Denkmalschutz: Solaranlagen bekommen Vorrang
Die Problemstellung
Beim Thema Solaranlagen in denkmalgeschützten Gebäuden herrscht in Deutschland oft Uneinigkeit. Einige argumentieren, dass solch schöne historische Bauwerke frei von moderner Solartechnik bleiben sollten. "Die wenigen Baudenkmäler!", hört man sie sagen. Sie plädieren dafür, alternative Flächen für die Energiewende zu nutzen.
Das Statistische Bundesamt hat für ganz Deutschland nur rund 600.000 Baudenkmäler gemeldet, was etwa 3,5 Prozent des gesamten Gebäudebestandes ausmacht. Die meisten der Denkmalschutzhäuser sind echte Klimaschützer, denn sie sind über 100 Jahre alt. In ihrer Gebäudehülle speichern sie 'graue Energie', die sich im Laufe des Lebens durch Bau und Sanierung aufsummiert hat. Je älter oder langlebiger Gebäude sind, desto schonender wird also mit dieser Energie umgegangen. Nachhaltige Baumaterialien wie Lehm, Holz, Reed und Ton helfen unserer Umwelt. Es ist also wichtig, Baudenkmäler zu erhalten. So können im Vergleich zum Neubau ca. ⅔ Material- und Energieeinsatz gespart werden. Sie sollten sorgsam behandelt werden.
Dass durch die Installation von PV-Anlagen denkmalgeschützte Häuser beschädigt werden, dürfte allerdings der Ausnahmefall sein. Im Gegenteil. Wer in diesen Gebäuden lebt und arbeitet, wird an ihrer Erhaltung interessiert sein. Hier geht es um bessere Energieeffizienz, um Dämmung und die Senkung der Energiekosten. Preiswerter Strom von der Sonne ist da immer ein guter Weg, sofern das Gebäude eine Fläche besitzt, deren solare Nutzung lohnend ist. Gauben, Erker und Schornsteine, schwere Zugänglichkeit sowie alter Baumbestand im Umfeld können Grenzen setzen.
Aber es geht beim Thema Denkmalschutz und Solarenergie nicht nur um historische Bausubstanz. Neben den offiziell registrierten Baudenkmälern gibt es eine große Anzahl von Gebäuden, die selbst nicht als schutzbedürftig eingestuft sind, wohl aber Teil eines Ensembles darstellen. Auch hier sind bauliche Veränderungen – etwa die Installation einer Solaranlage – bisher häufig untersagt. Dabei geht es den Unteren Denkmalschutzbehörden vorrangig um die Bewahrung der Ästhetik und die Erhaltung geschlossener Stadtbilder, insbesondere im Umfeld historischer Stadtkerne, Burgen oder Schlösser.
Solarinvestor:innen stehen seit Jahrzehnten vor der Herausforderung, in diesem Spannungsfeld Lösungen zu finden. Bundesweit einheitliche Herangehensweisen sind Mangelware. Es gibt sie weder in den sechzehn Bundesländern, die jeweils eigene Denkmalschutzgesetze haben, noch in Kommunen mit Baudenkmälern. Lokale Satzungen definieren weiterhin Ausnahmeregelungen, die die Installation von Solaranlagen entweder gänzlich verbieten oder nur unter erheblichen Einschränkungen zulassen.
Die neue Rechtslage
Im EEG 2023 ist erstmals geregelt, dass Solaranlagen bei der Schutzgüterabwägung grundsätzlich ein Vorrang eingeräumt werden muss. “Schutzgüterabwägung” bedeutet, dass bei baurechtlichen Genehmigungen öffentliche und private Belange zueinander in Relation gesetzt und gewichtet werden müssen. Wird bei der Denkmalschutzbehörde der Antrag auf Installation einer PV-Anlage gestellt, so soll der Klimaschutzaspekt also eine ausschlaggebende Rolle spielen. Die Regelungen im EEG 2023 haben folglich dazu geführt, dass in aktuellen Gerichtsentscheidungen zunehmend pro-solar entschieden wird.
So hat das Verwaltungsgericht Braunschweig im Januar 2023 (Az. 2 B 290/22) festgestellt, dass eine Aufdach-PV-Anlage nur einen geringfügigen Eingriff in das Denkmal darstellen würde. Ein nachträglicher Rückbau bei fehlender Genehmigung sei nicht zu rechtfertigen.
Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen folgte im Juni 2023 dieser Entscheidung (1 ME 15/23) und fügte noch hinzu, dass eine Solaranlage grundsätzlich zu genehmigen ist, wenn der Eingriff in das äußere Erscheinungsbild reversibel und geringfügig ist. Es brauche immer eine ergebnisoffene Abwägung zwischen dem öffentlichen und privaten Interesse an der Errichtung zur Nutzung von EE und dem Interesse an der unveränderten Erhaltung des Kulturdenkmals. Dem gesetzgeberischen Ziel des Klimaschutzes müsse allerdings ein erhebliches Gewicht zukommen.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf erweiterte im November 2023 (Az.: 28 K 8865/22) die Pro-Solar-Argumentation und bestand darauf, dass die Untere Denkmalschutzbehörde verpflichtet werden kann, Photovoltaik zu genehmigen. Das sollte selbst für PV-Anlagen gelten, die von der Straße aus sichtbar sind.
Das sind gute Nachrichten für Solarinvestor:innen. In den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer, die wir tabellarisch zusammengestellt haben, finden sich sehr unterschiedliche Herangehensweisen bei Genehmigungen, zunehmend allerdings auch der neue Hinweis, dass das öffentliche Interesse am Klimaschutz als Zielsetzung maßgeblich sei.
Die Bundesländer mit Verpflichtungen zum Klimaschutz, umgesetzt z.B. in Form von solaren Baupflichten, ziehen nach. So gibt es in Sachsen-Anhalt einen jüngsten Runderlass zu Genehmigungen „für die Errichtung von Solaranlagen auf bzw. an einem Kulturdenkmal“. Für Solarinvestitionen in Städten wie z.B. Magdeburg, Naumburg, Quedlinburg oder Lutherstadt Wittenberg gibt dieser Erlass deutlichen Rückenwind.
Integration von Solaranlagen im Denkmal
Die Integration von Solaranlagen in denkmalgeschützte Gebäude stellt zweifellos eine komplexe Herausforderung dar. Es gilt, moderne Energieeffizienzmaßnahmen mit dem Erhalt des historischen Charakters des Gebäudes in Einklang zu bringen. Hier stößt man häufig auf Grenzen. Wenn die ästhetischen Ansprüche der Denkmalschutzbehörde zu einschränkend sind, kann auch widersprochen werden.
Die Sichtbarkeit von Solaranlagen ist in unseren Städten zur Normalität geworden. Solarmodule auf dem Dach bewirken Veränderungen der häufig üblichen roten Ziegel-Landschaft. Aber ist dies problematisch? Die Rechtsprechung jedenfalls verneint es. So wurde bereits 2011 vom Verwaltungsgericht Mannheim festgestellt, dass Solaranlagen zum normalen Erscheinungsbild einer Stadt gehören. Rote Dächer können durchaus auch mal durchbrochen werden, sofern die Einstufung eines besonderen Denkmals als UNESCO-Weltkulturerbe nicht darunter leidet.
Bei sachgemäßer Installation können Solaranlagen zudem reversibel angebracht werden. Das bedeutet, dass das Dach des Bauwerks keinen Schaden nimmt und die Solaranlage nach 20-30 Jahren wieder vom Gebäude entfernt werden kann. Auf diese Weise kann die Integration moderner Technologien in denkmalgeschützte Gebäude möglich sein, ohne den historischen Wert langfristig zu beeinträchtigen.
Wer tiefer in den Geldbeutel greifen möchte, kann Techniken verwenden, die sich nahtlos in die Architektur des Gebäudes einfügen oder fast unsichtbar wirken, beispielsweise durch die Verwendung von integrierten PV-Dachziegeln oder farbigen Solarmodulen. Der Preis dieser farbigen Installationen ist häufig deutlich höher - und das bei gleichzeitig geringerem Solarertrag pro Fläche. Auch der technische Aufwand sollte beachtet werden. Zwar können Solarziegel Investitionen in neue Dacheindeckungen sparen, doch die Verbindung zahlreicher einzelner Ziegel zu einer Gesamtanlage erfordert viele Leitungen und Steckverbindungen. Wenn Sie sich über Vor- und Nachteile informieren möchten, empfehlen wir folgende Internetseiten: Grünes Haus und Energieexperten.
Best Practice teilen
Wir laden Sie herzlich dazu ein, Ihre Erfahrungen mit der Photovoltaikanlage im denkmal- oder ensemblegeschützten Gebäude mit uns zu teilen. Wir wollen so eine Sammlung von inspirierenden Beispielen schaffen, wie moderne Solartechnologie mit historischer Bausubstanz verbunden werden kann.
Wenn Sie bereits an einem Projekt gearbeitet haben, bei dem PV-Anlagen erfolgreich in denkmalgeschützte Gebäude umgesetzt wurden, bitten wir Sie, uns Ihre Fotos und ggf eine kurze Beschreibung des Projekts zuzusenden. Ihre Einsendungen können anderen Fachleuten und Gemeinden als wertvolle Referenz dienen, um ähnliche Herausforderungen zu bewältigen. Wir möchten hier weiter am Ball bleiben und werden die besten Fotos veröffentlichen.
Titelfoto: Renate Gerstberger