Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover (BGR) untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium. Kürzlich wurde aufgedeckt, dass sie in einer Studie aus dem Jahre 2004 mit grob falschen Zahlen eine Infraschall-Belastung durch Windräder behauptet hatte. Die Zahlen lagen um den Faktor 1000 zu hoch. Windkraftgegner beriefen sich seitdem auf diese Studie, um gegen diese saubere Technik Front zu machen. Sie werden es auch nach der jetzigen Rücknahme der Studie durch die BGR weiter tun, denn im Internet hält sich bekanntlich jeder Unsinn unbegrenzt. „Die Welt“ geht sogar einen Schritt weiter und lässt einen Herzchirurgen argumentieren, nach diesem Skandal müsse der Infraschall aus Windkraftanlagen als noch viel gefährlicher betrachtet werden, denn nunmehr hätte ja wesentlich geringerer Schalldruck die vermeintlichen physiologischen Probleme bei Menschen hervorgerufen. Der Mediziner beruft sich auf eine eigene Studie im Jahr 2020, bei der er Zellgewebe von 18 Probanden Infraschall ausgesetzt hatte. 

Sorgfältigere und umfangreichere Studien – z.B. eine 2020 veröffentlichte Langzeitstudie des technischen Forschungszentrums Finnland (VTT) – legen jedoch nahe, dass es sich bei den angeblichen Infraschall-Folgen um sogenannte „Nocebo-Effekte“ handele, also um die Folgen von Autosuggestion. Da der Infraschall z.B. in einem fahrenden PKW tatsächlich in etwa so hoch ist wie von der BGR-Studie für den Nahbereich um Windräder fälschlich behauptet, verwundert es ja auch sehr, dass im Auto die beklagten Gesundheitsfolgen offenbar nicht auftreten.

In seinem jüngsten Blog-Beitrag analysiert Hans-Josef Fell die Funktionsweise der BGR, die nicht nur in diesem Fall die Interessen der Gegner einer Energiewende bedient. Fell weist nach, dass die Anstalt letztlich von der Energie-, Chemie- und Stahlindustrie finanziert wird und dementsprechend systematisch industriefreundliche Expertise hervorbringt. Wir empfehlen Fells Beitrag ausdrücklich zur Lektüre. 

Ohne die jetzigen Zusammenhänge zu kennen, hatten wir bereits 2014 die damalige „Energiestudie“ der BGR kritisiert, die als Handreichung für politisches Handeln auf Regierungsebene dazu beitrug, die Energiewende auszubremsen. Wir lassen unseren damaligen Text hier folgen, um zu zeigen, dass der Handlungsbedarf gegen diese Bundesanstalt schon lange bekannt ist. Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat diese Notwendigkeit ebenso wenig anerkannt wie bis zur Stunde sein heutiger Nachfolger, Peter Altmaier.

 

Unser Text von 2014:

Klimawandel? Nie gehört!

Skandalöse neue Studie der „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“


Die "„Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“" (BGR) hat am 10. Dezember eine „Energiestudie“ vorgelegt, mit der sie massiv in die laufenden Debatten um die Energiewende eingreift. Die Presseerklärung, mit der die Studie vorgestellt wird, trägt den Titel: „"Erdöl bleibt weltweit der wichtigste Energielieferant“". Tatsächlich ist es das Anliegen dieser Intervention, die Verwendung von fossilen und atomaren Energieträgern für die künftige Energieversorgung Deutschlands als alternativlos darzustellen.

Daher wird im Tonfall reiner Faktizität behauptet: „"Deutschland wird auch im Zeichen der Energiewende noch für viele Jahre auf fossile Energierohstoffe angewiesen sein."“ Diese Behauptung wird kurzschlüssig aus der Analyse abgeleitet, dass noch beträchtliche fossile Energieträger in der Erde vorhanden seien.

In Wahrheit muss aber die künftige Energieversorgung politisch entschieden werden – und zwar nicht so sehr von Geowissenschaftlern, sondern in einer Abwägung klimatologischer, ökologischer, ingenieurwissenschaftlicher, politischer und sozialer Argumente. Die Zielrichtung der BGR-Studie ist dabei in skandalöser Weise unverantwortlich. Erste Aufgabe aller Energiepolitik muss heute sein, zur Begrenzung des Klimawandels beizutragen. Dafür müssen, wie die Klimaschutzorganisation 350.org argumentiert, eben 80% der fossilen Rohstoffe in der Erde bleiben. Das argumentlose Schwadronieren der BGR über angebliche Alternativlosigkeit eines forcierten CO2-Ausstoßes ist daher äußerst schädlich.

Die Presseerklärung der BGR lässt auch im Detail Fragen an der Seriosität ihrer Autoren aufkommen. Erstaunlich ist z.B., dass die BGR ausführt, die Versorgung mit Erdgas wie auch mit Kohle sei noch für „"viele Jahrzehnte“" gewährleistet, weil sie weltweit „"aus geologischer Sicht noch in sehr großen Mengen"“ vorhanden seien. Wir hätten bislang gedacht, dass die „geologische Sicht“ eher Jahrmillionen als Jahrzehnte zu umfassen gewohnt sei. Angesichts einer Reichweite der Reserven, die in Jahrzehnten zu messen ist, muss man jedoch kein Geo-Wissenschaftler sein, um auch aus diesem Blickwinkel den dringenden Handlungsbedarf zu erkennen, den die BGR gerade leugnet.

Zur Atomenergie sagt die Presseerklärung lapidar: "„Eine Mehrheit der Staaten verfolgt die zivile Nutzung der Kernenergie."“ Faktencheck: Der Wikipedia-Artikel „"Kernenergie nach Ländern“" besagt, dass derzeit 31 Staaten Atomkraftwerke betreiben. Weitere neun –– darunter Weißrussland, Nordkorea und Iran –– betreiben einen Einstieg in diese gefährliche Technologie. Das ist schlimm genug –– aber wie die BGR daraus eine "„Mehrheit der Staaten“" konstruieren kann, bleibt ihr Geheimnis. Der UNO gehören derzeit 193 Staaten an; nach unserer Rechnung würde die Mehrheit davon nicht bei 40, sondern bei 97 Staaten liegen. Anstatt mit herbeifantasierten Quantifizierungen Atompropaganda zu betreiben, würde man sich von einer geologischen Bundesanstalt konstruktive Lösungen zur Frage der Endlagerung von Atommüll wünschen. Und solange die BGR solche Vorschläge nicht hat, vielleicht eine Empfehlung, auf die fortgesetzte Produktion dieses strahlenden Mülls zu verzichten.

Eine Bundesanstalt, die unsere Steuergelder dafür verwendet, Propaganda gegen die Energiewende zu machen, hat ihre Aufgabe verfehlt. Hier besteht politischer Handlungsbedarf. Zu erwarten sind Konsequenzen aus diesem Skandal aber nicht –– der Dienstherr der BGR ist der Bundeswirtschaftsminister, dessen Hang zu fossilen Energien ja bekannt genug ist: Sigmar Gabriel.