Die Möglichkeiten, sich an der Energiewende in unserer Demokratie zu beteiligen, scheinen offen, divers und vielfach. Auch die Grundlagen aus Brüssel sind gegeben. Mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie des EU Pakets „Saubere Energie für alle Europäer*innen“ soll jeder und jedem die Möglichkeit geboten werden, an erneuerbaren Energieprojekten und Entscheidungsprozessen teilzuhaben und diese mitzugestalten, sich finanziell zu beteiligen, sich in Bürgerenergiegenossenschaften zusammenzuschließen und selbst Energie zu produzieren, zu konsumieren und zu verkaufen. Während sich die Energiewende daher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe versteht, fragen wir uns, ob wirklich die gesamte Gesellschaft aktiv einbezogen wird und sich beteiligen will und kann? Und ob das Potential der nötigen Transformation wirklich ausgeschöpft wird? Abgesehen davon, dass die Bundesregierung eine erfolgreiche dezentrale Energiewende eher ausbremst als fördert, fallen bei näherer Betrachtung zunächst kaum sichtbare, teils willkürliche und auch systematische Grenzen und Hindernisse für viele Gruppen unserer Gesellschaft auf, um ihren Interessen und Bedürfnissen nachzukommen als Verbraucher*innen, als Produzent*innen, als Arbeitnehmer*innen und (politische) Entscheidungsträger*innen. Denken wir wirklich auch außerhalb unserer „Blase“? Nutzen wir alle verfügbaren Ressourcen, die wir haben? Berücksichtigen wir verschiedene Perspektiven? Wir sind uns sicher: nein. Denn beim Blick auf Energiepolitik und -wirtschaft fällt auf, dass sich nur ein Teil der Bevölkerung angesprochen fühlt. Ebenso auffällig ist, dass sowohl Energiepolitik als auch Energiewirtschaft nach wie vor deutlich von Männern und von patriarchalischen Strukturen dominiert werden.

Selbst in Gemeinschaften wie Energiegenossenschaften treffen wir mehrheitlich auf Männer, in den Vorständen, Aufsichtsräten und auch unter den Mitgliedern. Dabei haben vor allem diese Gemeinschaften mit ihren flexiblen und demokratischen Strukturen die Möglichkeit, einen Rahmen für den Austausch diverser Akteur*innen zu schaffen und von ihrer vielfältigen Erfahrung beim Erreichen neuer Zielgruppen zu profitieren und inklusive Konzepte anzubieten. Spielt Geschlechtergerechtigkeit in der energiegenossenschaftlichen Praxis eine Rolle und bestehen sichtbare oder unsichtbare Hürden für potenzielle Mitglieder? Wir haben gesehen, als die deutsche Energiewende noch ein Erfolgsmodell war, dass vor allem die stärkere Partizipation, d.h. ein deutlicher Anstieg an Marktteilnehmer*innen ein Erfolgsfaktor für die Energiewende war. Schaffen wir wieder eine erfolgreiche Energiewende, wenn wir mehr Akteur*innen gewinnen, z.B. viel mehr Frauen interessieren und damit mehr Expertise, mehr Engagement, mehr Vielfalt mobilisieren können? Das ist ein Aspekt, den wir in der Publikation aufzeigen möchten, Geschlechtergerechtigkeit im Energiebereich hat viele Dimensionen.

 

Bild mit SDGs Broschüre

Denn, Energie und Gender sind Themen, die noch zu selten zusammen gedacht werden. V.a. für Deutschland gibt es noch nicht ausreichend Daten, die diesen Zusammenhang genauer und längerfristig untersuchen, z.B. von Energiearmut betroffene Frauen. International gibt es interessante Zahlen zum Zusammenhang zwischen Gender und Energie: Wir sehen beispielsweise, dass Kommunen und Länder, die geschlechtergerechte Politik planen und umsetzen, eine ambitioniertere Klima- und Energiepolitik und einen niedrigeren Pro-Kopf-CO2-Ausstoß zeigen.  

Diese Publikation richtet sich an alle Akteur*innen in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, die die Themen Gender und Energie bisher noch nicht gemeinsam betrachtet haben. Strukturelle Widerstände, die vor allem Frauen in Deutschland bewältigen müssen, um ein erneuerbares und gerechtes Energiesystem mitzugestalten, werden systematisch erläutert und dargestellt. In 13 Expert*inneninterviews wird auch ein persönliches Licht auf diese tradierten Barrieren geworfen, die uns daran hindern, ein dezentrales und demokratisches Energiesystem aufzubauen. Dabei wird unseres Erachtens die Notwendigkeit einer geschlechtergerechten und zukunftsfähigen Energieversorgung offensichtlich durch die Betrachtung folgender Punkte:

  • Barrieren und Hindernisse einer gendergerechten Energiewende
  • Schlüsselakteurinnen, die die Energiewende auf unterschiedliche Weise eindrucksvoll voranbringen
  • Vorstellung einer Vision eines gerechten und dezentralen Energiesystems
  • Forderungen und Maßnahmen an Politik und Wirtschaft, um diese Vision umzusetzen

Wir veranschaulichen, warum das Vorhaben Energiewende nur mit der gerechten Teilhabe von Frauen und marginalisierten Gruppen effizient und in der erforderlichen Geschwindigkeit umgesetzt werden kann. Denn eine erfolgreiche dezentrale Energieversorgung bedarf mehr als technologischer Problemlösungen. Es braucht vor allem auch Akzeptanz und die Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger, um eine sozial-ökologische Transformation hin zu sicheren und nachhaltigen Energietechnologien schnellstmöglich zu erreichen.

Wir wünschen eine spannende Lektüre und freuen uns auf den Austausch!

 

Frauen. Energie. Wende!

Die Publikation wird in Kürze auf den Websites von Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) (https://www.buendnis-buergerenergie.de/) und WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) (https://www.wecf.org/de) zum Download zur Verfügung stehen.

 

Zur Autorin:

Katharina Habersbrunner  engagiert sich national und international für dezentrale Energiesysteme und nachhaltige Geschäftsmodelle. Als Bereichsleiterin für Klima und Energie bei WECF (Women Engage for a Common Future) setzt sie sozial- und geschlechter-gerechte Klima- und Energieprojekte in Afrika, Zentralasien und Osteuropa um. Diese Projekte werden jeweils als nachhaltige und skalierbare Klimalösungen bei den UN-Klimakonferenzen vorgestellt.  

Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied von der Energiegenossenschaft BENG eG und von Bündnis Bürgerenergie BBEn e.V. setzt sie konkrete erneuerbare Energieprojekte in Deutschland um und engagiert sich für politische Rahmenbedingungen für eine dezentrale Bürgerenergiewende.  

Katharina hat Mathematik (Diplom) und Pädagogik/Psychologie (M.A.) studiert und einen Master (MBA) in Nachhaltigkeitsmanagement.