur Mittagszeit, aber sowohl im Winter als auch im Sommer -
und genau
dann tritt auch der größte Verbrauch des Tages auf. PV-Anlagen helfen also, die
tägliche Mittagsspitze abzudecken.
Etwas anderes sind die jahreszeitlichen Schwankungen. Hier ergänzt sich die
Solarenergie hervorragend mit der Windenergie, die gerade im Winterhalbjahr ihren größten Ertrag
hat. Eine 100%ige Energieversorgung mit Solarenergie haben wir nie vorgeschlagen. Vielmehr
kommt es auf einen sinnvollen Energiemix an, mit Solarenergie, Windkraft, Wasserkraft und
Biomasse. Deswegen wird die kostendeckende Vergütung nicht nur für
Solarstrom gefordert, sondern für alle regenerativen Stromquellen.
Punkt 2.3:
"An dem vorstehenden Ergebnis würde auch eine Berücksichtigung der
noch nicht internalisierten Kosten von Kohle- und Kernenergiestrom wahrscheinlich nichts ändern. Denn nach
allen
neueren Studien liegen die externen Kosten der Photovoltaik in der gleichen
Größenordnung."
Derartige Studien sind dem SFV nicht bekannt. Im übrigen muß hier einem
Mißverständnis entgegengetreten werden. Es ist nicht Sinn und Zweck der
kostendeckenden Vergütung, eine betriebs- oder volkswirtschaftlich korrekte Bezahlung
von regenerativem Strom zu erreichen, sei es mit oder ohne internalisierte Umweltkosten. Die
KV überschreitet als Anschubfinanzierung bewußt diese Grenze, um durch
Kostensenkungen zu erreichen, daß in Zukunft eine betriebswirtschaftliche Bezahlung
von Erneuerbaren Energien ausreicht. Bei der Beurteilung, ob die KV eine sinnvolle
Maßnahme zur Förderung dieser Energien ist, spielt ihr gegenwärtiger
betriebswirtschaftlicher Wert also gar keine Rolle.
Punkt 2.4:
"Durch den hohen Material- und Energieverbrauch für die Herstellung der PV-
Anlagen ist mit
der Nutzung der Solarenergie eine nicht unerhebliche CO2-Emission verbunden. Diese bleibt
zwar hinter derjenigen bei fossilen Brennstoffen zurück (ist aber höher als bei
Kernenergie)."
Hinter diesem Argument steckt zunächst die alte Behauptung, PV-Anlagen
würden die Energie,
die für ihre Herstellung aufgewendet wurde, nicht wieder liefern können, oder
jedenfalls nicht
sehr viel mehr. Diese Behauptung ist längst widerlegt. Schon bei den heute
üblichen, unzulänglichen Fertigungsverfahren, können PV-Anlagen ein vielfaches dieser Energie erzeugen.
In Zukunft wird sich dieses Verhältnis noch verbessern.
Eine unvermeidbare CO2-Emission ist mit der Herstellung von PV-Anlagen nicht verbunden.
Die gegenwärtige CO2-Emission rührt allein daher, daß der Strom, der im
Fertigungsprozess
verwendet wird, zum größten Teil in den Kraftwerken der Mitgliedsunternehmen
der VDEW
hergestellt wird - unter massiver Freisetzung von CO2.
Punkt 2.5:
"Photovoltaische Stromerzeugung ist jedoch die teuerste Art, CO2-Emissionen zu
vermindern.
Mit demselben Geld könnte durch zahlreiche Energiespar-Maßnahmen,
beispielsweise durch
bessere Wärmedämmung von Gebäuden, aber auch durch die Nutzung der
Umgebungswärme
mit Wärmepumpen, eine um das Zehnfache höhere Umweltentlastung erreicht
werden."
Zunächst einmal sind die hier genannten "billigeren" Beispiele
(Wärmedämmung, Wärmepumpen) nicht zur Stromerzeugung geeignet. Sie treten also nicht in Konkurrenz zu
Energiequellen,
die mit der KV gefördert werden sollen. Mit KV können nur Energiearten
gefördert werden, die ins öffentliche Netz einspeisen können.
Daneben hat die VDEW natürlich recht. PV ist heute die teuerste Art, CO2-Emissionen
zu vermindern. Die Betonung liegt hier allerdings auf "heute"! Es sei noch einmal an den
Satz am Anfang erinnert: "Das ökologisch Notwendige muß ökonomisch
vernünftig getan werden." Was ist
ökologisch notwendig? Die VDEW beschränkt ihre Vorschläge auf
Maßnahmen zur Einsparung
von Energie. Nach übereinstimmender Meinung aller Experten können wir durch
Einsparungen
unseren Energieverbrauch um maximal 50% verringern. Auf das Einsparen von Energie kann
also in der Tat kaum verzichtet werden. Aber was ist mit den restlichen 50%
Energieverbrauch?
Was ist, wenn wir in 15 Jahren feststellen, daß wir 50% weniger Energie verbrauchen,
aber nun
kaum noch etwas einsparen können? Jede eingesparte kWh wird dann erheblich teurer
werden
als heute die Photovoltaik. Was werden wird also dann tun? Werden wir dann anfangen, die
PV
zu fördern? Die VDEW selbst argumentiert immer, daß Umstellungen im
Energiesektor Jahrzehnte beanspruchen. Wir vergeuden immens viel Zeit, wenn wir erst mit zunächst
wenig, dann
immer mehr Geld Einsparungen vornehmen, und nach 15 oder 20 Jahren anfangen, auch die regenerativen Energien zu fördern.
Wir müssen heute anfangen, die Alternativen zu der bisherigen Stromversorgung
einzuführen und zu verbilligen. Nur dann werden wir in ausreichend kurzer Zeit unsere
Energieversorung auf
eine ökologisch dauerhaft tragbare Basis umstellen können.
Und wenn wir sagen, 50% unserer heutigen CO2-Emissionen seien dauerhaft tragbar? Dann
werden in Zukunft auch Milliarden Menschen in anderen Erdteilen diese CO2-Emissionen
erreichen wollen, und dann werden all unsere Sparmaßnahmen nichts mehr nutzen. Eine
Verringerung der bei uns üblichen Pro-Kopf-Emissionen auf 50% bei gleichzeitiger
Ausbreitung dieses "Standards" auf die restliche Weltbevölkerung bedeutet
keine Verringerung, sondern eine Erhöhung der Gesamt-Emissionen.
Punkt 2.6:
"Die Fokussierung auf Photovoltaik drängt zu Unrecht die Warmwasserbereitung
mit Solarkollektoren und die passive Solarenergienutzung durch die Gebäude selbst in den
Hintergrund."
Die PV tritt in keiner Weise in Konkurrenz zur passiven Solarenergienutzung und auch nicht
zu
Fördermaßnahmen für Solarkollektoren. Die PV wird am sinnvollsten durch
KV gefördert, die
passive Solarenergienutzung und Solarkollektoren sind hierfür ungeeignet, da sie nicht
ins öffentliche Netz einspeisen können. Außerdem bleibt im allgemeinen
auch dann noch genügend Dachfläche für die Solarstromerzeugung
übrig, wenn die für die Warmwasserversorgung benötigte
Solarkollektorfläche installiert ist.
Punkt 2.7:
"[...] langfristige Subventionen zu Lasten der EVU bzw. der Stromverbraucher in einem
künftig
zu erwartenden europäischen Ordnungssystem [...] nicht akzeptabel. Sie stellen eine
Sonderlast
dar, die die deutschen Stromversorger gegenüber ihren Konkurrenten aus dem
europäischen
Ausland und gegenüber Stromerzeugern ohne eigenes Versorgungsgebiet [...]
benachteiligt."
Hier wird mal wieder die Europäische Einigung als Argument gegen den Umweltschutz
mißbraucht. Sollte es tatsächlich zu einem europäischen Ordnungssystem
kommen, dann werden natürlich auch die Vorgaben von deutscher Seite mit
berücksichtigt. Was spricht z.B. gegen eine europaweite Einführung der KV.
Punkt 3.1:
"Die Stromversorgungsunternehmen sind nach dem Energiewirtschaftsgesetz im
Interesse ihrer
Kunden zu einer möglichst sicheren und preiswerten Stromversorgung
verpflichtet."
Sie sind aber ebenso zu einer umweltfreundlichen Stromversorgung verpflichtet. Nach
§1 der Bundestarifordnung Elt vom 18.12.89 haben die
Elektrizitätsversorgungsunternehmen [...] Tarife anzubieten, die den Erfordernissen [...]
der Ressourcenschonung und möglichst geringen Umweltbelastung genügen.
Punkt 3.2:
"Sie (die BTO Elt) erlaubt allerdings den Versorgungsunternehmen in besonders
begründeten Fällen [...] diese höheren Bezugskosten [...] zu
berücksichtigen, jedoch nur bis zur Höhe der beim EVU auch langfristig
eingesparten Kosten."
Hier wird durch ein unvollständiges Zitat, durch Weglassen eines Satzes, der Sinn des
§11 der BTO in sein Gegenteil verkehrt. Gleich im nächsten (weggelassenen) Satz
heißt es dort nämlich ausdrücklich: "Darüber hinausgehende
vertragliche Vereinbarungen sind ebenfalls anzuerkennen." Dieser (von der VDEW
weggelassene) Satz ist verordnungsrechtliche Grundlage der KV.
Punkt 3.3:
"Insofern besteht kein Spielraum für die Ansammlung von Finanzmitteln in einem
selbständigen
Fonds, aus dem später Ausgaben zugunsten der Solarenergie getätigt werden
können."
Ein solcher Fond ist bei der KV überflüssig und wurde von uns nicht gefordert.
Punkt 3.4:
"Die Ausnahmeregelung des §11 Abs. 1 BTO Elt ermöglicht es auch nicht,
eine einzelne Erzeugungstechnik, z.B. die Photovoltaik, gegenüber anderen
regenerativen Techniken einseitig zu privilegieren."
Die KV war nie auf die Photovoltaik beschränkt. Davon abgesehen ist es erfreulich,
daß die
VDEW sich offensichtlich für eine Förderung aller regenerativen Energien
einsetzt.
Punkt 3.5:
"Die Unzulässigkeit einer einseitigen Privilegierung der Photovoltaik folgt auch
aus dem Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 GWB. Danach darf kein Einspeiser ohne sachliche
Rechtfertigung gegenüber anderen unterschiedlich behandelt werden."
Nocheinmal: kV wird für alle regenerativen Stromquellen gefordert. Eine Privilegierung
der PV
ist nicht beabsichtigt.
Punkt 3.6:
"Dies führt zu höheren Industriekundenpreisen und schadet damit dem
betreffenden Wirtschaftsstandort."
Mit dem Wegfall des Kohlepfennigs wurden die Strompreise um etwa 9% gesenkt. Was spricht
dagegen, wenigstens 1 bis 5%, d.h. einen Teil davon, für die kV aufzuwenden?
Punkt 3.7:
"Auf die verfassungsrechtliche Problematik des Stromeinspeisungsgesetzes hat die
VDEW mehr
fach hingewiesen."
Dieser Hinweis kann kaum noch beeindrucken, seit das Bundesverfassungsgericht mit
Beschluß vom 9. Januar 96 eine diesbezügliche Vorlage des Landgerichts
Karlsruhe als unzulässig zurückgewiesen hat - aufgrund nicht nachvollziehbarer
Argumente des von der VDEW beauftragten Klägers.
Punkt 3.8:
"Die Konzessionsabgabenverordnung schließt Zusatzleistungen aus. [...] Hierzu
würde auch die Zahlung 'kostendeckender' Vergütungen [...] zu rechnen sein."
Die Konzessionsabgabenverordnung befaßt sich nicht mit dem Inhalt von
Konzessionsverträgen, sondern ausschließlich mit der Konzessionsabgabe, welche
vom EVU an die Gemeinde zu zahlen ist. Die kostendeckende Vergütung wird jedoch
nicht an die Gemeinde gezahlt, sondern an die Solarstromerzeuger, sie ist deshalb keine
Konzessionsabgabe oder Zusatzleistung. Die Anwendung der Konzessionsabgabenverordnung
ist deshalb hier nicht möglich.
Dankenswerterweise beschreibt die VDEW hier den Stand der KV auf Länderebene. Da- durch wird deutlich, daß bereits mehrere Landesregierungen der KV zugestimmt haben.
Fazit:
Die VDEW will zwar "das ökologisch Notwendige auf ökonomisch sinnvolle Weise" tun. Aber sie denkt dabei nur wenige Jahre voraus, und verwirft gerade die Fördermaßnahme, welche in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die wirksamste ist: die Kostendeckende Vergütung.