Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) hat am 27.10. diesen Jahres „Fünf Empfehlungen zur Zukunft der elektrischen Energieversorgung“, herausgegeben. Die Empfehlungen des VDE in Kurzform finden Sie im folgenden Kasten:


VDE-Empfehlungen zur Zukunft der elektrischen Energieversorgung (gekürzt)

1. Energieforschung
Prioritäre Aufgaben auf dem Feld der Energieforschung sind die Aufstockung der Fördermittel auf ein international konkurrenzfähiges Niveau, die Zusammenführung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen für den gesamten Energiebereich in einem Ministerium, die Intensivierung und Fokussierung der Forschungsanstrengungen insbesondere auf dem Gebiet der Speichertechnologien sowie die Entwicklung eines strategisch ausgerichteten Gesamtkonzepts. [..]

2. Stromerzeugung
Der VDE empfiehlt im Hinblick auf das energiepolitische Zieldreieck Umweltschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit einen ausgewogenen Energiemix mit den folgenden Komponenten: fossile Kraftwerke mit verbessertem Wirkungsgrad, deutlich geringerer Stromverbrauch von Produkten, Systemen und Anlagen, Technologien zur Abscheidung von CO2 bei Kraftwerken, weitere Nutzung von Kernkraft und zügiger Ausbau erneuerbarer Energien. [..]

3. Stromübertragung und -verteilung
Die Modernisierung und umfassende IT-Aufrüstung der Netze auf Basis genormter Kommunikationstechnik und die Einbeziehung der Verbraucher in die Systemsteuerung – kurz: der Abschied von traditionellen Netzen mit ihrer vertikalen Struktur hin zu komplexen Smart Grids, Virtuelle Kraftwerke, Smart Metering – ist neben der Entwicklung neuer Speichertechnologien eine wichtige Voraussetzung für die optimale Einbindung eines wachsenden Anteils regenerativer Energien und eröffnet Chancen für den Export. [..]

4. Anwendung E-Mobility: Zusammenwachsen von Strom- und Verkehrsnetz
Die Anbindung des Elektromobils (Plug-in-Hybrid-Fahrzeug) an das Stromnetz eröffnet die Chance, die volatile Energieerzeugung aus regenerativen Energien durch die Speicherkapazitäten der Elektromobile zu puffern, regenerative Energien effizient zu nutzen und den CO2-Ausstoß zu verringern.[..]

5. Energieeffiziente Stromnutzung
Die Steigerung der Energieeffizienz eröffnet große Potentiale zur Energieeinsparung und - als Leitinnovation – auch für die Industrie. Deshalb sollte die Stromeffizienz von Geräten, Anlagen und Prozessen wirtschaftlich durch Marktanreize für energieoptimierte Produkte, durch eine entsprechende Kennzeichnungspflicht und durch Impulsprogramme gefördert sowie technologisch insbesondere mittels Systemintegration in der Leistungselektronik verbessert werden. [..]“

Vollständige Fassung der Empfehlungen: http://www.vde.com/de/Verband/Pressecenter/Pressemeldungen/Fach-und-Wirtschaftspresse/Seiten/2009-88.aspx

Der SFV setzt sich mit den vorgenannten Thesen kritisch auseinander.
Die Empfehlung (3) zu einem modernisierten Stromnetz (smart grid) unter Einschluss innovativer Kommunikationstechnik unterstützen wir voll. Ebenso die Anwendung von E-Mobility-Anwendungen (4) und die Nutzung der Fahrzeugbatterien als Speicher für Erneuerbare Energien.

Die Forderung des VDE nach einer verstärkten Energieforschung (1) darf jedoch nicht als Argument missbraucht werden, die Erneuerbaren Energien seien für den vollständigen Systemwechsel noch nicht reif. Wir vertreten in der Frage der Energieforschung zwar auch die Meinung, dass sie einer langfristigen Perspektive und der Verfolgung eines Gesamtkonzepts bedarf. Nur die klare Formulierung des Gesamtkonzepts bleibt der VDE allerdings in seinen Empfehlungen schuldig. Dieses lautet aus Sicht des SFV: Die schnellstmögliche 100-prozentige Versorgung aus heimischen regenerativen Energiequellen. Insbesondere Forschung zur Netzstabilisierung durch dezentrale Langzeit-Stromspeicher sehen wir zur Erreichung dieses Ziels als dringend notwendig an.

Die Empfehlung (2) zur Stromerzeugung 2020 müssen wir allerdings scharf zurückweisen. Wenn der VDE von einem „umweltoptimalen“ Mix mit 48,5 Prozent fossilen Energieträgern spricht, so wird das in den Ohren der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Menschen wie Hohn klingen. Wenn er weiterhin erklärt, dass „die entscheidenden Stellschrauben Hightech-Kraftwerke mit neuester Technologie“ seien, so lässt er außer Acht, dass gerade diese neuen fossilen Kraftwerke zwar vordergründig zu einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes beitragen, jedoch die immer noch sehr hohen Emissionen auf weitere 40 Jahre (die typische Amortisations- und Laufzeit der Kraftwerke) zementieren. Damit sind alle Investitionen in neue fossile Kohlekraftwerke, auch wenn sie effizienter als alte bestehende sind, absolut ungeeignet, schnellstmöglich (d.h. aus SFV-Sicht sehr viel früher als 2050) den Weg in eine praktisch CO2-freie Zukunft zu gehen. Im Gegenteil: diese Kraftwerke werden die Blockadeinstrumente einer zukunftsfähigen, erneuerbaren Stromversorgung sein und die schnelle Umstellung auf Erneuerbare Energien verzögern.

Der Empfehlung (5) des VDE zu einer energieeffizienten Stromnutzung stimmen wir zu. Aus der richtigen Analyse, wonach der Energieverbrauch auch deshalb noch steigt, weil der Einsatz von Maschinen und Geräten kosten- statt energieoptimiert ist, zieht der VDE die richtige Schlussfolgerung, dass sich Investitionen in Energieeffizienz schneller amortisieren müssen. Wie das geschehen soll, lässt er allerdings ebenfalls offen. Wir möchten hier erneut auf die SFV-Publikationen zur Wirkung von Energiesteuern1 verweisen. Bei richtigem Einsatz üben diese einen wirksamen Druck zur Senkung des Energieverbrauchs aus. Die Steigerung der Energieeffizienz kann damit praktisch zum Selbstläufer werden und nebenbei lassen sich die Schuldenlasten der öffentlichen Haushalte reduzieren.
Zusammenfassend möchten wir den VDE-Empfehlungen das Thesenpapier des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) vom Mai 2009 entgegenstellen, in dem die Weichenstellungen für eine nachhaltige Stromversorgung kurz und knapp beschrieben sind.

Die Thesen des SRU lauten:

  1. Bis 2050 müssen die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen um mind. 80% reduzieren.
  2. Die Weichenstellungen von heute prägen die Emissionen von 2050.
  3. Die vollständige Strombedarfsdeckung mit Erneuerbaren Energien ist möglich.
  4. Hohe Anteile von Grundlastkraftwerken sind mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht vereinbar.
  5. Die Systementscheidung sollte zu Gunsten der erneuerbare Energien erfolgen. 2

Hinsichtlich der heute dringend notwendigen richtigen Weichenstellungen haben wir den SRU-Thesen nichts hinzuzufügen, in der Frage der Umsetzungszeit möchten wir jedoch klar hervorheben, dass diese Umsetzung so schnell wie möglich erfolgen muss. Eine Zielorientierung auf 2050 ist angesichts des viel schneller als prognostiziert verlaufenden Klimawandels viel zu spät.

Fußnoten
1) Wirkung von Energiesteuern, siehe hierzu z.B. http://www.sfv.de/artikel/die_krise_als_chance.htm
2) Die vollständige Fassung der SRU-Thesen ist zu finden unter: http://www.umweltrat.de/cae/servlet/contentblob/581556/publicationFile/34408/2009_Thesen_Weichenstellungen_Stromversorgung_Hohmeyer.pdf