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Technische Solaranlagennachrüstung und deren grundrechtliche und staatshaftungsrechtliche Problematik gegenüber Kleinanlagenbetreibern
 

Inhaltsübersicht


Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. leitet die Forschungsgruppe Nachhaltigkeit und Klimapolitik, http://www.sustainability-justice-climate.eu, und ist an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock Vorstandsmitglied am Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht sowie Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie.

Die vorliegende Untersuchung wurde im November 2011 im Auftrag des Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) erstellt. Sie gibt dabei die rechtswissenschaftliche Auffassung des Verfassers und nicht notwendigerweise durchgängig die des SFV wieder.

Zusammenfassung in Thesen

1. Die vom deutschen Gesetzgeber aktuell geplante Neuregelung der Anlagensicherheit für PV-Bestandsanlagen zur Vermeidung einer massenhaften Abschaltung jener Anlagen mit anschließender massiver Netzinstabilität erscheint im Grundsatz alternativlos, doch war die Notwendigkeit einer entsprechenden technischen Vorgabe für Solaranlagen schon lange erkennbar gewesen. Dies hätte die Neuregelung und ihre Kosten – die nach dem Willen des Gesetzgebers nun vielleicht den Anlagenbetreibern auferlegt werden sollen – von vornherein erspart. Die jetzige Neuregelung stellt insbesondere Kleinanlagenbetreiber im PV-Anlagenbestand vor erhebliche Probleme.

2. Die Neuregelung stellt eine Inhaltsbestimmung des Eigentums und keine Enteignung dar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Neuregelung verfassungsrechtlich vom Gesetzgeber so getroffen werden darf.

3. Der deutsche Gesetzgeber ist vielmehr verpflichtet, die geplante PV-Neuregelung – die auf eine Sicherung der künftigen Netzstabilität auch unter ungünstigen Bedingungen abzielt – kostenmäßig nicht den Betreibern von PV-Altanlagen anzulasten. Dies ergibt sich aus Art. 14, 12 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG. Würde der Gesetzgeber die Regelung trotzdem erlassen, wäre er im Wege des Primärrechtsschutzes einer Verwerfung seiner Regelung vor dem BVerfG ausgesetzt. Zu dieser muss es kommen, da andernfalls ein Amtshaftungsanspruch gegeben wäre bzw. die Grundsätze der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums greifen müssten.

4. Tragend für dieses Ergebnis sind insbesondere der Vertrauensschutzund der Verursachergedanke im Rahmen des Eigentumsgrundrechts in Verbindung mit den tatsächlichen Gegebenheiten der vom Gesetzgeber angestrebten Neuregelung.

5. Der Staat muss für den seinerzeitigen Fehler der – als Sachverständige in staatliche Entscheidungen über die Normverweisung der §§ 7 Abs. 2 EEG, 49 Abs. 1 EnWG einbezogenen – VDE-Normungsgremien einstehen, welche nicht rechtzeitig erkannt haben, dass das nunmehr für regelungsbedürftig erachtete Problem mit der Netzstabilität besteht.

6. Daneben bestehen Bedenken, ob die Neuregelung – wie offenbar geplant – im Wege einer bloßen Verordnung gemäß § 12 Abs. 3a EnWG (anstelle eines Parlamentsgesetzes) verabschiedet werden darf.

A. Tatsachenbefunde und rechtliche Problemstellung

Im vorliegenden Rechtsgutachten wird die Frage untersucht, ob der Staat berechtigt ist, die Betreiber von Solarstromanlagen (PV-Anlagen) finanziell dafür verantwortlich zu machen, wenn nachträglich eine technische Änderung an ihren Anlagen vorgenommen werden muss. Der technische Hintergrund [link:1, 1] jener Fragestellung, wie er aufgrund der Unterlagen des Auftraggebers der rechtlichen Beurteilung hier zugrunde zu legen ist, ist im Herbst 2011 der folgende:

Aktuell auf Bundesebene geplant ist eine Änderung der technischen Anforderungen an Solaranlagen, die jedenfalls für PV-Kleinanlagenbetreiber in hohem Maße finanziell relevant zu werden droht. In der gesamten Zeit von 2005 bis April 2010 wurden in Deutschland PV-Anlagen mit dem entsprechenden technischen Mangel installiert, weil die Norm VDE V 0126-1-1:2006-02 einen Fehler aufwies. Alle PV-Anlagen mussten gemäß den technischen Normen seit 2005 mit einer Vorrichtung ausgestattet werden, die die PV-Anlage unverzüglich vom Stromnetz trennt, wenn die Frequenz des europäischen Verbundnetzes UCTE den Wert 50,2 Hertz überschreitet. Jene Installation ist dem Anliegen der Verteilnetzbetreiber (VNB) geschuldet, im Falle einer Ersatzversorgung mit Notstromaggregaten
eine unkontrollierte Einspeisung dezentraler Erzeugungsanlagen (DEA) zu verhindern. Jene technische Vorgabe hat folgende problematische Konsequenz: Da die Frequenz des Stromnetzes in ganz Europa gleich ist, würden (bei Erreichen der 50,2 Hertz) allein in Deutschland rund 315.000 PV-Anlagen gleichzeitig ihre Stromlieferung einstellen. Geschähe dies beispielsweise an einem sonnigen Tag um die Mittagszeit, so würden gleichzeitig PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von etwa 10 GW abschalten; was eine ähnlich destabilisierende Wirkung auf das Stromnetz hätte wie der gleichzeitige Wegfall vieler Kernkraftwerksblöcke. Spätestens seit Mai 2009 ist die Problematik um die Gefährdung der Netzstabilität
durch die massenweise Abschaltung von PV-Anlagen bei Erreichen einer Netzfrequenz von 50,2 Hz allgemein bekannt. Ein DKE-Schnellverfahren zur Änderung der VDE 0126-1-1 (oder auch eine gesetzliche Klarstellung) wurde jedoch seinerzeit nicht eingeleitet. Unabhängig davon war auch vor 2009 die Problematik wohl bereits grundsätzlich erkennbar: Dass langfristig die erneuerbaren Energien den Großteil – oder sogar 100 % – der Stromversorgung übernehmen sollten und dementsprechend eine automatische Abschaltvorrichtung die Netzstabilität spätestens mittelfristig gefährden musste, erschloss sich bereits seit längerem dem objektiven Betrachter.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich einmal zur Überschreitung der 50,2 Hertz kommt, nimmt mit der Ausweitung des Stromhandels zu. Da der Stromhandel in Stunden- oder Mehrstunden-Blöcken erfolgt, werden zur vollen Stunde immer größere Stromerzeugungsleistungen ein- oder ausgeschaltet. Die dabei unvermeidlichen Frequenzschwankungen müssen durch die Übertragungsnetzbetreiber ausgeglichen werden, indem sie rasch reagierende Regelkraftwerke hinzu- oder wegschalten. Die erforderliche rasch hinzu- oder wegzuschaltende Regelenergie könnte anstelle einer Umrüstung auch durch eine große Anzahl zusätzlicher dezentraler Batterien vergrößert werden. Auch könnte eine (gesetzliche) Verkürzung der Stromhandels-Blöcke zu geringeren Leistungssprüngen im Stromhandel führen und die Wahrscheinlichkeit vermindern, dass es zu 50,2 Hertz tatsächlich einmal kommen wird. Dennoch könnte auf diesem Wege nicht ausgeschlossen werden, dass es z.B. durch Wegfall eines großen Stromverbrauchers (z.B. eine ganze Großstadt wird bei Orkan vom Übertragungsnetz abgetrennt) doch einmal zu 50,2 Hertz kommt. Die deshalb aktuell politisch verfolgte Nachrüstpflicht soll über eine Rechtsverordnung nach § 12 Abs. 3a EnWG geregelt werden. Nach § 4 NAV ist der Netzbetreiber zudem generell berechtigt, die technischen Anschlussbedingungen an geänderte Anforderungen auch für Bestandsanlagen anzupassen. Entsprechende Studien gehen von Nachrüstkosten in Höhe von 65 bis 175 Mio. Euro für 315.000 PV-Anlagen aus, die womöglich den Anlagenbetreibern in Rechnung gestellt werden sollen. Jedenfalls für – oft stark ideell motivierte – Kleinanlagenbetreiber wird durch die angesonnene Nachrüstung damit eine finanzielle Größenordnung erreicht, die die ursprünglich angenommene Kalkulationsgrundlage in erheblicher Weise verändern kann. Ob dies insbesondere in grund- und staatshaftungsrechtlicher Hinsicht wirklich möglich ist, untersucht das vorliegende juristische Kurzgutachten. Betrachtet werden dabei allein PV-Altanlagenbetreiber, da sich das Kostenproblem in dieser konkreten Form nur für sie so stellt und künftige Neuanlagen von vornherein anders ausgerüstet sein werden. Die avisierte Neuregelung stellt insbesondere Kleinanlagenbetreiber im PV-Anlagenbestand vor erhebliche Probleme, doch sind die folgenden rechtlichen Erwägungen grundsätzlich auch darüber hinaus relevant.

B. Rechtliche Würdigung

I. Rechtlicher Charakter der Beeinträchtigung der Anlagenbetreiber

Die geplante Regelung zu Lasten der Solaranlagenbetreiber kann mit einer Anzahl rechtlicher Regelungen zu deren Gunsten potenziell konfligieren.

- Im Bereich der vorliegend als Schranken der deutschen Gesetzgebung primär zu betrachtenden Grundrechte ist zunächst an die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG zu denken. Diese wäre durch die Regelung zwar ersichtlich betroffen; allerdings tritt die Norm als allgemeiner Auffangtatbestand zurück, sobald insbesondere speziellere Tatbestände im Bereich der Wirtschaftsgrundrechte tangiert sind.

- In diesem Sinne betroffen wäre durch die Regelung ggf. die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (im Sinne einer Berufsausübungsregelung). Wer eine Solaranlage auf sein Dach montiert, wird dabei – eben oft starken ideellen Motiven – in aller Regel auch die Absicht haben, langfristig einen wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. Er übt somit den (meist Neben-)Beruf des Solaranlagenbetreibers aus, fällt also in den Schutzbereich der Berufsfreiheit. Die Regelung betrifft auch die Berufsfreiheit nicht gleichsam nur beiläufig, sondern zielt auf eine Kernfrage für Solaranlagen-Betreiber, nämlich darauf, inwieweit sie ihre Anlage – im insgesamt stark staatlich regulierten Bereich des Erneuerbare-Energien-Rechts 2 – wirtschaftlich betreiben können.

- Betroffen ist des Weiteren die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Während die Berufsfreiheit den wirtschaftlichen Erwerb schützt, schützt die Eigentumsgarantie den wirtschaftlichen Bestand (so dass beide Normen sich manchmal ausschließen, manchmal aber auch parallel zur Anwendung kommen können), also z.B. keine bloßen Gewinnerwartungen. Um bloße Gewinnerwartungen geht es mit der vorliegenden PV-Regelung allerdings auch nicht. Vielmehr wird den PV-Anlagenbetreibern eine Veränderung am Bestand ihres Eigentums, nämlich an den PV-Anlagen, vorgeschrieben. Klärungsbedürftig ist für die Eigentumsfreiheit allerdings die Frage, um was für eine Eigentumsbeeinträchtigung es sich hier handelt. Im deutschen Recht wird zwischen Inhaltsbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und Enteignungen gemäß Art. 14 Abs. 3 GG unterschieden. Inhaltsbestimmungen sind dabei (um nur einen besonders wichtigen Unterschied bei den Rechtsfolgen hervorzuheben) nur ausnahmsweise, Enteignungen dagegen im Wesentlichen durchgängig entschädigungspflichtig, wobei die entsprechende Festsetzung regelmäßig von vornherein so getroffen werden muss. Im Gefolge der Pflichtexemplar- sowie der Naßauskiesungs-Entscheidung des BVerfG 1981 3 ist die Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung 4 in Bewegung geraten, die trotz des zeitlichen Abstands zu jenen Entscheidungen nie gänzlich abgeebbt ist. Dem Anspruch nach wird seitdem eine formal-typologische Abgrenzung zwischen der Inhaltsbestimmung des Eigentums und der Enteignung gepflegt, welche der divergenten systematischen Stellung im Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG versus Art. 14 Abs. 3 GG) Rechnung sowie dem Wortsinn der Begriffe „Inhaltsbestimmung“ und „Enteignung“ Rechnung tragen soll. 5 Kein Kriterium ist dagegen seit der zitierten BVerfG-Judikatur mehr die besondere Schwere des Eingriffs oder die besondere Opferposition der Betroffenen (eine Enteignung ist also keine gleichsam „besonders schwere Inhaltsbestimmung“, sondern schlicht etwas anderes als eine Inhaltsbestimmung). Die Enteignung ist nach der Judikatur der konkret-individuelle Zugriff auf eine Eigentumsposition sowie der Entzug derselben. Unklar ist, ob der enteignungsmäßige Entzug schon bei einer bloßen Überwindung entgegenstehender Rechtspositionen vorliegt oder ob es entscheidend auf einen Rechtsträgerwechsel ankommt (letzteres wäre z.B. für die vorliegende PV-Regelung sofort zu verneinen, da der Staat sich natürlich nicht die installierten PV-Anlagen aneignen möchte). Ungeachtet umstrittener Einzelheiten hält die Judikatur z.B. die staatliche Vernichtung eines gefährlichen Gegenstandes (z.B. eines tollwütigen Hundes) für keine Enteignung. 6 Folgt man diesen Grundsätzen, ist die risiko- und gefahrenbekämpfende Tätigkeit, bei der der Staat gerade nicht auf den Eigentumsgegenstand „zugreift“, in aller Regel als Inhaltsbestimmung des Eigentums zu klassifizieren. 7 Gleichwohl ist die Einordnung neu in die Diskussion kommender Maßnahmen regelmäßig im Schrifttum kontrovers, wie zuletzt u.a. beim Atomausstieg in seinen verschiedenen Wendungen und Varianten zu beobachten war. Denn gerade das BVerfG hat in seinen Urteilen immer wieder Aussagen geprägt, die sich mit der eben umrissenen Linie nur schwer vertragen. Dabei stehen folgende Fallgruppen im Vordergrund: Erstens konnte sich das Gericht wie gesehen bislang nicht entschließen, einen formalen Wechsel in der Zuordnung des Eigentums als Enteignungskriterium (also eine Rechtsübertragung) zu verlangen. Zweitens werden in einer Reihe von Konstellationen „durch die Hintertür“ plötzlich materielle Kriterien zur Qualifizierung des Eigentumseingriffs verwendet: Es wird also, wie vor den oben zitierten Urteilen üblich, plötzlich auf die Schwere der Betroffenheit des Eigentums abgestellt. Dies wird gekennzeichnet durch die sogenannte unoactu-Lehre. 8 Das BVerfG hält es nämlich für möglich, dass ein und dasselbe Gesetz für die Zukunft Inhaltsbestimmung und für die Vergangenheit Enteignung sein könne. 9 Des Weiteren wird im Naturschutzrecht in manchen Konstellationen immer wieder die Möglichkeit eines „Umschlagens“ einer Inhaltsbestimmung in eine Enteignung anerkannt – was auf ein Wiederaufleben alter Abgrenzungstheorien hinausläuft. Dabei schleichen sich freilich Formulierungen ein, die zwar versehentlichen Missverständnissen entspringen mögen, jedoch weiterhin Unklarheit erzeugen.10

Die nötige klare Trennung 11 sowie die Grundorientierung „Zugriff auf Eigentumsgegenstände versus allgemeine Regelung für die Zukunft“ dürfte vorliegend dennoch eine relativ klare Sprache sprechen. 12 Das gilt umso mehr, als die jüngere Rechtsprechung nicht nur die generelle Einordnung der Risikobekämpfung – vorliegend etwa einer größeren Störung im Stromnetz –, sondern auch ganz allgemein die Neuregelung eines Rechtsgebiets als Inhaltsbestimmung wertet. 13 Auch die verschiedenen Atomrechtsnovellen der letzten zehn Jahre werden deshalb zumeist als Inhaltsbestimmungen des Eigentums klassifiziert 14, zumal aufgrund der systematischen Vorrangigkeit der Inhaltsbestimmung im Aufbau des Art. 14 GG (Abs. 1 steht vor Abs. 3) ebenjene Inhaltsbestimmung vorrangig sein mag. 15 Insofern spricht viel dafür, die von der Bundesregierung geplante PV-Regelung als Inhaltsbestimmung des Eigentums zu klassifizieren. Über die rechtliche Tragfähigkeit jener Inhaltsbestimmung ist mit jener formalen Unterscheidung wie erwähnt jedoch noch nichts ausgesagt.

- Zu konstatieren ist ferner, dass die geplante PV-Regelung sowohl für bisherige Anlagenbetreiber als auch für künftige Anlagenbetreiber eine Wirkung haben dürfte, die leicht übersehen zu werden droht: Die erneuerbaren Energien sind der wohl zentrale Baustein der allenthalben für nötig befundenen Energie- und Klimawende. Die Verlässlichkeit ihres Finanzrahmens wiederum wird allenthalben als wesentlicher Punkt bei der Erfolgsgeschichte der deutschen erneuerbaren Energien im Strommarkt gesehen. Folgt man dem, so ist durch die geplante PV-Regelung auch die grundrechtliche Verpflichtung zu einer wirksamen Energie- und Klimawende, die andernorts auf völker-, europa- und national-rechtlicher Basis ausführlich hergeleitet worden war, betroffen (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG – Schutz von Leben, Gesundheit, Existenzminimum – sowie die parallelen europa- und völkerrechtlichen Regelungen) 16

Somit ist in einem ersten Schritt zu konstatieren, dass von der geplanten PV-Novelle, soweit sie die PV-Anlagenbetreiber mit der Kostentragung der nötigen PV-Neuinstallationen belastet, verschiedene Rechtsbeeinträchtigungen ausgehen. Zu vertiefen ist – angesichts der üblichen Fokussierung der Problematik auf das primär betroffene Grundrecht – insbesondere die Beeinträchtigung in Art. 14 GG, bei deren Gewichtung allerdings die soeben konstatierte Relevanz der Regelung für die Energie- und Klimawende und für die Berufsfreiheit der Anlagenbetreiber mit zu berücksichtigen ist. Am sachlichen Ergebnis 17 würde es freilich wenig ändern, wenn man die formale Verortung der rechtlichen Prüfung zu einer anderen betroffenen Rechtsposition verschieben würde.

II. Rechtswidrigkeitsmaßstäbe und Rechtsgrundlagen der Beurteilung einer Verpflichtung der Kleinanlagenbetreiber mit/ ohne Entschädigung bzw. Schadensersatz

Wenn eine Beeinträchtigung des Eigentums vorliegt, so ist damit die Grundrechtswidrigkeit und die Ersatzpflichtigkeit der in Rede stehenden staatlichen Maßnahme nicht bereits automatisch geklärt. Vielmehr muss näher geprüft werden, ob sich eine Verfassungswidrigkeit und ggf. eine konkrete Ersatzpflichtigkeit bei näherer Betrachtung ergibt. Wesentlich ist dabei, dass eine übermäßige Beeinträchtigung seitens der PV-Anlagenbetreiber nicht einfach hingenommen und anschließend eine finanzielle Ersatzforderung präsentiert werden darf; vielmehr erwartet die Judikatur bei sämtlichen Konstellationen, die ansonsten in der weiteren Folge zu Ersatzansprüchen gegen den Staat führen würden, in Ausdehnung des Rechtsgedankens aus § 839 Abs. 3 BGB, das die Betroffenen zunächst versuchen, die Maßnahme ggf. auch durch Klagen zu verhindern, bevor sie mit etwaigen Ersatzansprüchen aufwarten.[link:18, 18] Unabhängig davon, ob die PV-Anlagenbetreiber so vorgehen müssten oder vielmehr direkt Ersatzansprüche erheben könnten, sollte eine Regelung mit Kostenbelastung zu ihren Ungunsten geschaffen werden, stellen sich freilich genau die gleichen rechtlichen Fragen. Im Sinne des vorliegenden Kurzgutachtens kann dies wie folgt gefasst werden: Die den materiellen Schaden verursachende Handlung muss, soweit es um Ersatzansprüche gegen die öffentliche Hand geht, vom Staat ausgegangen sein – und die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die Rechtsposition der PV-Anlagenbetreiber muss zu bejahen sein. Geht man von einem Primärrechtsschutz vor dem BVerfG (direkt gegen die geplante Neuregelung mit Kostentragung der PV-Anlagenbetreiber auf Kassierung derselben) aus, würde diese Prüfung in das Gewand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gebracht. Geht man von einem Sekundärrechtsschutz (direkt auf die Zahlung eines finanziellen Ersatzes für die geplante, den PV-Anlagenbetreibern die Installation und Kostentragung auferlegende Neuregelung) aus, ist die Prüfung in den Rahmen einer der anerkannten staatshaftungsrechtlichen Rechtsgrundlagen zu bringen. 19 Als solche staatshaftungsrechtlichen Rechtsgrundlagen kommen hier prima facie folgende Normen in Betracht:

- Man könnte zunächst an eine Enteignungsentschädigung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG denken. Unabhängig von allen weiteren Problemen (u.a. müsste hierfür erst einmal ein Enteignungsgesetz vorliegen, das eine Entschädigung festschreibt 20 ) scheidet ein solcher Anspruch freilich von vornherein aus, weil es sich wie gesehen bei der PV-Neuregelung um keine Enteignung, sondern um eine Inhaltsbestimmung des Eigentums handelt.

- Auch bei Vorliegen einer Eigentums-Inhaltsbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG kann freilich eine Ersatzpflicht gegeben sein 21, wenn der Eingriff – was von der Rechtsprechung als nur ausnahmsweise gegebener Fall verstanden wird – eine besonders hohe Intensität erreicht 22 (die Anforderungen daran sind, wie eben bemerkt, in etwa identisch, einerlei, ob man direkt nach der Verfassungswidrigkeit oder eher nach der Ersatzpflichtigkeit der geplanten Neuregelung fragt). Dies kommt vorliegend in Betracht.

- Daneben erscheint ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG denkbar. Jener Anspruch setzt voraus, dass der Staat eine die Betroffenen schützende Amtspflicht schuldhaft verletzt hat.

- Ebenso könnte freilich ein Anknüpfen der Ersatzpflicht an die gewohnheitsrechtlichen – letztlich auf allgemeinen Rechtsgedanken seit den Zeiten der damaligen Art. 74, 75 der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 fußenden – Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht kommen (oder nach den – wie gesehen wenig klaren – Grundsätzen des ausnahmsweisen Umschlagens einer Inhaltsbestimmung in eine Enteignung aufgrund fast vollständig entzogener Privatnützigkeit eines regulierten Eigentumsgegenstandes). 23

Wie bereits gesehen, ist für die weitere Prüfung die Anknüpfung eher an den Primärrechtsschutz oder an den Sekundärrechtsschutz letzten Endes – für die Zwecke eines Kurzgutachtens – unerheblich. Ebenso sind die beiden Kernvoraussetzungen von Amtshaftung, enteignungsgleichem Eingriff und ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung in etwa parallel strukturiert: Ein staatliches Handeln muss die Betroffenen rechtswidrig beeinträchtigt haben (bei der Amtshaftung muss jenes ferner schuldhaft geschehen sein, und die Rechtswidrigkeit wird dort formal als Verpflichtung des Amtswalters gegenüber seinem jeweiligen Dienstherrn konstruiert). Am ehesten freilich dürfte, soweit der Weg über den Sekundärrechtsschutz anstelle eines an sich vorrangigen Primärrechtsschutzes für gangbar angesehen wird, die Amtshaftung sich als Prüfungsrahmen anbieten angesichts des unklaren oder auf Ausnahmekonstellationen zugeschnittenen Charakters der anderen beiden Rechtsgrundlagen. Wichtig ist in jedem Fall, dass auch dann, wenn man den Primärrechtsschutz als einschlägigen Weg sieht, dessen Ergebnis lauten müsste, dass das BVerfG den Gesetzgeber verurteilt, die Neuregelung mit einer ausdrücklichen Entschädigungspflicht zu kombinieren 24; denn das Verhindern der Neuregelung als solcher wäre ersichtlich im Interesse von niemandem.

III. „Staatliches“ Tun oder Unterlassen im Falle der Beteiligung von Normungsgremien

Im Sinne des Gesagten ist nun zu klären, ob die für die PV-Anlagenbetreiber belastende Neuregelung auf ein „staatliches“ Tun (oder ggf. auch ein pflichtwidriges staatliches Unterlassen) zurückgeht. Dieses Merkmal wirft vorliegend das Problem auf, dass die Neuregelung im Kern durch ein – nach den einleitenden Tatsachendarlegungen – erkennbar nicht sachgemäßes Arbeiten von Normungsgremien, hier im Rahmen des VDE, zurückzuführen ist. Die Frage staatlicher Haftung für eine fehlerhafte Arbeit von Normungsgremien steht damit im Raum. 25 Denn das Problem für die PV-Anlagenbetreiber resultiert ja nicht einfach aus der geplanten Neuregelung, sondern erst daraus, dass vorher eine andere (VDE-)Regelung bestand und die Divergenz jener beiden Regelungen nunmehr eine Solaranlagen-Nachrüstung erforderlich macht.

Die VDE-Normungsgremien als solche sind keine staatliche Einrichtung, sondern vielmehr ein privates Gremium der Normsetzung. Freilich ist die Bezeichnung als „privat“ im Falle von Normungsgremien sehr oft irreführend. Dies gilt nicht nur deshalb, weil de facto die Bürger im Wirtschaftsverkehr meist faktisch
keine freie Wahl darüber haben, ob sie sich jenen technischen Normierungen beugen. Mehr noch: Häufig nehmen staatliche Gesetze explizit auf private technische Normierungen Bezug und machen diesen privaten Sachverstand damit explizit oder zumindest weitgehend allgemeinverbindlich. Dann aber liegt eben doch ein staatliches Handeln vor, und zwar in Gestalt der Bezugnahme auf Sachverständigenwissen. Genau so liegen die Dinge im vorliegenden Fall. Dass die Anlagenbetreiber keine Möglichkeit hatten, die von den VDERichtlinien geforderte 50,2-Hz-Abschalteinrichtung wegzulassen, ergibt sich nämlich aus rechtlichen respektive staatlichen Vorgaben: Nach §§ 7 Abs. 2 EEG, 49 Abs. 1 S. 1 EnWG sind PV-Anlagenbetreiber verpflichtet, für die technische Sicherheit ihrer Anlagen zu sorgen. Dabei gibt § 49 Abs. 1 S. 2 EnWG einen Bezug auf – wie vorliegend einschlägig – VDE-Richtlinien vor 26, womit der Gesetzgeber sich deren Vorgaben (für den Regelfall) zu eigen macht. Also ist im vorliegend zu begutachtenden Fall ein staatliches Handeln gegeben.

IV. (Drittgerichtete) Amtspflichtverletzung bzw. Rechtswidrigkeit durch das staatliche Tun/ Unterlassen

Darauf aufbauend ist wie erwähnt zu klären, ob das staatliche Handeln in Gestalt der geplanten PV-Neuregelung mit einer Kostentragung der PV- Anlagenbetreiber – in ihrem Widerspruch zur bisherigen Rechtslage für PV-Anlagenbetreiber – rechtswidrig wäre. Bringt man die Prüfung in die Form einer Amtshaftungsprüfung, wäre die zu prüfende möglicherweise verletzte Amtspflicht die „Pflicht staatlicher Amtswalter (hier: des Gesetzgebers) zu rechtmäßigem Handeln“. Auf das Merkmal der Drittrichtung und seine konkrete Bedeutung wird am Ende des Abschnitts eingegangen. Fraglich ist nun, ob die (insbesondere, aber nicht nur, s.o.) Eigentumsbeeinträchtigung der PV-Anlagenbetreiber als rechtswidrig anzusehen ist. Generell ist selbstverständlich nicht jede Inhaltsbestimmung des Eigentums rechtswidrig,
zumal wenn sie wie vorliegend – in Gestalt der künftigen Netzstabilität – von einem rechtlich anerkennenswerten Interesse getragen ist. Wie bereits erwähnt, ist die eigentliche Frage vorliegend jedoch, ob eine solche Regelung mit einer Kostentragung der PV-Anlagenbetreiber geregelt werden kann.

Grundsätzlich mag es mit Art. 14 GG im Einklang stehen, dass der Eigentümer einer technischen Anlage für deren Verwendungsfähigkeit selbst die Kosten trägt. Dies dürfte auch dann, wie im Geltungsbereich etwa der industrieanlagenrechtlichen Nachrüstungspflichten z.B. des § 17 BImSchG durch nachträgliche neue Erkenntnisse kostspielige technische Neuerungen erforderlich werden. Vorliegend jedoch sprechen mehrere Argumente dafür, die geplanten PV-Neuinstallationen nicht in Form einer Kostentragung durch die Anlagenbetreiber für rechtmäßig zu erachten:

- Grundrechtskatalogen wie jenem des Grundgesetzes liegt ein Verursacherprinzip 27 zugrunde, welches – soweit nicht ausnahmsweise starke Gründe für eine Abweichung sprechen – vorgibt, die Verursachung eines Problems auch kostenmäßig dem kausal Handelnden (oder Unterlassenden) anzulasten. Davon ausgehend ist zur vorliegenden Konstellation der geplanten PV-Neuinstallationen an den geschilderten Tatsachenbefund zu erinnern. Bereits im Jahr 2005 waren PV-Anlagen mit 2 GW am Netz, und der PV-Anlagenbestand wuchs von Jahr zu Jahr weiter. Selbst eine durch das BMU im Jahr 2005 herausgegebene pessimistische Wachstumsprognose rechnete für das Jahr 2020 mit einer PV-Leistung von etwa 10 GW. Dass die für Normung zuständigen Fachleute beim VDE sich damals nicht überlegt haben, was geschehen würde, wenn wirklich einmal die Netzfrequenz 50,2 Hz erreicht würde und tatsächlich einmal 10 GW Solarleistung von einer Sekunde zur nächsten wegfallen würden, erscheint als kaum nachvollziehbarer, grober Kunstfehler (den der Staat sich auf dem oben beschriebenen Wege auch zurechnen lassen muss, indem er mit §§ 7 Abs. 2 EEG, 49 Abs. 1 EnWG auf die Ergebnisse der VDE-Normungsgremien Bezug nimmt). Die Beseitigung des Fehlers verursacht nunmehr Nachrüstungskosten von schätzungsweise 65 bis 175 Mio. Euro an den alten PV-Anlagen. Die von der Bundesregierung angestrebte Nachrüstung von 315.000 PV-Anlagen dient der Verbesserung der Netzstabilität, von der alle Netznutzer und damit letztlich jeder Stromkonsument – kurz: jeder Bürger – in Deutschland profitieren (vgl. auch § 12 Abs. 3 EnWG). Hierfür können jedoch die PV-Anlagenbetreiber
nicht das Geringste. Vielmehr waren sie bisher selbst dann, wenn sie das Problem erkannt haben sollten, rechtlich gehindert, sich in der nunmehr künftig vorgeschriebenen Weise zu verhalten.

- Unmittelbar daran anknüpfend kann verstärkend folgender rechtlicher Gesichtspunkt (der wiederum in den Grundrechten und im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelt) angeführt werden: Zwar würde die Neuregelung vielleicht nicht gegen das grundgesetzliche Rückwirkungsverbot verstoßen, da nicht in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen, sondern vielmehr eine Regelung für noch laufende (wenn auch bereits installierte) PV-Anlagen geschaffen wird. Die Neuregelung gerät jedoch zumindest mit dem Vertrauensschutzprinzip in Konflikt. Wenn der Staat eine ersichtlich notwendige Regelung zunächst nicht trifft (sondern vielmehr ihr Gegenteil vorschreibt), dann aber plötzlich doch eine PV-Neuregelung verfügt, so trifft dies die PV-Anlagenbetreiber in einem rechtlich schutzwürdigen Vertrauen. Dieser Gesichtspunkt gilt besonders, aber in keiner Weise ausschließlich für Kleinanlagenbetreiber.

- Zu bedenken ist dabei auch, dass eine Regelung zu Lasten der PV-Anlagenbetreiber auch anderen (letztlich nämlich allen Menschen) schadet, indem solche Regelungen eine wesentliche Voraussetzung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zu untergraben drohen. Jene wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung der erneuerbaren Energien, wie bereits Erwähnung fand, ist nämlich das Vertrauen auf künftiger Erneuerbare-Energien-Anlagenbauer in die Verlässlichkeit der finanziellen Anreize zum Bau solcher Anlagen. 28 Genau jenes Vertrauen wird durch Regelungen, die in ersichtlich unbilliger Weise den Anlagenbetreibern Kosten auferlegen, nachdrücklich erschüttert. In diesem Zusammenhang ist auch an die bereits gewonnene Erkenntnis zu erinnern, dass die Klima- und Energiewende nicht im Belieben der öffentlichen Gewalt steht, sondern angesichts der sonst drohenden drastischen Folgen für die Menschheit zu einer grundrechtlichen Verpflichtung verfestigt ist.

- Im Sinne einer reibungslosen Abwicklung – und dass irgendeine PV-Neuinstallation im Interesse aller Bürger erfolgen muss, dürfte unstreitig sein – ist zudem zu berücksichtigen, dass die PV-Anlagenbetreiber bei alleiniger Kostenübernahme keinerlei Anreiz hätten, die Umrüstung zügig durchzuführen. Es ist in diesem Fall zu befürchten, dass ein „Bummelstreik“ die Entschärfung der 50,2-Hz-Zeitbombe deutlich verlangsamt. Damit ist die Rechtswidrigkeit einer PV-Neuregelung, soweit sie mit einer Kostentragung der PV-Anlagenbetreiber verbunden ist, zu konstatieren. Die Drittrichtung der damit festgestellten Amtspflichtverletzung bzw. Rechtswidrigkeit (also der Umstand, dass die Rechtswidrigkeit gerade die die Rechtswidrigkeit geltend machenden Anlagenbetreiber betrifft 29 ), wie sie von den entsprechenden Rechtsgrundlagen erfordert wird, ergibt sich aus dem dargelegten Bezug zu den Grundrechten der Anlagenbetreiber aus Art. 14 und Art. 12 GG. Soweit man die gesamte vorliegende Rechtsproblematik nicht in der Logik eines Primärrechtsschutzes, sondern sogleich im Sinne eines Ersatzanspruchs im Sinne eines Sekundärrechtsschutzes aufbaut, wäre ergänzend noch auf Folgendes hinzuweisen: Weitere Anforderungen wie Kausalität oder Verschulden, die sich zumindest beim Amtshaftungsanspruch stellen würden, wären unproblematisch als gegeben anzusehen. Mindernd wirkt sich auch nicht etwa ein Mitverschulden (§ 254 BGB) der Anlagenbetreiber selbst aus; denn die Anlagenbetreiber hatten wegen § 7 Abs. 2 EEG keine Wahl, ob sie ihre Solaranlage in der bisher vorgeschriebenen Weise betrieben oder nicht. Zur genauen monetären Bezifferung im Rahmen der Ersatz- oder Schadensberechnung ist im vorliegenden Rahmen nicht Stellung zu nehmen.

V. Formell-rechtliche Anforderungen

Ergänzend zu allem Gesagten ist noch ein formell-verfassungsrechtliches Problem anzusprechen. Wie dargelegt wurde, hat der vorliegende Fall sowohl für die einzelnen PV-Anlagenbetreiber als auch für jeden Bürger – als Träger der auch gegen den Klimawandel wirkenden Schutzgrundrechte aus Art. 2 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG – eine höhere Bedeutung, als es die reine Pro-Kopf-Kostensumme auszudrücken vermag. Vor diesem Hintergrund erscheint es als zumindest vertretbar, eine Regelung des Problems in einer bloßen Verordnung – anstelle eines Parlamentsgesetzes – für unzureichend zu erachten. Jenseits einer generellen Pflicht zu gesetzgeberischer Regelung von Eigentumsfragen 30 (die vielleicht auch noch über ein materielles Gesetz, also eine Verordnung, zu befriedigen wäre), ist nämlich im Sinne der Wesentlichkeits-Judikatur des BVerfG zu konstatieren, dass eine für ein Rechtsgebiet wesentliche Regelung regelmäßig vom Parlament selbst getroffen werden muss. Folgt man dem, unterliegt die geplante PV-Neuregelung auch formell-verfassungsrechtlichen Bedenken.

VI. Gesamtergebnis

Nach alledem ergibt sich folgender Gesamtbefund: Der deutsche Gesetzgeber ist verpflichtet, die geplante PV-Neuregelung – die auf eine Sicherung der künftigen Netzstabilität auch unter ungünstigen Bedingungen abzielt – kostenmäßig nicht den Betreibern von PV-Altanlagen anzulasten. Dies ergibt sich aus Art. 14, 12 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2, 2 Abs. 1 GG. Würde der Gesetzgeber die Regelung trotzdem erlassen, wäre er im Wege des Primärrechtsschutzes einer Verwerfung seiner Regelung vor dem BVerfG ausgesetzt. Zu dieser muss es kommen, da andernfalls ein Amtshaftungsanspruch gegeben wäre bzw. die Grundsätze der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums greifen müssten. Tragend für dieses Ergebnis sind insbesondere der Vertrauensschutz- und der Verursachergedanke im Rahmen des Eigentumsgrundrechts in Verbindung mit den tatsächlichen Gegebenheiten der vom Gesetzgeber angestrebten Neuregelung.



1 Vgl. zu den Ausführungen im Folgenden beispielsweise Kerber, Empfehlung zur Richtlinie zum Anschluss von Erzeugungsanlagen an das Niederspannungsnetz, Studie für den Verband der Bayrischen Energie- und Wasserwirtschaft, TU München, Mai 2009, http://www.hsa.ei.tum.de/Publikationen/2009/2009_Empfehlung_Richtlinie_Niederspannung.pdf sowie die Ecofys-Studie http://www.ecofys.com/files/files/ecofys_ifk_50_2_hz_langfassung.pdf

2 Für eine aktuelle Gesamtbetrachtung jenes Rechtsgebiets: Ekardt/ Hennig/ Unnerstall (Hg.), Erneuerbare Energien – Ambivalenzen, Governance, Rechtsfragen, 2011, i.E.

3 BVerfGE 58, 137 ff.; 58, 300 ff.

4 Zu weiteren Kritikpunkten an der bisherigen deutschen Eigentumsrechtsdogmatik Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, 1998, S. 486 ff. und 490.

5 Vgl. zu den methodischen Figuren der grammatischen und systematischen Auslegung Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit: Rechtliche, ethische und politische Zugänge – am Beispiel von Klimawandel,
Ressourcenknappheit und Welthandel, 2011, § 1 D. III. 4.

6 BVerfGE 20, 351 (359); Roller, ZUR 1999, 244 (245).

7 Roller, ZUR 1999, 244 (245); Borgmann, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen des Ausstiegs aus der Kernenergie, 1994, S. 394 ff.; Roßnagel, ZUR 1999, 241 (242); Böhm, NuR 1999, 661 (662); Klöck, NuR 2001, 1 (7); Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition. Zur Klärung der Begriffe „Enteignung“ und „Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums“, 1995, S. 148 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 1998, 367; a.A. Di Fabio, Der Ausstieg aus der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie, 1999, S. 127 ff.

8 Vgl. BVerfGE 58, 300 ff.; 45, 297 (332); 52, 1 (28).

9 BVerfGE 45, 297 (332); 58, 300 (331); Gersemann/ Trurnit, DVBl 2000, 1101 (1108 f.).

10 So wenigstens bei BGHZ 121, 328 (337); kritisch dazu Roller, ZUR 1999, 244 (246 f.). Zudem darf man nicht den Fehler begehen, Begrifflichkeiten, die zur Abgrenzung von zulässiger und unzulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung dienen, auf das Verhältnis Inhaltsbestimmung/Enteignung zu übertragen. Dies unterläuft jedoch Ossenbühl, AöR 1999, 1 (23 f.); korrekt dagegen BVerfGE 52, 1 (30).

11 Roller, ZUR 1999, 244 (246); dagegen aber Ossenbühl, AöR 1999, 1 (19).

12 Dies wird beispielsweise anhand des Atomausstiegs im hier geschehenen Sinne erörtert von Böhm, NuR 2001, 61 (62); Langenfeld, DöV 2000, 929 (932 ff.); Roller, ZUR 1999, 244 (245); Borgmann, Möglichkeiten, S. 394 ff.; Roßnagel, ZUR 1999, 241 (242); Böhm, NuR 1999, 661 (662); Ehlers/ Pünder, in: Achterberg u.a. (Hg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2000, S. 238 ff., Rn. 96; Klöck, NuR 2001, 1 (7); Koch, NJW 2000, 1529 ff.; a.A. Bayer/ Huber, in: Bayer/ Huber (Hg.), Rechtsfragen zum Atomausstieg, 2000, S. 156; Schmidt-Preuß, NJW 2000, 1524 ff. Zur Eigentumsdebatte bezogen auf eine verstärkte Regulierung der Energiewirtschaft etwa Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft durch regulative Marktorganisation, 1999, S. 499 und passim.

13 Beispielsfälle finden sich weiterhin bei BVerfGE 83, 201 (211 f.); BVerfG, DöV 1993, 82; BVerfG, NJW 1998, 367.

14 Dem wird bisweilen entgegengehalten, dass die Judikatur bei Gesetzen bestritten werden müsse, die primär die Abwicklung eines Rechtsgebietes zum Gegenstand hätten und sich womöglich gegen eine überschaubare Zahl von Personen (den EVU nämlich) richteten; vgl. Ossenbühl, AöR 1999, 1 (26); Di Fabio, Ausstieg, passim. Dies überzeugt indes nicht. Die Zahl der Anlagenbetreiber ist eine rein tatsächliche Gegebenheit, die die Rechtsnatur des staatlichen Aktes nicht verändern kann. Für den vorliegenden Fall trägt die Frage nichts aus, da bei 315.000 PV-Anlagen ein überschaubarer Personenkreis in jedem Fall nicht gegeben ist, einerlei wie eng oder weit man diesen Begriff verstehen mag.

15 Dazu neigen bei umweltrechtlichen Regulierungen insbesondere auch Koch, NJW 2000, 1529 ff.; Langenfeld, DöV 2000, 929 (935); Roßnagel, ZUR 1999, 241 (242); Sendler, in: Ossenbühl (Hg.), Deutscher Atomrechtstag 2000, 2001, S. 196; Böhm, NuR 2001, 61 (62); Roller, ZUR 1999, 244 (247); Denninger, in: Koch/ Roßnagel (Hg.), 10. Deutsches Atomrechtssymposium, 2000, S. 180 ff.; Klöck, NuR 2001, 1 (7); a.A. Ossenbühl, AöR 1999, 1 (52).

16 Vgl. dazu – aufbauend auf ein früheres Gutachten von Ekardt für den SFV – http://www.sfv.de/pdf/Gutachten__Prof_Ekardt_Endfassungpdf.pdf– jetzt stärker verallgemeinernd und breiter Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, §§ 4, 5. Dort auch dazu, warum eine Begründung jener Rechte über Art. 1 GG eher nicht zu überzeugen vermag.

17 Zu den Unwägbarkeiten gerade der Entwicklungen beim Eigentumsgrundrecht auch Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. II, 2011, S. 517.

18 Vgl. dazu pars pro toto BVerfGE 58, 300 (320).

19 Vgl. zu den Tatbeständen des Staatshaftungsrechts und zu seiner – nicht sehr übersichtlichen – Entwicklung näher Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1998.

20 Vgl. erneut BVerfGE 58, 300 ff.

21 BVerfGE 58, 137 ff.; 58, 300 ff.

22 Exemplarisch für den Atomausstieg erörtert (und verneint) bei Roller, ZUR 1999, 244 ff.; Böhm, NuR 2001, 61 (62); Roßnagel, ET 1998, 62 f.

23 Vgl. zum Fortbestehen der Ansprüche nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen und des enteignenden Eingriffs – trotz BVerfGE 58, 300 ff. – etwa BGH, DVBl 1987, 568 ff.; zuletzt OLG Brandenburg, Urt. v. 08.11.2011, Az. 2 U 53/10 – juris.

24 Ebenso lag die Konstellation z.B. bei BVerfGE 58, 137 ff.

25 Vgl. zur nachstehenden Problematik der Sachverständigen-Einbeziehung Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, 2000, S. 282 ff. und 336 ff.

26 Vgl. dazu Cosack, in: Frenz/ Müggenborg (Hg.), EEG-Kommentar, 2. Aufl. 2011, § 7 Rn. 18.

27 Dazu m.w.N. auch zur Judikatur Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, § 4 C. V.

28 Dass u.a. dies die Einspeisevergütungssystemen gegenüber reinen Emissionshandelsansätzen o.ä. erforderlich macht, wird z.B. dargelegt von Groth/ Kosinowski, in: Ekardt/ Hennig/ Unnerstall, Erneuerbare Energien, i.E.

29 „Drittrichtung“ als juristischer Terminus bringt zum Ausdruck, dass die Rechtswidrigkeit konkret den einzelnen Bürger tangiert und z.B. nicht nur das Innenverhältnis verschiedener Verwaltungsebenen. Zur historischen Genese sowie zur problematischen Wirkung eines engen Verständnis des – bereits der Begriff gibt zu denken – „Dritten“ gerade im Umweltschutz siehe näher Ekardt, Information, Partizipation, Rechtsschutz, 2. Aufl. 2010, § 5 A.

30 Vgl. Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. II, 2011, S. 518.