Boulevard-Zeitung lügt für die Klimakatastrophe

Die tragische Flutkatastrophe in Westdeutschland Mitte Juli wird von Klimaforscher*innen überwiegend auf die Abschwächung des nordpolaren Jetstreams zurückgeführt, die zu länger anhaltenden Wetterlagen führt. Der Jetstream umkreist die Erde in stratosphärischen Höhen von West nach Ost. Er wird von den Temperaturunterschieden zwischen den polaren und den äquatorialen Regionen angetrieben. Diese Temperaturunterschiede nehmen ab, weil die Erderwärmung in Polnähe viel stärker ausfällt als andernorts.

Insofern ist der Zusammenhang zwischen der westdeutschen Flutkatastrophe und dem anthropogenen Klimawandel gut abgesichert. Ein Anerkenntnis dieses Zusammenhangs muss politische Konsequenzen nahelegen, insbesondere eine ambitionierte Klimaschutzpolitik. Diese ist aber nicht im Interesse bestimmter wirtschaftlicher Akteure, z.B. der deutschen Kohle- oder Automobilkonzerne – zwei Branchen, die einen guten Draht in die höheren Etagen der Politik und der Medienlandschaft pflegen.

In diesem Zusammenhang ist es zu verstehen, wenn die BILD-Zeitung, das auflagenstärkste tägliche Printmedium Deutschlands, am 17. Juli folgende Schlagzeile über eine ganze Seitenbreite veröffentlichte: „Meteorologen widersprechen Klimawandel-Theorie“. In dem achtspaltigen Text heißt es: „Der Klimawandel als Grund für die Jahrhundertflut – ist diese These überhaupt bewiesen? Nein!“ Und zum Beleg beruft sich das Blatt sodann auf den Meteorologen und Pressesprecher des DWD, Andreas Friedrich:

Diplom-Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bestätigte BILD: ‚Ein solches, regionales Unwetter ist ein Einzelereignis, das ist Wetter. Die Behauptung, der Klimawandel ist schuld, ist so nicht haltbar.

Friedrich habe, so BILD weiter, eine Häufung von Extremwetterereignissen in den vergangenen 20 Jahren konstatiert, dann aber resümiert (mit den Worten der BILD): „Für wissenschaftliche Aussagen über das Klima reiche eine solche Datengrundlage jedoch NICHT.

Diese Einschätzung erschien mir erstaunlich genug, um einmal direkt bei Andreas Friedrich nachzufragen, ob er richtig zitiert worden sei. Friedrich antwortete (ich zitiere mit seiner Genehmigung): „Leider wurde ich in dem Bildartikel selektiv und tendenziös und damit nicht korrekt zitiert.“ Er verwies weiter auf Medien, die ihn korrekter wiedergegeben haben. So äußert er sich in einem Interview mit dem SAT1-Regionalmagazin Rheinland-Pfalz/Hessen:

Auf jeden Fall ist das jetzt schon eine Auswirkung der Klimaerwärmung, die wir spüren. Wir haben seit 20 Jahren diese Starkregenereignisse untersucht mit unseren Radar-Daten, und sie sind schon häufiger geworden, das können wir an den Daten sehen. Und auch die Klimasimulationen der Zukunft weisen darauf hin, dass das Wetter extremer werden wird im Sommer. Das heißt: Entweder haben wir diese Hitzewellen der letzten Jahre, mit Dürre und 40 Grad und mehr, abgewechselt mit diesen Unwettern mit extremen Regenmengen. Auf diese extremen Szenarien müssen wir uns in Zukunft bei dieser Klimaerwärmung, wenn sie weitergeht, verstärkt einstellen.[1]

So spricht der Kronzeuge für die reißerische und zugleich einlullende Schlagzeile der BILD-Zeitung. Wir sind es gewohnt, dass dieses Boulevard-Blatt den Menschen das Wort im Munde umdreht. Hier geschieht dies aber, um in einer existenziellen Frage notwendige Schlussfolgerungen aus einer großen Tragödie zu torpedieren. Hier wird der Boden dafür bereitet, dass die Leserschaft der BILD am 26. September bloß keine Parteien wählt, die das Klimathema wirklich ernst nehmen. Oder gar auf die Straße geht, um den Parteien klimapolitisch Beine zu machen. Diese Zeitung arbeitet per saldo für eine Welt, in der es dann in einigen Jahrzehnten mit Sicherheit auch keine BILD-Zeitung mehr wird geben können. Das ist allerdings nur ein schwacher Trost.


 

[1]             https://www.1730live.de/deutscher-wetterdienst-zur-unwetterlage/

 

 

Hier ein Foto von dem zitierten Beitrag aus der Bild-Zeitung (17.7.2021, S. 6)
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