Solaranlagen auf Freiflächen bieten ein beträchtliches Potenzial für die Energiewende, das unbedingt genutzt werden sollte. Dennoch besteht in der Öffentlichkeit die Sorge um Landnutzungskonflikte – vor allem zur Landwirtschaft. Eine vielsprechende Möglichkeit zur Vermeidung dieses Konflikts stellt das Konzept der Agriphotovoltaik (kurz APV) dar, das die gemeinsame Erschließung von Flächen sowohl für Photovoltaik als auch für die Landwirtschaft ermöglicht. Dieses Konzept steigert die Flächeneffizienz und bietet zudem Synergieeffekte und Möglichkeiten zur Umsetzung von Naturschutzzielen.

Das Potential der Photovoltaik macht Hoffnung für die Zukunft. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien kann gelingen.

Johannes Jung

Die Grafik zur integrierten PV (1) und die folgende Grafik (2) werden mit freundlicher Genehmigung des ISE Freiburg veröffentlicht oder wurden in Anlehnung (3) erstellt.

Potentialberechnungen

 

Im Rahmen meiner Masterarbeit an der Universität Freiburg beschäftigte ich mich mit dem technisch umsetzbaren Potential von APV in der kreisfreien Stadt Freiburg im Breisgau inklusive des umliegenden Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald. 

Die Berechnungen erfolgten auf der Grundlage computergestützter Analysen unter Berücksichtigung der lokalen Landnutzungsklassen und Naturschutzgebiete. Für APV wurden hierfür die Landnutzungsklassen Ackerland, Obstbauflächen, Weingebiete und Weidelandschaften als mögliche Flächenformen für die Doppelnutzung ausgewählt. Tabelle 1 zeigt die jeweiligen Flächengrößen der in Frage kommenden Landnutzungsformen. Dieser Berechnung liegt ein Ausschluss sämtlicher naturschutzfachlicher Flächen zugrunde; zudem wurden alle Flächengrößen kleiner als 0,5 Hektar nicht berücksichtigt, da dort der Aufwand zur Aufstellung von APV als zu hoch angesehen werden kann. Insgesamt stehen in Freiburg deshalb theoretisch knapp 47.000 Hektar Fläche in dem Untersuchungsbereich für die Nutzung von APV zur Verfügung, was ein Potential von 28.500 GWh pro Jahr darstellen würde.

 

Tabelle 1: Flächengrößen der Landnutzungsformen für die Nutzung von APV und deren Potential in Freiburg i. Breisgau

Landnutzungsform

            Fläche in ha      

            Potential von APV      

       in GWh / Jahr   

Ackerland

21.398,33

16.907,28

Weideland

17.056,25

2.929,43

Obstgarten

1.697,51

1.335,80

Weinfelder

6.751,29

5.332,98

Gesamt

46.903,38

26.505,49

Diese Berechnung basiert auf der Annahme, dass sämtliche für APV in Frage kommenden Flächen auch in diesem Sinne genutzt werden würde. Realistische Schätzungen über das realisierbare Potential liegen entweder bei 0,9 % der Gesamtfläche [1]. Noch klarer werden Untersuchungen, wenn weitere Daten zur Ackernutzung und der Feldfrüchte [2] hinzugenommen werden. So könnte je nach Berechnungsweise ein Potential zwischen 300 und 1.800 GWh pro Jahr in Zukunft in der Modellregion realisiert werden. Da der derzeitige jährliche Stromverbrauch der Region Freiburg in etwa 2.200 GWh ist [3], könnte allein mit der Nutzung von Agrarphotovoltaik bei der optimistischen Schätzung nahezu der gesamte Strombedarf gedeckt werden. Doch auch bei einem weniger hohem Potential würde in Verbindung mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie Solaranlagen auf Dächern und Fassaden oder Windkraftanlagen sowie einer Reduktion des zukünftigen Energiebedarfs der Region im Sinne einer Entwicklung zur Klimaneutralität [3] der zukünftige Anteil von APV einen wichtigen und großen Beitrag hin zu einer zu hundert Prozent erneuerbaren Stromproduktion liefern. Gleichzeitig können durch Synergieeffekte positive Auswirkungen wie zum Beispiel geringere Bewässerungsnotwendigkeit in der Landwirtschaft besonders im Sommer entstehen. Aber auch Belange des Naturschutzes können bei APV durch die Aussaat von Wildpflanzen in den Unterflächen unter den Modulreihen realisiert werden. Auch die dezentrale Nutzung des erzeugten Stroms durch lokale Ladestationen für Elektroautos oder den landwirtschaftlichen Maschinen ist denkbar.

Für und Wider

 

Natürlich muss sich das Konzept von Agriphotovoltaik auch Kritikpunkten stellen. So entsteht durch die Photovoltaikmodule eine gewisse Verschattung der Nutzpflanzen, wodurch unter Umständen Ernteverluste zu erwarten sind. Es gibt allerdings auch Nutzpflanzen wie Beispielsweise Kartoffeln, Soja, Salat oder Trauben, die unter einer gewissen Verschattung sogar höhere Erträge zu erwarten haben oder Nutzpflanzen, die nur sehr geringe Ernteverluste unter Verschattungen in Studien aufwiesen2. In der Region Freiburg würden die derzeitigen Flächen aus der ersteren Kategorie schon ausreichend, um das realisierbare Potential in Zukunft liefern zu können. Somit wäre sogar mit einem Anstieg der Erträge zu rechnen, wenn in Zukunft verstärkt auf die Nutzung von APV gesetzt werden würde.

 

Grafik (2) und (3): Infos siehe oben

Ein weiterer Kritikpunkt stellt je nach Konstruktionsform der höhere Materialaufwand durch die Aufständerung der Module in Vergleich zu derzeit realisierten Solarparks auf Offenlandflächen oder denjenigen auf Dächern dar. Dies erhöht die Klimabilanz und könnte bei einer Nutzung von APV im großen Stile der Klimaneutralität eine Zeit lang entgegenwirken. Doch auch hier gibt es bereits verschiedene Ansatzpunkte. Beispielsweise könnte man statt auch behandeltes Holz als Trägerkonstruktion nutzen, wodurch eine gleichzeitige Fixierung von CO2 möglich wäre. So könnte auch dieser Kritikpunkt ausgehebelt werden.

 

Fazit

 

Im Ergebnis meiner Untersuchungen konnte ich nachweisen, dass die Einführung von Agriphotovoltaikanlagen ein enormes Potenzial in der Zukunft bieten kann, das insbesondere in Regionen mit Landknappheit und damit Landnutzungskonflikten relevant wird. Darüber hinaus können Landwirte mit der Nutzung von APV die Möglichkeit erhalten, neue Einkommensquellen zu erschließen, ohne die Produktivität ihres Landes zu verlieren. Dadurch sind sie resilienter gegenüber zukünftigen Folgen des Klimawandels wie Trockenheit im Sommer, Spätfrost oder Extremwetterereignissen. 

Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme schätzt das Potential von APV in Deutschland immerhin auf 1.700 GW peak [4]

Das macht Hoffnung für die Zukunft. Die Umstellung auf Erneuerbare Energien kann gelingen.

 

Weiterführende Informationen sind dem Leitfaden des Fraunhofer ISE über APV [4] zu entnehmen. 

 


Quellen

[1] https://agri-pv.org/

[2] https://blog.innovation4e.de/2016/08/12/agrophotovoltaik-bestehende-loesung-fuer-neue-probleme/

[3] https://www.oeko.de/uploads/oeko/oekodoc/1331/2011-448-de.pdf

[4] https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/APV-Leitfaden.pdf