Laut dem Weltklimarat (IPCC) reicht die alleinige Emissionsvermeidung nicht mehr aus, um die Erderwärmung auf maximal 2°C zu begrenzen. Um Klimaneutralität zu erreichen, sind daher neben 100 % Erneuerbaren Energien für Strom, Wärme und Verkehr auch gezielte Emissionsminderungen durch Energieeinsparung sowie eine Abscheidung und Speicherung von CO₂ aus der Atmosphäre erforderlich. Die Rückholung und Speicherung von CO₂ ist somit ein wichtiger Baustein im Klimaschutz, jedoch mit einer entscheidenden Voraussetzung: Sie darf nicht als Vorwand dienen, um an fossilen Strukturen festzuhalten. Ein genauer Blick auf die verschiedenen Verfahren zeigt: Nicht jede Technologie dient dem Klimaschutz im gleichen Maße.

CCS: Lösung oder Alibi?

CCS (Carbon Capture and Storage) ist ein Sammelbegriff für Technologien, mit denen Kohlenstoff “eingefangen” und gespeichert wird. Für die Bewertung dieser einzelnen Methoden ist entscheidend: Woher kommt der Kohlenstoff - aus vermeidbaren oder unvermeidbaren Emissionen? Und wie wird er gespeichert - gasförmig oder in fester Form?

Zur Speicherung von hochkonzentriertem CO₂ werden erschöpfte Gaslagerstätten, saline Aquifere oder der Meeresuntergrund diskutiert. Hier soll das CO₂ in tiefliegende Gesteinsschichten verpresst werden. Um Leckagen zu verhindern, braucht es eine zuverlässige Überwachung mit geeigneten Monitoring-Technologien. Diese Systeme sind derzeit nur sehr unzureichend entwickelt. Eine verlässliche Überwachung sollte jedoch zwingende Voraussetzung für diese Speicherform sein. Feste Speicherformen dagegen gelten als dauerhafter und sicherer, da dieser Kohlenstoff nicht flüchtig ist.

Doch nicht nur die Speicherform, auch der Ort der Abscheidung entscheidet darüber, wie sinnvoll die Kohlenstoffabscheidung und Speicherung ist. Wird die Abscheidung und Speicherung von CO₂ direkt an Industrieanlagen umgesetzt, wird meist auch pauschal von CCS gesprochen. So auch im jüngsten Koalitionsvertrag von Union und SPD [1]. Gemeint ist dabei das Einfangen des CO₂ am Schornstein, noch bevor es in die Atmosphäre gelangt. Zwar lassen sich so neue Emissionen verhindern, doch wird dadurch keine aktive CO₂-Rückholung betrieben. Dieser Ansatz greift somit zu kurz, ist aber bei unvermeidlichen Emissionen (z.B. in der Zementindustrie) sinnvoll. Bei vermeidbaren Emissionen hingegen wird CCS oft als Feigenblatt verwendet, um echte Dekarbonisierung zu verzögern. Schwer wiegt zudem die bereits erwähnte Frage: Wohin mit dem hochkonzentrierten CO₂?

Daneben steht der Ansatz, der unter dem Begriff “CDR” (Carbon Dioxide Removal) oder auch „NET“ (Negative Emissions Technologies) zusammengefasst wird. Auch hier wird CO₂ abgeschieden und gespeichert. Dort geht es jedoch um den aktiven Entzug des Kohlenstoffs, der sich in den vergangenen Jahren in der Atmosphäre angesammelt hat. Der Einsatz dieser CDR-Technologien ist laut Weltklimarat (IPCC) unverzichtbar, um die Erderwärmung auf maximal 2°C zu begrenzen. Welche CDR-Methoden diskutiert werden und welches Potenzial sie haben, schauen wir uns im nächsten Abschnitt etwas genauer an.

 

CDR: Potenziale, Herausforderungen und Technologien

Wie viel CO₂ können wir wie schnell aus der Atmosphäre entnehmen? Was wird es kosten? Wie viel Energie muss dafür eingesetzt werden? Welche Umweltauswirkungen sind zu erwarten? Diese zentralen Fragen sind bislang nur unzureichend geklärt. Die Wissenschaft gibt derzeit grobe Einschätzungen ab, doch bleiben viele Unsicherheiten offen und es besteht ein erheblicher Forschungsbedarf [2]. Heute schon absehbar ist jedoch, dass keine einzelne Technologie die global erforderliche CO₂-Menge in Höhe von 800 Milliarden Tonnen bis 2100 [3] allein bewältigen kann - bedingt durch Limitierungen in der Flächenverfügbarkeit und bei geologischen Speichern. [4] Daher braucht es ein Portfolio aus verschiedenen Technologien. Ebenfalls klar ist, dass die CO₂-Rückholung mit erheblichen Kosten, einem nennenswerten Energiebedarf und dem Aufbau einer geeigneten Infrastruktur verbunden ist. Die Marktreife von Rückholungs-Technologien variiert erheblich: Während einige, wie die Herstellung von Pflanzenkohle (Reifegrad TRL8+) [4], bereits in der Massenproduktion sind, befinden sich andere, etwa die direkte CO₂-Abscheidung aus der Luft (Direct Air Capture), noch in der Entwicklungs- oder Pilotphase (Reifegrad TRL7) [6] - sind also noch Zukunftsmusik. Folgende Methoden werden primär diskutiert:

© Glen Peters [3] | Abb 1 – Für ein 1,5°C-kompatibles Szenario braucht es sowohl eine drastische Emissionsreduktion als auch den aktiven Entzug von CO₂ aus der Atmosphäre. 

© IPCC [7] | Abb 2 – Der IPCC schätzt die Kosten und Potenziale verschiedener CO₂- Entnahmeverfahren bis 2050 auf Basis einer systematischen Studienauswertung. Pflanzenkohle und Aufforstung sind bereits bereit für eine Skalierung. 

Natürliche Kohlenstoffsenken

Wälder, Ozeane, Moore und Böden können große Mengen CO₂ binden. Aufforstung und nachhaltige Forstwirtschaft tragen ebenfalls zur Kohlenstoffspeicherung bei. Wiedervernässte Moore bieten ein hohes Rückhaltungspotenzial, indem sie CO₂-Emissionen aus entwässerten Torfböden verhindern. Humusaufbau durch regenerative Landwirtschaft kann Kohlenstoff langfristig im Boden speichern und gleichzeitig die Bodenqualität verbessern. Allerdings reichen natürliche Senken allein nicht aus, um den notwendigen CO₂-Entzug zu gewährleisten​. Ihre Kapazität ist durch die Flächenverfügbarkeit begrenzt, durch Waldbrände und Trockenheit kann der in Senken gespeicherte Kohlenstoff als CO₂ wieder in die Atmosphäre gelangen.

 

Technische Verfahren

Pflanzenkohle oder auch Biochar Carbon Removal (BCR)
Bei diesem Verfahren wird organisches Material unter Sauerstoffausschluss zu u.a. Pflanzenkohle (eng. Biochar) zersetzt – eine feste Form von Kohlenstoff, die CO₂ über Jahrhunderte stabil bindet. Die Methode ist bereits gut im Hunderttausend-Tonnen-Maßstab etabliert [8] und im Vergleich zu anderen CDR-Methoden kosteneffizient. Die Produktionsanlagen können zudem erneuerbare Wärme und Strom bereitstellen. Die Pflanzenkohle hat Zusatznutzen bei landwirtschaftlicher Anwendung. Ihr Potenzial liegt im Milliarden-Tonnen-Bereich und ist von der Verfügbarkeit nachhaltiger Biomasse abhängig. [9] 

© Susanne Jung | Abb 3 – Wälder können CO₂ rückholen, doch ihr Kohlenstoffspeicher ist anfällig für Feuer, Dürren und Schädlinge.

© German Biochar e.V. | Abb 4 – In einer Hand voll Pflanzenkohle sind ungefähr 300g Kohlenstoff dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen und gespeichert.                  

© Maksim Shutov | Abb 5 – Moore, die wassergesättigt sind, speichern Kohlenstoff dauerhaft ein. Trockengelegte Moore werden zu erheblichen CO₂- und Lachgas-Quellen.

Direkte CO₂-Abscheidung aus der Luft (DACCS)
Mit chemischen Verfahren wird CO₂ direkt aus der Umgebungsluft gefiltert und unterirdisch gespeichert. Dazu wird das komprimierte CO₂ in Gesteinsschichten gepresst. Diskutierte Speicherorte sind ausgebeutete Gas- oder Erdöllagerstätten, salzwasserführende Grundwasserschichten oder der Meeresgrund. Die Technologie gilt als vielversprechend, ist jedoch teuer und energieintensiv. Um DACCS CO₂-neutral zu betreiben, würden große Mengen erneuerbaren Stroms benötigt. Zudem entstehen Ewigkeitskosten durch die Überwachung der Speicherorte im Hinblick auf Leckagen. Die Technologie befindet sich im Anfangsstadium und es besteht erheblicher Forschungsbedarf . Bis zur Marktreife ist mit einigen Jahrzehnten zu rechnen, auch um Risiken für Gesundheit und Umwelt (z.B. lokale Erdbeben, Verunreinigung des Grundwassers, Austreten von CO₂) auszuschließen.

 

Bioenergie mit CO₂-Abscheidung & Speicherung (BECCS)
Biomasse wird zur Energiegewinnung verbrannt, wobei das entstehende CO₂ abgeschieden und dauerhaft gespeichert wird. Diese Technik kann negative Emissionen erzeugen, benötigt aber große Anbauflächen​. Somit ist das Rückhol-Potenzial durch die Verfügbarkeit nachhaltiger Biomasse limitiert. In Bezug auf die geologische Speicherung gelten die gleichen Aspekte wie bei DACCS.

 

Beschleunigte Gesteinsverwitterung
Mineralien werden zu einem feinen Gesteinsmehl zermahlen, das auf Böden und in Ozeane ausgebracht wird. Dort reagiert es mit atmosphärischem CO₂, das im Regenwasser gelöst ist und bindet den Kohlenstoff in stabilen Mineralverbindungen. Dieses Verfahren hat großes Potenzial, erfordert jedoch hohe Energiemengen für Abbau, Transport und Verarbeitung der Gesteine​.
 

Fazit

Die Rückholung und Speicherung von CO₂ ist ein unverzichtbarer Baustein im Klimaschutz. Doch ein genauer Blick auf die zentralen Fragen ist entscheidend: Woher kommt der Kohlenstoff und wie wird er gespeichert?

CCS (von Emissionen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern) als Strategie zur Emissionsvermeidung greift zu kurz, da es lediglich die zusätzlichen Emissionen reduziert, ohne die bestehenden fossilen Strukturen in Frage zu stellen. Hinzu kommt die bislang unzureichend geklärte Frage, wo und wie das eingefangene gasförmige CO₂ dauerhaft und sicher gespeichert werden kann und wer die zugehörigen Ewigkeitskosten tragen wird.

Die Entwicklung von CDR-Technologien zum direkten Entzug von atmosphärischem CO₂  bietet jedoch langfristig eine große Chance zur Stabilisierung des Klimas. CDR wird Emissionsminderungen jedoch nicht ersetzen, sondern ist eine notwendige Ergänzung. Hinzu kommt, dass Einsatz von CO₂-Rückholungstechnologien sehr teuer ist und viel Energie benötigt wird.

Die natürlichen Senken als auch die bereits erprobten Methoden wie Aufforstung und Pflanzenkohle sollten sofort ausgebaut werden. Neue Technologien wie DACCS stecken noch in den Kinderschuhen und werden vermutlich Jahrzehnte [10] brauchen, bis sie sich als sicheres Serienprodukt etabliert haben. Hier braucht es intensive Forschung, denn ohne den parallelen Ausbau von einem sinnvollen Mix an CO₂-Rückholung rückt die Einhaltung des 2-Grad-Ziels in weite Ferne.


 

 

Quellen

[1] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag2025_bf.pdf

[2] https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Nationale_Empfehlungen/2022_ESYS_KurzErkl%C3%A4rt_Neg.Emissionen.pdf?utm_source=chatgpt.com

[3] https://www.linkedin.com/pulse/stylised-pathways-well-below-2c-glen-peters

[4] https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ad456d

[5] https://www.ifls.de/fileadmin/user_upload/Pflanzenkohle_Bericht_IfLS_Rentenbank.pdf

[6] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/er.7203

[7] de Coninck, H., A. Revi, M. Babiker, P. Bertoldi, M. Buckeridge, A. Cartwright, W. Dong, J. Ford, S. Fuss, J.-C. Hourcade, D. Ley, R. Mechler, P. Newman, A. Revokatova, S. Schultz, L. Steg, and T. Sugiyama, 2018: Strengthening and Implementing the Global Response. In: Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, H.-O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P.R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J.B.R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M.I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, and T. Waterfield (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA, pp. 313-444, doi:10.1017/9781009157940.006. 

[8] https://www.biochareurope.eu/

[9] https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aabb0e

[10] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4184163