Die Bundesregierung hat am 4. März Revision gegen ein wichtiges Klimaurteil eingelegt. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 30. November 2023 verpflichtete sie, sich an das geltende Klimaschutzgesetz zu halten. Der Regierung ist das zu viel Klimaschutz; sie möchte bremsen. Das ist ein Skandal.

Das derzeit geltende Klimaschutzgesetz (KSG) legt in § 8 (1) eine Maßnahme fest, die bei Nichteinhaltung der Emissions-Reduktionsziele durchgeführt werden muss:

„Weisen die Emissionsdaten […]  eine Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor in einem Berichtsjahr aus, so legt das […] zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage der Bewertung der Emissionsdaten durch den Expertenrat für Klimafragen […] ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vor, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.“

Das Bundesverkehrsministerium hat 2021 die gesetzlich vorgeschriebene Emissions-Obergrenze in seinem Bereich um 2 Millionen Tonnen überstiegen. Minister Volker Wissing (FDP) legte daraufhin im Juli 2022 das vorgeschriebene „Sofortprogramm“ vor. Dieses enthielt nur halbherzige Maßnahmen, u.a. weil Wissing bekanntlich Emissionsminderungen durch Geschwindigkeitsbegrenzungen in jedem Fall verhindern möchte, ebenso auch die Abschaffung von Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg. Er sagte jedoch, mit den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, zur Fahrrad- und ÖPNV-Infrastruktur werde die Schließung der Lücke "sicher" erreicht, "ohne die Bedürfnisse der Bevölkerung einzuschränken".

Wissings Programm wurde in der Öffentlichkeit als unzureichend, ja: als „Arbeitsverweigerung“ wahrgenommen. Der laut KSG zuständige Expertenrat urteilte, das Programm sei "schon im Ansatz ohne hinreichenden Anspruch". Tatsächlich zeigten dann die Sektor-Emissionszahlen für 2022, dass die im KSG vorgeschriebene Obergrenze um diesmal 9 Millionen Tonnen CO2 überschritten worden war.

Daraufhin hat das Verkehrsministerium die Arbeitsverweigerung formalisiert: 2023 wurde gar kein Sofortprogramm mehr vorgelegt. Die Bundesregierung hatte bereits 2022 die von den betroffenen Ministerien vorgelegten Sofortprogramme nicht beschlossen, wie das KSG es verlangte, sondern ein sektorübergreifendes „Klimaschutzprogramm 2023“ vorgelegt, das die Einzel-Ressorts aus der Verantwortung entließ und längere Zeiträume für die Nachbesserung einführte. Die Regierung erklärte auch, dass sie das KSG in diesem Sinne verändern, also abschwächen wolle. Gegen die Missachtung des – immerhin ja noch geltenden – KSG klagten der BUND und die Deutsche Umwelthilfe. Sie bekamen am 30. November 2023 beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg Recht.

Es ist schon bemerkenswert, dass das OVG urteilen muss, dass sich die Bundesregierung an ein bestehendes Gesetz zu halten hat. Noch bemerkenswerter ist, dass die Regierung auch dieses Urteil nicht zum Anlass nimmt, das Gesetz einzuhalten. Wir haben über das Portal „FragDenStaat“ beim Verkehrsministerium angefragt, wann mit dem entsprechenden Programm zu rechnen sei. Das Ministerium antwortete am 29. Dezember, dazu lägen „keine amtlichen Informationen“ vor. Anfang März 2024 legte die Ampel-Regierung zum Entsetzen der Klimabewegung Revision gegen das OVG-Urteil ein. Remo Klinger, Anwalt der Deutschen Umwelthilfe, wies daraufhin auf einen simplen juristischen Grundsatz hin: "Die Einlegung der Revision bedeutet nicht, dass man von der Befolgung geltenden Rechts entbunden ist."

Auch wir würden uns von der Bundesregierung einen respektvolleren Umgang mit den Gesetzen des eigenen Landes wünschen; vor allem wenn es sich um Fragen von so existenzieller globaler Bedeutung und von solcher Dringlichkeit handelt, wie den Klimaschutz.