In diesem Jahr veröffentlichte Eckart von Hirschhausen das Buch "Mensch, Erde!" bei der dtv Verlagsgesellschaft, München. Mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlichen wir hier Auszüge aus diesem Werk, in denen es um die Zusammenhänge zwischen menschlicher Gesundheit und der Klimakrise geht.

Wenn es eine ärztliche Pflicht ist, Leben zu schützen, auf Gesundheitsgefahren hinzuweisen und gegebenenfalls auch schlechte Nachrichten zu überbringen, dann sollten Vertreter:innen der Gesundheitsberufe die Ersten sein, die die Bedrohung des Menschen durch den Klimawandel thematisieren. Und die schlechte Nachricht lautet: Die Klimakrise hat massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Wir müssen nicht das Klima retten, sondern uns! Die Erde braucht uns nicht, wir aber brauchen die Erde.

Mehr über den Zusammenhang von Klimawandel und Gesundheit zu verstehen und zu kommunizieren ist für mich ein echtes Herzensanliegen geworden. Dieses Buch ist ein Zwischenbericht mit allem, was ich verstanden und zusammengetragen habe, immer verbunden mit der Frage: Was hat das konkret für Auswirkungen auf unseren Körper, unsere Lebensqualität und auch auf unsere seelische Gesundheit? Aber auch: Wie kommen wir vom Wissen ins Tun, von der lähmenden Hoffnungslosigkeit ins strategische Handeln? Viele Ärztinnen, Ärzte und Institutionen fangen gerade an, sich aufzustellen, Position zu beziehen und ihre Rolle in der Öffentlichkeit neu zu finden. Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), mit den Studierenden von #healthforfuture und auch der globale Klimastreik am 20. September 2019 vor der Charité in Berlin waren für mich neue und aufregende Schritte, mich aus der »Entertainer«- Ecke weiterzuentwickeln auf eine politische Bühne. So stand ich also zwischen meinem ehemaligen Chef der Charité, Detlev Ganten, und der nächsten Generation von Ärzt:innen vor dem Brandenburger Tor und durfte zu der vollen »Fanmeile« sprechen, die nicht für die Nationalmannschaft, sondern wegen der globalen Krise zusammengekommen war. Der Deutsche Ärztetag öffnete sich mit seinem neuen Präsidenten dem Thema, die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutsche Pflegetag. Der World Health Summit, Gruppen im Europaparlament und Tagungen des Auswärtigen Amtes zu »One Health« luden mich als Impulsgeber und Referenten ein. Plötzlich war ich Botschafter für die Agenda 2030, für globale Gesundheit und für Artenvielfalt. Um all diese Aktivitäten zu bündeln und mit neuen Mitarbeiter:innen effektiver zu sein, gründete ich die gemeinnützige Stiftung »Gesunde Erde – Gesunde Menschen«.

 

Öffentliche Rolle der medizinischen Zunft

Traditionell hält sich die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte aus der Politik heraus, wenn sie sich überhaupt einmischt, geht es um Vergütungsfragen oder um Debatten zu Themen der Ethik, wie etwa Sterbehilfe. Dass die fossile Energiepolitik massive Gesundheitsfolgen hat, stand bislang eher nicht auf ihrer Agenda. In meiner Ausbildung spielten diese Zusammenhänge auch kaum eine Rolle, Umweltmedizin wurde belächelt als »Orchideenfach«. Aber natürlich gab es auch Ausnahmen, die »Ärzte gegen den Atomkrieg« zum Beispiel. Sie betonten auf einem ihrer Plakate: »Eine Atombombe kann dir den ganzen Tag versauen.« Gleiches gilt heute für die Klimakrise. Die kann einem das ganze Leben versauen. Klimaschutz als Gesundheitsschutz zu begreifen, eröffnet eine Perspektive, die sich nicht auf eine Partei, Ideologie oder Altersgruppe bezieht, sondern für jeden von uns wichtig ist. Politischer zu werden heißt anzuerkennen, dass die Lösung der Probleme nicht in einer medizinischen Innovation zu finden sein wird. Wir können eine überhöhte Körpertemperatur, sprich Fieber, medikamentös senken. Aber gegen eine überhöhte Außentemperatur gibt es keine Tablette, da hilft nur wirksame Politik.

Kann das so einen Riesenunterschied machen, ob es ein paar Grad wärmer wird? Ja. Als Arzt weiß ich: Von 41 auf 43 Grad Körpertemperatur ist es ein großer Sprung. Der über die Klinge. Wir hatten schon 42 Grad in Deutschland. Natürlich ist mir auch der Unterschied von Außentemperatur und Körperkerntemperatur bewusst. Aber wenn allein in Berlin bei den Hitzewellen 2018 und 2019 viele Hundert Menschen starben, ist die Klimakrise ein medizinischer Notfall. Und positiv formuliert auch die größte Chance, etwas für die Gesundheit der Menschen im 21. Jahrhundert zu tun. Vielen im Land ist offenbar noch nicht bewusst: 

Wie kommen wir vom Wissen ins Tun, von der lähmenden Hoffnungslosigkeit ins strategische Handeln?

Eckart von Hirschhausen

Die nächsten zehn Jahre entscheiden darüber, wie die nächsten zehntausend Jahre laufen, auf gut Deutsch: ob die menschliche Zivilisation überlebt. Wir haben in der Medizin weltweit gigantische Fortschritte gemacht. Wir leben so satt, so sicher wie nie zuvor – und sind doch so bedroht wie noch nie. All diese Fortschritte der letzten fünfzig Jahre stehen heute auf dem Spiel.

 

Fossile Energie

Wenn man über Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit Strom nachdenkt, kommt einem als Erstes ein Kleinkind in den Sinn, das sich mit dem Schraubenzieher einen tödlichen Schlag aus der Steckdose holt. Dank der modernen Schutzschaltungen und der Kindersicherungen passiert so etwas nur noch sehr selten. In Deutschland sterben jährlich weniger als hundert Menschen an Stromschlägen (Handwerker sind am häufigsten betroffen), weniger als zehn durch einen Blitz, aber viele Tausende durch die Art der Stromerzeugung – und auf diesen Aspekt möchte ich Sie aufmerksam machen, weil der oft in den großen Diskussionen zur Energiewende nicht zur Sprache kommt.

 

Zwei Quizfragen: Wo würden Sie lieber wohnen: hundert Meter von einer Solaranlage entfernt oder von einem Kohlekraftwerk? Und wo würden Sie in dem Moment, in dem die Technik versagt, lieber stehen: neben einem Windrad oder neben einem Atomkraftwerk? Ich weiß nicht, was Sie wählen würden, aber ich wohne und atme lieber neben einer Solaranlage, die nicht stinkt und die Atmosphäre nicht weiter aufheizt. Und ich halte es auch für sehr viel wahrscheinlicher, einem herabfallenden Rotorblatt auszuweichen, als einer Wolke voller tödlicher Radioaktivität entrinnen zu können. Unser Vater war – wie viele seiner Generation – dem Mythos aufgesessen, Atomkraft sei sicher und wir bräuchten sie. Das muss man sich mal vorstellen: In den 60er Jahren wurden in der Asse, dem Atommülllager in Niedersachsen, Kindergeburtstage gefeiert – eine echte Eventlocation, würde man heute sagen. Die Hüpfburg der Technologieanbetung. Als Arzt wundere ich mich, warum die Energiewende in Deutschland vorrangig als ein technisches und finanzielles Problem diskutiert wird. Wir sollten eher darüber reden, wie viel gesünder hundertprozentig erneuerbare Energieerzeugung für uns alle wäre. So wie wir jetzt Impfstoffe gegen Corona haben, die in der ganzen Welt produziert werden und allen Menschen zugutekommen können, so ist das auch mit den Erneuerbaren: Die »Impfung« ist da. Wir haben Solarmodule, die bestens funktionieren und günstig herzustellen sind; nun braucht es den politischen Willen und die Rahmenbedingungen, diese geniale Erfindung überall dort hinzubringen, wo Strom gebraucht wird.

Würde man alle Braunkohlekraftwerke abschalten, ließen sich mit einem Mal einhundertfünfzig Millionen Tonnen CO2 einsparen. Und natürlich alle anderen Schadstoffe wie Feinstaub, Blei oder Arsen. Deutschlands Kohlekraftwerke sind nicht nur Klimasünder, sondern auch Giftschleudern. Sie stoßen jährlich rund sieben Tonnen Quecksilber aus. Was gab es früher im Krankenhaus für ein Geschrei, wenn ein Thermometer hinunterfiel und die Quecksilberkügelchen sich blitzschnell unter den Betten verkullerten. Im Milligrammbereich. Bei Kohlekraftwerken sprechen wir von Tonnen! Nirgendwo in Europa wird ungestraft mehr von dem Nervengift emittiert als in Deutschland.

Die Klimafolgeschäden durch die deutsche Kohleverstromung liegen laut Umweltbundesamt bei fünfzig Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen Gesundheitsschäden durch Abgase aus der Kohleverbrennung in Höhe von über vier Milliarden Euro jährlich. Der ›Lancet‹, eine der wichtigsten Medizinfachzeitschriften, rechnet vor, dass durch die drei großen Stellschrauben Ernährung, Mobilität und Energiewende bis 2040 jedes Jahr 165.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland verhindert werden könnten.

Ich frage Bernd Ulrich, Politik-Chefredakteur der ›ZEIT‹, warum wir an der nostalgischen Vorstellung von Helden aus den Stollen festhalten. Er erzählt mir von seinem Patenonkel, der im Kohlebergbau als Steiger gearbeitet hat: »Bergbau ist eine extrem anstrengende, gleichzeitig auch eine sehr traurige Arbeit. Die Bergarbeiter haben sich aufgeopfert für den Fortschritt. Ich habe gesehen, wie diese Männer ihre Lunge ins Taschentuch gehustet haben.« Wie man heute weiß, schädigen die Kohlestäube über die Lunge hinaus auch das Kreislaufsystem und das Gehirn, führen zu Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz. Bernd Ulrich meint dazu: »Wir sind eine Märtyrer-Gesellschaft. Wir finden es in Ordnung, dass Tausende und Abertausende Bergleute viel zu früh gestorben sind. Heute akzeptieren wir, dass Tausende Menschen jedes Jahr bei Verkehrsunfällen sterben. Und wir nehmen hin, dass durch die Luftverschmutzung weitere Zigtausend Menschen sterben. Wofür?«

In Europa haben wir immer noch jede Menge alte Kraftwerke und nehmen neue Kohlekraftwerke in Betrieb, was absurd ist. Auch wenn die weniger Dreck aus dem Schornstein lassen, ist es immer noch sehr viel mehr als bei Solar- und Windenergie. Denn immer, wenn wir fossile Brennstoffe nutzen, gibt es Dreck und irgendwer zahlt dafür mit seiner Gesundheit – was nicht eingepreist wird. Warum regt sich eigentlich keiner darüber auf, dass wir uns wegen Feinstaub früher aus dem Staub machen? Das Umweltbundesamt fordert schon längst, die Risiken infolge zu hoher Feinstaubkonzentrationen ernster zu nehmen und zu begrenzen, aber wir sind halt ein Autoland.

 

MenschErde

Allergien, Infektionen, Umweltgifte

Im Rahmen des Klimawandels nehmen verschiedene Umweltbelastungen massiv zu. Eine Expertin dafür ist Claudia Traidl-Hoffmann, Ordinaria für Umweltmedizin an der Technischen Universität München sowie Direktorin der Umweltmedizin am Universitätsklinikum Augsburg und am Helmholtz Zentrum München. »Klimawandel macht krank«, sagt sie. »Der Temperaturanstieg verlängert die Pollensaison und kann gerade in Kombination mit Luftverschmutzung die Anfälligkeit für atopische Erkrankungen erhöhen.« Besonders gefährlich sind Pollen in Verbindung mit Asthma und Gewitter. Die Pollen platzen durch die elektrostatische Aufladung der Luft und gelangen nun in ihren kleineren Bruchstücken besonders tief in die Lunge. Dadurch wird die Immunreaktion umso heftiger losgetreten. Die Umweltmedizinerin schlägt vor, alle vorhandenen Risikofaktoren wie Extremwetterlagen, Pollenflug und Gewitterwarnungen in einer App zu kombinieren, um die gefährdeten Gruppen frühzeitig informieren zu können, denn jetzt schon ist klar, dass die medizinische Relevanz dieser Phänomene in den nächsten Jahren noch größer wird: »Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat den Klimawandel nicht ohne Grund zu einer der größten Gefahren für die Gesundheit der Menschen in kommenden Jahrzehnten erklärt«, sagt sie. Zusätzlich weist sie in einem Übersichtsartikel im Deutschen Ärzteblatt auf die Gefahr für die Lunge durch Waldbrände hin, die nicht nur in Australien, Sibirien und Kalifornien massiv zunehmen, sondern auch in Deutschland: »Der entstehende Rauch hat schwerwiegende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und kann die Lungenfunktion mitunter dauerhaft beeinträchtigen.«

Die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit machen vor praktisch keinem Organ halt, auch der Magen-Darm-Trakt ist betroffen. Höhere Temperaturen verändern die Wasserqualität – was manchen Erregern von Diarrhö und entzündlichen Darmerkrankungen sehr gelegen kommt: Sie können sich in wärmeren Gewässern besser vermehren. Eine Kategorie für sich sind die sogenannten Vibrionen. Auch diese Erreger von Magen-Darm- und Wundinfektionen haben seit den 1980er Jahren aufgrund höherer Wassertemperaturen so stark zugenommen, dass sich die Anzahl der Tage, an denen man sich in der Ostsee mit Vibrionen anstecken kann, seither verdoppelt hat: 2018 waren es schon hundertsieben Tage im Jahr. Außerdem fördern höhere Temperaturen dort und in Seen durch Cyanobakterien (Blaualgen) auch das Blühen der Algenblüten, was zu Hautreizungen führen kann. Ein weiteres Problem sind die sogenannten invasiven Arten, das sind Pflanzen oder Tiere, die eigentlich nicht in das heimische Ökosystem gehören, eingeschleppt wurden und sich oft aus Mangel an natürlichen Feinden unverhältnismäßig breitmachen. Bei den alten Griechen war Ambrosia das betörend duftende Getränk der Götter, und weil die Blätter der Beifußgewächse duften, gaben Botaniker der gesamten aus Amerika stammenden Gattung diesen betörenden Namen. Praktisch ist Ambrosia aber eher Fluch als Segen der Götter. Wenn in Science-Fiction-Filmen Wesen aus anderen Gefilden uns Menschen das Leben schwermachen, denkt man nicht an die so harmlos wirkende Asthma-Pflanze Ambrosia artemisiifolia. Dabei zählt das »Beifußblättrige Traubenkraut« zu den schlimmsten invasiven Arten. Rund acht Millionen Deutsche reagieren mittlerweile allergisch darauf, die Therapien und Arbeitsausfälle durch Ambrosia verschlingen Hunderte Millionen Euro jährlich. Bis zu einer Milliarde Pollen kann eine einzige Pflanze freisetzen. Dabei reichen bereits fünf Pollen aus, um eine allergische Reaktion hervorzurufen.

Claudia Traidl-Hoffmann ist es ein großes Anliegen, die Bevölkerung und insbesondere die jungen Studierenden über ihr Fachgebiet der Allergien hinaus für das Thema »Klimakrise als medizinischer Notfall« zu sensibilisieren: »Mediziner und Medizinerinnen können Vorbild sein, möglichst viele Menschen mitnehmen, sie überzeugen und in die Veränderungsprozesse einbinden. Nicht zuletzt die Coronakrise zeigt, zu wie vielen Anpassungen unsere Gesellschaft fähig ist. Die wissenschaftlichen Impulse kamen aus der Medizin. Genauso kann es beim Klimawandel sein. Klimaschutz ist Gesundheitsschutz. Man fragt sich, warum notwendige Veränderungen trotz Dringlichkeit und Wissen um die desaströsen Folgen nicht längst umfassender umgesetzt wurden. Die globale Erwärmung muss begrenzt werden und wir müssen kreativ nach Möglichkeiten suchen, den schädlichen Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Das Gute ist, dass jeder und jede Einzelne einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen leisten kann.« Jetzt entsteht unter der Leitung von Claudia Traidl-Hoffmann an der Universität Augsburg ein Zentrum für Klimaresilienz, in dem unterschiedliche Disziplinen das Thema »Transformation der Gesellschaft« voranbringen sollen. Ist auch höchste Zeit.

 

Luftverschmutzung

Thomas Münzel von der Uniklinik in Mainz ist Kardiologe mit Weitblick. Laut Münzel haben Studien in Kanada, Großbritannien, Taiwan und den USA gezeigt, dass Menschen, die in Gebieten mit ausgeprägter Luftverschmutzung leben, nicht nur anfälliger sind für Herzinfarkt und Schlaganfall, sondern auch ein drei- bis fünfmal so hohes Risiko haben, an Demenz zu erkranken, wie Menschen anderswo. »Auch etwa fünfzehn Prozent der Covid-19-Toten gehen aufs Konto der Luftverschmutzung. Dort, wo die Luft am dreckigsten ist, sind schwere Verläufe der Infektion besonders häufig.«

Fast zwei Drittel der durch Luftverschmutzung verursachten Sterbefälle, nämlich rund 5,5 Millionen pro Jahr, wären grundsätzlich vermeidbar, denn der Großteil der verschmutzten Luft weltweit wird durch den Einsatz fossiler Brennstoffe verursacht. Je mehr wir davon entzünden, desto mehr entzündet sich auch unser Körper chronisch.

Teilweise lagern sich an den Oberflächen der Partikel gefährliche Stoffe wie Schwermetalle oder Aluminium an, die dann beispielsweise Krebs erzeugen können. Feinstaub ist also ein »trojanisches Pferd« für viele Giftstoffe und auch Viren. Ein konkreter Vorschlag, um in Coronazeiten die Luft in Schulen zu säubern, wurde von Joachim Curtius von der Goetheuniversität Frankfurt, einem der weltweit führenden Atmosphärenforscher, untersucht und ins Spiel gebracht. Da sich beim lauten Sprechen die Minitröpfchen, die Aerosole, mit anderen unbekannten Flugobjekten, sprich den Feinstäuben verbinden, muss das Ziel sein, die Innenraumbelastung mit Schwebteilen so gering wie möglich zu halten. Mit dem Einsatz von handelsüblichen HEPA-Luftfiltern kann die Menge an »Virentaxis« massiv reduziert werden.

 

Hitzewellen

Warum fallen die Todesopfer von Hitzewellen so wenig auf? 2003, während der ersten großen Hitzeperiode des Jahrtausends, starben europaweit siebzigtausend Menschen. Schlüge eine Bombe in ein übervolles Fußballstadion ein, gingen diese Bilder um die Welt und jeder dächte darüber nach, wie man verhindern kann, dass so etwas Schreckliches noch einmal passiert. Hitzetote sind viel weniger sichtbar, es sind viele alte Menschen, die einsam in ihren Wohnungen sterben, wenn das durch die Hitze geschwächte Herz oder die Lunge nach ein paar Wochen endgültig aufgibt. Sie sind uns selten Schlagzeilen wert. Oder Gegenmaßnahmen. Was genau passiert im Körper? Auch ein gesunder Mensch hat schon Mühe, seine Wärme loszuwerden, weil sie als »Abwärme« in der Muskulatur und bei jeder Umwandlung von Essen in Energie im Körper anfällt. Kalorien sind ja nicht umsonst eine Wärmeeinheit. Der effektivste Weg, dem Körper Wärme zu entziehen, ist die Verdunstungskälte von Schweiß auf der Haut. Wenn er nicht schwitzen kann, heizen schon dreißig Minuten Fitnessprogramm den Körper auf fieberhafte 40 Grad hoch – genau die Temperatur, ab der wir anfangen zu halluzinieren. Ab 42 Grad fällt das Hirn dann komplett aus. Böse Zungen behaupten, das fiele im Fitnessstudio kaum auf.

 

Corona

Die Coronapandemie kam für die Fachwelt nicht überraschend, die »Vorwarnungen« hießen HIV, SARS, MERS, Ebola, Zika oder Vogelgrippe H5N1 – allesamt aus dem Tierreich übertragen. Und das ist erst der Anfang. Hochrechnungen zufolge sind noch etwa siebenhunderttausend Viren in Wildtieren zu finden, die auf den Menschen überspringen könnten. Und das tun sie immer leichter und öfter.

Die Coronakrise belastet weltweit etliche der Gesundheitssysteme noch viel stärker als unseres. Und das wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein. Wie der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) im November 2020 deutlich machte, führen die menschlichen Aktivitäten zu einem ständig steigenden Risiko, mit neuen Erregern konfrontiert zu werden. Es gibt einfach immer mehr unkontrollierte Kontakte zwischen Wildtieren, Nutztieren, Krankheitserregern und Menschen. Zwar haben sich die Gesundheit und die Lebenserwartung des durchschnittlichen Erdenbürgers im letzten Jahrhundert enorm verbessert, dennoch drohen die Klimakatastrophe, das Artensterben und die Pandemie, die drei Gesichter der globalen Krisen, gerade all diese historischen Errungenschaften wieder zunichtezumachen. Allein sechs der zehn größten globalen Gesundheitsgefahren – von Luftverschmutzung, weiteren Pandemien bis zu nicht übertragbaren Krankheiten wie Übergewicht und Herzinfarkten – hängen eng mit dem Klimawandel, der Art der Tierhaltung und der Ernährung sowie den Lebensraumverlusten zusammen.

Dr. Kim Grützmacher ist Tierärztin und internationale Expertin für Zoonosen, sprich für alle Krankheiten, die wie Corona vom Tier auf den Menschen übertragbar sind. Kim erklärte mir: »Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Häufigkeit, mit der Menschen und Wildtiere Kontakt haben, und der Wahrscheinlichkeit, dass Viren auf den Menschen überspringen. Es ist also wichtig, dass Wildtiere genug eigenen Lebensraum haben, um sich zurückziehen zu können.« Ich erinnere mich gehört zu haben, dass man misstrauisch sein sollte, wenn ein Wildtier nicht misstrauisch ist, denn es liegt in seiner Natur, ein social distancing zum Menschen einzuhalten, sonst bräuchten wir ja auch keine Hochsitze, Fallen oder andere Tricks, um seine natürliche Scheu zu überlisten. Mir war aber überhaupt nicht klar, welche Rolle der Wildtierhandel bei der Verbreitung von Pandemien spielt. Warum lassen wir die Tiere nicht einfach in Ruhe?

Kim ist zuversichtlich: »Bislang gehen nur rund zwei Prozent der Investitionen im Kampf gegen den Klimawandel in die natürlichen Klimalösungen, obwohl die das Potenzial haben, ein Drittel der Emissionen zu binden. Wir können hier gleichzeitig die Artenvielfalt erhalten, dem Klimawandel etwas entgegensetzen und das Risiko für Pandemien reduzieren. Ich hatte selten so viel Hoffnung wie heute, denn gerade in den letzten Jahren haben ganz viele Menschen verstanden, wie wichtig diese Fragen sind.«

 

Porträt Hirschhausen klein

Dr. Eckart von Hirschhausen

(Jahrgang 1967) studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London und Heidelberg. Seine Spezialität: medizinische Inhalte auf humorvolle Art und Weise zu vermitteln und gesundes Lachen mit nachhaltigen Botschaften zu verbinden. Seit über 20 Jahren ist er als Komiker, Autor und Moderator unterwegs.

Mehr über Eckart von Hirschhausen erfahren Sie unter: www.hirschhausen.com und https://www.humorhilftheilen.de

Mensch, Erde! — Cover des neuen Buches von Eckart von Hirschhausen, aus dem die Auszüge auf diesen Seiten stammen. Erhältlich in jedem Buchladen, oder online unter www.dtv.de •