Photovoltaik auf Mietshäusern gilt als eines der größten bislang ungenutzten Potenziale der Energiewende in Deutschland. David Scherwitz, dreifacher Familienvater aus Rheine, Solarbotschafter für den Kreis Steinfurt und überzeugter Umweltschützer, hat mit seinem eigenen Mehrfamilienhaus einen bemerkenswerten Schritt gewagt: Er setzt nicht auf die klassische Volleinspeisung, sondern entschied sich bewusst für das Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung (GGV) – auch wenn dieses zum Zeitpunkt der Umsetzung noch Neuland für alle Beteiligten darstellte.

„Ich wollte zeigen, dass es funktioniert und als Vorbild für viele weitere Vorhaben dienen“, sagt David Scherwitz. Für ihn stand früh fest, dass seine vermietete Immobilie ein Pilotprojekt werden sollte und womöglich das erste in der Bundesrepublik, das eine GGV privat umsetzt. Die Anlage wurde mit viel Eigenleistung errichtet, was die Installationskosten deutlich reduzierte. Obwohl eine Volleinspeisung betriebswirtschaftlich zunächst sicherer gewesen wäre, sah er in der GGV die Chance, den selbst erzeugten Strom bestmöglich zu nutzen – etwa durch die spätere Integration von Klimasplitgeräten in den Wohnungen oder einer öffentlichen Ladesäule für Elektroautos. Ziel ist es, möglichst viel Energie direkt im Haus zu verbrauchen und fossile Energien wie Gas zunehmend zu ersetzen.

Besonders an diesem Projekt ist nicht nur die technische Umsetzung, sondern auch die unkomplizierte Zustimmungssituation: Da das Gebäude an die Stadt Rheine vermietet ist, musste nur ein Mietvertragspartner überzeugt werden. Die Anlage wurde bereits 2024 als Volleinspeiseanlage mit einer Modulleistung von 27,6 kWp und einer Wechselrichterleistung von 17 kVA genehmigt.

Die eigentliche Herausforderung bestand in der intelligenten Verteilung des erzeugten Stroms: Über eine sogenannte 1:n Gateway-Verbindung müssen die Daten aller Haushalte viertelstündlich erfasst und verrechnet werden. Die Technik dafür ist vorhanden – die Prozesse dahinter jedoch komplex und für die Stadtwerke Neuland. Unterstützt wurde David Scherwitz von Beginn an von der Stadt Rheine, die als Mieter ihre Zustimmung zur Stromabnahme gab, den Stadtwerken Rheine die maßgeblich die Umsetzung des GGV intern vorangetrieben haben sowie dem Kreis Steinfurt und energieland2050 e.V.. Besonders die Servicestelle Solarenergie im Amt für Klimaschutz mit Jens Leopold half bei der Umsetzung und schärfte das öffentliche Bewusstsein für das Projekt. „Die schnelle flächendeckende Umsetzung der GGV ist notwendig, um auch Mietern die Partizipation an der Energiewende zu ermöglichen und sie davon profitieren zu lassen.“, so Jens Leopold.

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© David Scherwitz | Abb 1 – Ein dynamischer Verteilungsschlüssel sorgt dafür, dass der Strom von eigenen Dach flexibel und bedarfsorientiert auf die Mietparteien verteilt wird.

Was kostet das nun für die einzelnen Haushalte? Laut Preisblatt des Stadtwerks Rheine belaufen sich die Zählerkosten für intelligente Messsysteme (iMSys) pro Haushalt bei einem Verbrauch bis zu 10.000 kWh auf 20 € brutto pro Jahr. Die Zählerkosten für die PV-Anlage hängen jedoch von der Gesamtleistung ab – bis 15 kWp fallen 20 € brutto jährlich an, 15-25 kWp ergeben 50 € und 25-100 kWp schlagen mit 120 € brutto pro Jahr zu buche. Diese Kosten liegen unter den Preisobergrenzen nach dem Messstellenbetreibergesetz und können demnach noch höher ausfallen. Der Strompreis aus der Photovoltaikanlage selbst wird bei 30 Cent pro Kilowattstunde liegen – ganz ohne Grundpreis. Die Abrechnung übernimmt David Scherwitz eigenständig, mit Hilfe der gelieferten Datensätze und einer Tabellenkalkulation.

Ein dynamischer Verteilungsschlüssel sorgt dafür, dass der Strom flexibel und bedarfsorientiert auf die Mietparteien verteilt wird. Für David Scherwitz die einzig sinnvolle Lösung: „Jeder Haushalt hat andere Verbrauchsmuster – da hilft eine statische Aufteilung niemandem weiter.“ Zugriff auf die Viertelstundenwerte haben die Vermieter allerdings nicht direkt, da Datenschutzaspekte eine transparente Einsicht derzeit nicht ermöglichen.

Ein Ausbau auf weitere Gebäude ist aktuell nicht geplant. Stattdessen konzentriert sich David Scherwitz darauf, die Anlage weiter zu optimieren. Eine Wallbox und die Klimasplitgeräte sind in Planung, ein Speicher könnte nach einem Jahr Betrieb folgen, um den Eigenverbrauch weiter zu erhöhen.

Für die Zukunft wünscht sich David Scherwitz vor allem eines: einheitliche, gesetzlich klar definierte Schnittstellen für die Abrechnung – unabhängig vom jeweiligen Netzbetreiber. „Momentan lässt das Gesetz noch viel Interpretationsspielraum“, kritisiert er. Besonders die Preisstruktur rund um PV-Zähler sollte seiner Meinung nach überarbeitet werden – denn ein Zähler zählt, unabhängig davon, wie viele Module angeschlossen sind.

Sein Rat an andere Vermieterinnen und Vermieter? Frühzeitig mit dem Netzbetreiber sprechen. „Viele wissen gar nicht, was bei GGV möglich ist. Und bei großen Häusern mit vielen Zählern sollte man ganz genau nachrechnen, ob sich eine Eigenversorgung tatsächlich lohnt oder ob die klassische Volleinspeisung wirtschaftlich sinnvoller ist.“ Die gute Nachricht: Wer sich für GGV entscheidet, kann die Anlage weiterhin auch als Volleinspeiseanlage nutzen – die Technik bleibt dieselbe.

David Scherwitz zeigt mit seinem Projekt: Mit Mut, Engagement und dem Willen, selbst Verantwortung zu übernehmen, kann die Energiewende auf Mietdächern gelingen – ganz lokal, ganz praktisch, ganz konkret.

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© David Scherwitz | Abb 2 – Die Anlage wurde mit viel Eigenleistung errichtet, was die Installationskosten deutlich reduzierte.