Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung liest man:

"Unser Ziel für den Ausbau der Photovoltaik (PV) sind ca. 200 GW bis 2030. Dazu beseitigen wir alle Hemmnisse, u. a. werden wir Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigen, Vergütungssätze anpassen, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel prüfen. Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV werden wir stärken und die Ko-Nutzung ermöglichen" [1]

Das klingt gut. Wir freuen uns, dass die neue Bundesregierung beabsichtigt, alle Hemmnisse für den Ausbau der Photovoltaik zu beseitigen. Sie spricht damit einer ganzen Branche und tausenden Solarfreund:innen aus dem Herzen, die seit mehr als drei Legislatur-Perioden mit dem einst erfolgreichen Erneuerbaren-Energien-Gesetz nichts anderes mehr als "Bürokratie, Ärger und Invest-Bremse" assoziieren. Der im Koalitionspapier erwähnte Hemmnis-Abbau durch Beschleunigung der Netzanschlüsse und Zertifizierungen erfasst tatsächlich nur einen geringen Bruchteil auf der To-Do-Liste. Die Bürokratie beginnt bereits bei der Planung der Anlage mit dem Antrag auf Genehmigung beim Netzbetreiber; sie setzt sich mit Restriktionen und Einschränkungen der Förderfähigkeit der Anlage in unzähligen Ausnahmen und Ausbaugrenzen fort, bringt Ärgernisse bei der Registrierung der Anlage und Abrechnung der Stromerträge, definiert Pönalen bei Nichteinhaltung von Meldepflichten und findet ihren Höhepunkt bei der Anwendung der EEG-Umlagepflichten beim Mieterstrom und Bürgerenergiegemeinschaften. Mit Sicherheit haben auch wir in dieser knappen Auszählung nur einen kleinen Ausschnitt der Problemfelder umrissen. Und die Probleme machen auch vor anderen Bundes- und Landesgesetzgebungen nicht halt - ob nun vor dem allgemeinen Energiewirtschaftsrecht, dem Steuer- und Baurecht, den Rechtsregeln zum Denkmal- und Brandschutz oder- man glaubt es kaum - dem Renten- und Sozialrecht. Wir sind sehr gespannt, wie umfassend die Ampelkoalition hier aufräumen wird, um den "Ausbau der Erneuerbaren Energien"  - so wie versprochen - "drastisch zu beschleunigen".

Ein wichtiges Hemmnis ist im Koalitionspapier aber dennoch erwähnt: die geringen Vergütungssätze. Hier muss man zwingend ran! Auch das Öko-Institut Freiburg hat in dem neuen Oktober-Gutachten “Wirtschaftlichkeit von Photovoltaik-Dachanlagen” im Ansatz bestätigt, was der SFV schon seit längerem deutlich machen: Die aktuellen Vergütungssätze gefährden den Ausbau der PV, da die Wirtschaftlichkeit der Anlagen nicht mehr gegeben ist. Denn um Investitionen anzukurbeln, hilft der Bürokratieabbau nur bedingt. Selbst unter Einbeziehung des geldwerten Vorteils der Eigenversorgung kann die Wirtschaftlichkeit bei Neuanlagen schon lange nicht mehr gewährleistet werden. Das Öko-Institut ging in seinen Berechnungen konservativ davon aus, dass Anlagen in der Mitte des nächsten Jahres nicht mehr wirtschaftlich wären, und ließ dabei die jährlichen Betriebskosten der Anlagen unbeachtet. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Vergütung je nach Anlagenklasse zwingend um 4,1 - 5,6 Ct/kWh angehoben werden müsste. 

 

Unser Diskussionsvorschlag

 

Der SFV fordert schon seit vielen Jahren eine gewinnbringende Einspeisevergütung. Bei der Vergütungsberechnung sollten 

(1) die gesamten Kosten (inklusive jährlicher Pauschalen für die Zählerkosten, Versicherung, Wartungskosten, Verwaltungskosten bei Mieterstrom) einbezogen werden,  

sowie

(2) eine angemessene Rendite gewährt werden. Der frühere Ansatz, die Rendite für EE-Anlagen nach dem Zinsen umlaufender Wertpapiere in Deutschland zu bemessen, läuft seit vielen Jahren leer, da mittlerweile schon Negativzinsen angesetzt werden. Für die dringliche Energiewende ist es wesentlich, das Kapital kraftvoll in EE-Investitionen zu lenken. Neue Ansätze zur Festlegung der Rendite könnten sich deshalb an dem Eigenkapitalzinssatz anlehnen, der von der BNetzA für Gas- und Stromnetzbetreiber bei Neuanlagen genehmigt wird. Aktuell sind das 5,07 Prozent vor Körperschaftsteuer.

Im Ergebnis dieser Überlegungen gehen wir pauschal davon aus, dass die PV-Vergütung einmalig angehoben und für Anlagen bis 10 kW bei mindestens 15 Ct/kWh starten (also im Vergleich zu heute ungefähr verdoppelt) sollte. Der Betrieb muss sich auch ohne Eigenverbrauch-Option lohnen, damit die Dächer endlich voll gemacht und jede solar geeignete Fläche für Investor:innen interessant wird. Auch Fassadenflächen und solare Überdachungen von Plätzen und Straßen müssen lohnenswert sein. 

Statt einem atmenden Deckel beim PV-Ausbau braucht es eine atmende Hebebühne. Um die Investitionsplanungen sicher zu begleiten, könnte man eine jährliche Basisdegression festlegen, damit der Kostenrückgang bei PV abgefangen wird. Und wenn der zwingende Zielzubau für 100% Erneuerbare Energien bis 2030 nicht erreicht wird, müssen die Vergütungssätze weiter erhöht werden oder die Degression pausieren.

Darüber hinaus darf es keine Denkverbote geben. So nutzte die Strompreisaufsicht NRW in den 90iger Jahren die 20-jährigen Garantiezeiten der Solarmodulhersteller als Eckwerte für die Berechnung der kostendeckenden Vergütung. Diese Berechnungsgrundlagen wurden in das EEG und die Steuergesetzgebung übertragen. Seitdem hat sich aber im Bereich der Technik einiges verändert. Schon länger geht man davon aus, dass die Leistungsfähigkeit der Module deutlich länger gegeben ist. Die Ü20-Anlagen zeigen, dass die Solartechnik langlebig und robust ist und Betreiber:innen ein gesteigertes Interesse haben, die PV-Anlagen möglichst lange weiterzubetreiben. Aber auch Hersteller sichern bereits Garantien für 30 Jahre zu. Es gibt also einen Anlass, über die lange Vergütungszeit zu diskutieren. Würde man Investoren innerhalb kürzerer Zeiträume (z.B. 10 Jahre) hinreichend hohe Vergütungsanreize anbieten, könnte das in Zeiten von Minuszinsen einen deutlichen Investitionsschub für PV bringen. Wir sollten alle Möglichkeiten prüfen, um den Ausbau drastisch zu beschleunigen. Die Klimakrise verlangt entschlossenes Handeln.

Wie weit die Ampelkoalition hier mitgehen kann, wird sich zeigen. Im Koalitionspapier liest man bisher nur von einem Ausbauziel von "200 GW Photovoltaik bis 2030". Das ist aus unserer Sicht wenig ambitioniert. Die neue Bundesregierung muss viel mehr als nur die Ausbaudeckel "überprüfen". Sie müssen abgeschafft werden! Bis 2030 benötigen wir für eine vollständige Energiewende mindestens die 10fache PV-Leistung von heute. Das ist zu schaffen - aber nur mit einem deutlichen Rückenwind von der Politik.