Bereits seit etlichen Jahren weist der SFV immer wieder darauf hin, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und der CO2-Emissionsrechtehandel (Emission Trading System, ETS) schlecht kompatibel sind*. Er ist dafür regelmäßig scharf kritisiert worden, insbesondere von den Freunden der Erneuerbaren Energien. Jetzt erweist sich, dass der SFV (leider) Recht hatte. Eine neue Studie rechnet vor, wie die Erfolge des EEG vom ETS aufgefressen werden.

Eigentlich ist es ja eine ganz einfache Idee, fast so einleuchtend wie die Idee der Einspeisevergütungen im EEG. Man teile jedem großen Erzeuger von CO2 das Recht zu, CO2 zu erzeugen. Aber nicht in beliebiger Menge, sondern nur etwas weniger als er bisher erzeugt hat. Er hat nun die Wahl, entweder seinen CO2-Ausstoß etwas zu verringern oder die fehlenden Rechte (auch „Zertifikate“ genannt) von anderen CO2-Erzeugern zu kaufen. Diese anderen CO2-Erzeuger werden einen Teil ihrer Zertifikate nur verkaufen, wenn sie dafür einen Preis erzielen können, der höher ist als die Kosten durch eigene CO2-Einsparmaßnahmen. Denn sie haben ja eigentlich auch etwas zu wenig Rechte zugeteilt bekommen, und ohne CO2-Einsparmaßnahmen wäre da nichts zu verkaufen. So denkt natürlich jeder der CO2-Emissionsrechte hat. Letztlich führt das dazu, dass bei irgendwelchen CO2-Erzeugern gerade soviel CO2 eingespart wird, dass die ausgeteilten Rechte ausreichen. Nach einer gewissen Zeit verfallen die CO2-Rechte und eine neue Runde mit neu zugeteilten (oder auch ersteigerten) Zertifikaten beginnt.

In der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 zeigte sich direkt ein erster Schwachpunkt. Es wurden von den europäischen Regierungen zu viele CO2-Rechte zugeteilt. Die Erzeuger hatten kein Problem damit auszukommen, und der Preis für die Zertifikate im europäischen Handel brach lange vor dem Ende der Handelsperiode massiv ein. Anreiz zum CO2-Einsparen entstand dadurch natürlich nicht.

Hier soll es jedoch um einen anderen Schwachpunkt gehen: Das schlechte Zusammenwirken von ETS und EEG. In ihrer Studie** zeigen die Autoren Traber und Kemfert, wie sich das EEG auf emittierte CO2-Mengen sowie auf die Strompreise auswirkt. Betrachtet wird dabei ein europäisches Verbundnetz mit 25 Ländern unter der Annahme, dass ein ETS existiert, durch das europaweit CO2-Emissionsrechte gehandelt werden können. Ein EEG existiert jedoch nur in Deutschland. Die Studie baut ein Modell auf, in das zahlreiche grundlegende Parameter eingehen: Erzeugungskapazitäten einzelner Unternehmen, CO2-Intensitäten verschiedener Erzeugungsarten, Brennstoffpreise, Stromtransportkapazitäten zwischen den Ländern. Außerdem werden die durch das EEG induzierten EE-Strommengen berücksichtigt.
Mit Hilfe des mathematischen Modells untersucht die Studie insbesondere zwei Szenarien:

Szenario 1: Der tatsächliche Stand der Dinge im Jahr 2006.

Szenario 2: Eine Welt ohne EEG-Strom.

Letztlich kann die Wirkung des EEG auf den Strompreis (auf Erzeugerseite, nicht auf Verbraucherseite!) und die erzeugte Menge CO2 beziffert werden.

Hier die wichtigsten Erkenntnisse:

  • In Deutschland werden 16% des CO2 bei den vom ETS betroffenen Unternehmen eingespart, da konventioneller Strom verdrängt wird. Allerdings gehen 5% davon sofort wieder verloren, da die Unternehmen weniger CO2-Rechte benötigen und somit weniger Anreiz zum Vermeiden von CO2-Emissionen haben. Es bleiben innerhalb Deutschlands 11% CO2-Einsparung auf der Erzeugerseite.
  • Bezieht man alle betrachteten Länder in die Rechnung mit ein, dann schrumpft die CO2-Einsparung auf 0,5%. Das liegt daran, dass durch das erhöhte Angebot an CO2-freiem Strom der Preis für CO2-Rechte europaweit sinkt. Der Anreiz CO2 zu sparen entfällt, sodass in anderen Ländern mehr CO2 emittiert wird, als wenn es kein EEG gäbe.
  • Frankreich ist von den Effekten des EEG fast gar nicht betroffen, da es seinen Strom weitgehend durch Atomkraft erzeugt und dafür keine CO2-Rechte benötigt.
  • In der Schweiz sinkt der Strompreis durch billigere CO2-Rechte um 6%, die CO2-Emissionen verändern sich aber aufgrund der hohen Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Stromerzeuger nicht. Mit anderen Worten: Eine Verdrängung von Schweizer Strom findet nicht statt und damit bleiben auch die CO2-Emissionen konstant.
  • Die Reduktion der Preise für CO2-Rechte betrifft alle Länder. Dadurch gehen tendenziell die Strompreise zurück und die CO2-Emissionen steigen.

Die Ergebnisse der Studie sind besonders interessant, da je nach politischem Standpunkt ganz unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen werden können. Die Fragestellung zielt klar in eine bestimmte Richtung: An einer Stelle heißt es ausdrücklich, dass der Fokus der Analyse auf den Auswirkungen des EEG auf die Strompreise und die Emissionen liegt. Das zeigt sich auch in der Wahl der Szenarien. Es werden ausschließlich Szenarien untersucht, in denen es ein ETS gibt und probeweise wird das EEG entfernt. Szenarien mit EEG aber ohne ETS bleiben außen vor.

Dennoch kann man den Spieß auch umdrehen, denn die Autoren beschreiben sehr genau die zugrunde liegenden Mechanismen. Ergebnis: Das EEG funktioniert so wie es soll. Es führt zu einer erheblichen Reduktion der CO2-Emissionen in seinem Geltungsbereich. Der Handel mit Emissionsrechten führt jedoch dazu, dass die Erfolge des EEG in andere Länder exportiert werden. Dort kommt es einerseits in einigen Ländern zu geringeren Strompreisen. Andererseits werden CO2-Emissionsrechte in ganz Europa billiger und damit entfällt der Anreiz CO2 einzusparen. Der ursprünglich positive Effekt des EEG wird dadurch fast vollständig aufgefressen.

Von anderer Seite hört man jedoch eine ganz andere Interpretation. Demnach ist das ETS sozusagen „gesetzt“, da international vereinbart, also nicht wegzudiskutieren. Schädlich ist vielmehr das EEG, welches mit hohen Kosten für Industrie und Verbraucher keine Erfolge bringt. Das EEG gehört daher abgeschafft. Diese Meinung vertritt z. B. schon seit längerem der Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn***. Die vorliegende Studie wird ihm und anderen Leuten neue Argumente liefern.

Doch diese Argumente stehen auf tönernen Füßen. In der Tat bestätigt die Studie nur, was der SFV seit Jahren sagt: ETS und EEG vertragen sich schlecht, doch auf das EEG kann keinesfalls verzichten werden. Das bestätigt auch die Autorin der Studie Claudia Kemfert: „Der Emissionshandel verteuert Strom aus fossilen Energien um ein bis zwei Cent je kWh. Damit kann der Emissionshandel allein – ohne eine spezielle Förderung – in den meisten Fällen keine Wirtschaftlichkeit von Strom aus erneuerbaren Energien bewirken.“****

Eine denkbare Lösung wäre, den Stromsektor vom ETS auszunehmen. Die CO2-Zertifikate würden also nur für Emissionen aus Verkehr und Wärme gelten. Leider ist aber das ETS durch internationale Vereinbarungen so fest verankert, dass das praktisch nicht erreichbar ist.

Ein Ausweg bleibt aber: Die vom EEG induzierten CO2-Reduktionen müssen automatisch von den in
Deutschland ausgegebenen CO2-Rechten abgezogen werden. Dasselbe müsste für alle Länder gelten, in denen es eine EEG-ähnliche Gesetzgebung (oder ETS-unabhängige Quotensysteme) gibt. Damit wären EEG und ETS in ihren Wirkungen voneinander entkoppelt.

Die vorliegende Studie so zu lesen wie es der Spiegel suggeriert ist völlig falsch. Der Autor Thure Traber: „Politische Schlussfolgerungen für oder wider die Abschaffung des EEG oder des Emissionshandelssystems werden - im Gegensatz zur Darstellung des Spiegels - [...] nicht hergeleitet.“


Quellenverweise:
*) z. B. in "Emissionshandel statt EEG?" vom 31.3.2004, http://www.sfv.de/lokal/mails/wvf/weizseeg.htm

**) Impacts of the German Support for Renewable Energy on Electricity Prices, Emissions, and Firms (The Energy Journal, Vol. 30, No. 3., 2009). Download: http://www.claudiakemfert.de/fileadmin/user_upload/pdf/pdf_publikationen/TraberKemfertEnJ.pdf

***) Hans-Werner Sinn, "Das grüne Paradoxon", Econ-Verlag, 2008

****) Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 11/2009, Kemfert/Diekmann