Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung – eine Mogelpackung
Der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) kritisiert die neue Kraftwerksstrategie der Bundesregierung. Dieses Konzept zementiere die Abhängigkeit von Importen fossiler Brennstoffe und trage weiter zur menschengemachten Erderhitzung bei. “Die Bundesregierung reißt ein Klimaziel nach dem anderen”, kommentiert die SFV-Geschäftsführerin Susanne Jung, "weiterhin in großem Stil in neue Fossilkraftwerke zu investieren, kann nicht die Lösung sein.”
Im Einzelnen argumentiert der SFV:
1. Unmittelbar nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Anfang 2022 legte sich die Bundesregierung darauf fest, die drohende Energiekrise durch Erdgas-Importe abzuwenden. Lieferverträge bis weit in die 40er Jahre wurden mit fragwürdigen Partnerländern abgeschlossen. Umweltfreundliche Alternativen (z.B. ein Notprogramm zur Errichtung von Windkraftanlagen an Land) wurden nicht ernsthaft erörtert. Nun sollen die Kraftwerke gebaut und mit beträchtlichen Steuermitteln subventioniert werden, die diese Mengen des Fossil-Brennstoffs verfeuern müssen.
2. Die Bundesregierung spricht davon, die neuen Kraftwerke sollten „H2-ready“ ausgelegt werden und “ab 2035 bis 2040“ auf die Verbrennung von grünem (oder auch andersfarbigem) Wasserstoff umgestellt werden. Diese Annahme ist, auch abgesehen von den Erdgas-Lieferverträgen, sehr gewagt. Um die benötigten Mengen an Wasserstoff herzustellen, wird ein Vielfaches an Energie eingesetzt werden müssen – überwiegend wiederum in Ländern, die nicht unbedingt Versorgungssicherheit garantieren. Und selbst wenn die Erzeugungsanlagen in weniger als zehn Jahren errichtet werden könnten, wäre dies eine besonders teure und ineffiziente Lösung.
3. Die Technik der Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) soll nach dem Willen der Bundesregierung nun auch bei der Stromerzeugung angewendet werden. Kritiker dieser Technik finden sich bestätigt, dass CCS als Rechtfertigung dafür dienen soll, weiter fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen: Die Büchse der Pandora ist geöffnet.
4. Die „Technologieoffenheit“ lässt die Bundesregierung nun auch von der Kernfusion schwärmen: Diese Technologie sei eine „riesige Chance für Klima, Energie, Wachstum“. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine riesige Mittelverschwendung. Denn das Klima muss heute geschützt werden; dafür taugt keine Technologie, die bestenfalls in 30 Jahren, womöglich aber nie einsatzfähig sein wird. – Diese ganze Fokussierung auf Erdgas, CCS und Kernfusion zeigt, auf welche Akteure die Bundesregierung setzt: auf die Energiekonzerne, deren bisheriges Geschäftsmodell uns die Probleme beschert hat, mit denen wir jetzt zu kämpfen haben. Alle diese “Lösungen” verschlingen Unsummen an Steuergeldern, die für den Ausbau von Erneuerbaren Energien und Speicherkapazitäten dann fehlen.
5. Die Bundesregierung blendet aus, dass es bessere Alternativen gibt. Die sogenannte Dunkelflaute, die bei einer Stromversorgung durch Sonne und Wind zu einem Versorgungsproblem führen könnte, ließe sich ohne Weiteres durch ein ambitioniertes Stromspeicherprogramm vermeiden, das den Schwerpunkt auf Batterie-Systeme legt. Dies wurde in verschiedenen Studien durchgerechnet. Als Beispiel sei die 2021 von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin vorgelegte Studie „Solarstromausbau für den Klimaschutz“ genannt. Durch die Regionalisierung eines solchen Systems, das auch das bidirektionale Laden von Auto-Batterien einbeziehen sollte, könnte eine viel resilientere Stromversorgung gewährleistet werden als durch neue Großkraftwerke.
6. Der von der Bundesregierung nun angedachte Kapazitätsmarkt wird auch bei einer solchen klimaschonenden Lösung benötigt werden. Er sollte so konzipiert werden, dass netzdienliche Speicher besonders unterstützt werden. Flankierend könnte auch ein Markt für industrielles „Demand-Side-Management“ etabliert werden, wonach energieintensive Anlagen Geld für die netzdienliche Leistung erhalten, im Falle einer Dunkelflaute nicht zu produzieren. Von solchen oder anderen Flexibilitätsoptionen ist im jetzigen Papier der Bundesregierung aber überhaupt keine Rede mehr.
Titelbild: Gerd Altmann (via Pixabay)