Bisher haben Solaranlagenbetreiber und Windanlagenbetreiber einzeln je für sich ihre Strombeiträge - wie sie wetterbedingt gerade kamen - direkt in das konventionelle Energiesystem eingespeist, ohne Rücksicht darauf, ob sie dort gerade erwünscht waren oder nicht. So war es gesetzlich geregelt. Doch inzwischen könnte in manchen sonnigen oder windigen Stunden mehr EE-Strom eingespeist werden als das konventionelle Energiesystem überhaupt benötigt bzw. verträgt. Die Netzbetreiber müssen immer häufiger die Einspeisung zeitweise stoppen, indem sie die Solar- oder Windanlagen ferngesteuert abschalten (abregeln). Eine neue gesetzliche Regelung im EEG lässt das seit 2009 zu.
Jede Abregelung von EE-Anlagen ist jedoch mit Rücksicht auf den Klimaschutz zu vermeiden. Überlegen wir deshalb, wie diese Abregelungen vermieden werden können. Dazu müssen wir die Gründe für das Abregeln der EE-Anlagen kennen. Wir sortieren sie in der Reihenfolge ihres Auftretens:
Abregelgrund 1) Es wird so viel EE-Strom erzeugt, dass eigentlich die Atom- und Braunkohlekraftwerke vorübergehend (stunden oder tageweise) abgeschaltet werden könnten. Aber weil Atom- und Braunkohlekraftwerke sich nicht vorübergehend abschalten lassen, müssen EE-Anlagen zurückstehen.
Abregelgrund 2) Es wird k u r z f r i s t i g (im Stundenbereich) mehr EE-Strom erzeugt als die Stromverbraucher einer Region gemeinsam verbrauchen können.
Abregelgrund 3) Es wird ü b e r W o c h e n mehr EE-Strom erzeugt als alle Stromverbraucher gemeinsam verbrauchen können.
Abregelgrund 4) Es wird s t ä n d i g mehr EE-Strom erzeugt, als alle Stromverbraucher gemeinsam verbrauchen können.
Suchen wir nun also nach technischen Gegenmaßnahmen gegen die Abregelgründe 1 bis 4.
Abregelgrund 1 scheint in technischer Hinsicht am einfachsten zu überwinden (politisch wird das allerdings eine anstrengende Aufgabe). Ersetzen wir die Atom- und Braunkohlekraftwerke durch schnell regelbare Gaskraftwerke. Die kann man bei gutem Wind und hellem Sonnenschein rasch herunterfahren und später genauso rasch wieder hochfahren.Doch halt, so sagen uns die Vertreter der konventionellen Energiewirtschaft, man kann ohnehin niemals alle konventionellen Kraftwerke abschalten. Eine Mindestanzahl muss am Netz bleiben, um es zu stabilisieren. Hier handelt es sich um Must-Run-Kraftwerke - die nicht abgeregelt werden dürfen, weil sie die Frequenz im Verbundnetz durch ihre Schwungmasse stabilisieren.
Wenn wir die konventionellen Kraftwerke zunehmend häufiger abschalten wollen, genügt es also nicht, nur die Atom- und Braunkohlekraftwerke gegen Gaskraftwerke auszutauschen, sondern es wird erforderlich, dass die einspeisenden Solar- und Windanlagen eigene Beiträge zur reaktionsschnellen Spannungs- bzw. Frequenzstabilisierung liefern. Schreiben wir also in unser Pflichtenheft:
Grund 2: Es wird kurzfristig (im Stundenbereich) mehr EE-Strom erzeugt als die Stromverbraucher einer Region gemeinsam verbrauchen können. Hier handelt es sich insbesondere um die mittägliche Erzeugungsspitze der Solarenergie und die Windenergie-Erzeugungsspitzen einer durchziehenden Sturmfront. Diese Erzeugungsspitzen werden regelmäßig von einem Erzeugungsaussetzer gefolgt, besonders bei der Solarenergie, die mit hoher Zuverlässigkeit nachts keinen Strom liefert. Die Pufferung solcher Energiestöße ist naheliegend. Für unser Pflichtenheft notieren wir:
Nun wenden wir uns Grund 3 zu: Es wird vorübergehend mehr EE-Strom erzeugt als alle Stromverbraucher gemeinsam verbrauchen können. Hier sind echte EE-Überschüsse gemeint, und diese Überschüsse gehören nicht abgeregelt, sondern sie müssen gespeichert werden, damit wir einen strategischen Energievorrat für Wochen ohne Wind und Sonne anlegen können. Anmerkung für unser Pflichtenheft:
Nun zu Grund 4: Es wird ständig mehr EE-Strom erzeugt, als alle Stromverbraucher gemeinsam verbrauchen können. Auch dies ist kein Grund zur Abregelung von EE-Anlagen, sondern der Startschuss zur Entlastung der Atmoshäre von überschüssigem CO2 und zur endgültigen Abkehr von der stofflichen Nutzung der fossilen Ressourcen. Zur Zeit werden noch etwa 20 Prozent der Erdöleinfuhren zur Erzeugung von Plastik, Textilien, Kohlenstoffverbundstoffen usw. genutzt und landen letztlich im Verbrennungsofen und als CO2 in der Atmosphäre. Damit wird dann endlich Schluss sein. Schreiben wir in unser Pflichtenheft:
Kern aller dieser dieser Vorschläge ist die Überlegung, dass es Unfug ist, Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien zunächst zu bauen, um sie dann wieder abzuregeln. Von einigen Seiten wird versichert, dass die Abregelung ja nur die Produktionsspitzen betrifft und damit nur wenige Prozent der im Jahr theoretisch erzeugbaren Sonnen- oder Windenergie. Diese Abschätzungen gelten allerdings nur für den gegenwärtigen Bestand an Solar- und Windanlagen und verschließen den Blick vor der zukünftigen Entwicklung. Wenn weitere EE-Anlagen neu errichtet werden, wird die zukünftig abzuregelnde Strommenge überproportional anwachsen und schon bald solche Ausmaße erreichen, dass sich ein weiterer Zubau an Solar- und Windanlagen nicht mehr lohnen wird. Nicht ohne Grund ist im EEG 2012 für Solaranlagen eine vorläufige Obergrenze von insgesamt 52 Gigawatt festgelegt worden.
Kern der hier gemachten Vorschläge ist der konsequente Einsatz von Pufferspeichern zur Glättung der Stromproduktion und von Langzeitspeichern zur Füllung von langdauernden Versorgungslücken bei Windflauten und bedecktem Himmel. Zweifler werden mit Sicherheit das Uralt-Argument bringen, man wisse ja, dass Speicher die teuerste Lösung seien und deswegen nicht zur Diskussion stünden. Dieser Einwand stammt aus der Gedankenwelt der fossilen Technik-Epoche. Damals hat die jederzeitige gute Verfügbarkeit von Kohle, Erdöl und Erdgas dazu geführt, dass Stromspeicher nur kurzfristige Unter- oder Überangebote auszugleichen brauchten, ansonsten aber entbehrlich waren. Zum Ausgleich längerdauernden Strommangels war der Bau eines neuen Kraftwerks und seine netztechnische Verknüpfung mit dem Übertragungsnetz immer die billigere Lösung. Doch in einem angestrebten System mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien hilft diese "Musterlösung aus alten Zeiten nicht mehr weiter, denn auch das nächste Kraftwerk Solaranlage kann nachts nun einmal keinen Strom liefern und eine Windanlage in 100 km Entfernung kann bei Windstille ebenfalls nicht helfen.
Zurück in die Gegenwart: Vergleicht man den Anspruch, den der Solarenergie-Förderverein Deutschland mit seinem Ziel 100 Prozent Erneuerbare Energien erhebt, mit den tatsächlichen Leistungen, die die Erneuerbaren Energien bisher anbieten können, so wird eine gewaltige Diskrepanz sichtbar, denn noch versagen die Erneuerbaren Energien kläglich, wenn es dunkel ist und kein Wind weht. Das Fehlen von Speichern verlangsamt schon jetzt zunehmend den Ausbau der Solar- und der Windenergie. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen.
Ein hohes Ausbautempo der Erneuerbaren Energien bietet große volkswirtschaftliche Vorteile, vermindert die Klimaschäden und die Gefahren der Radioaktivität und die Gefahr von Kriegen um die schwindenden fossilen Ressourcen. Ein hohes Ausbautempo steht deshalb in der Prioritätenliste ganz oben, himmelweit über der Forderung nach Preisgünstigkeit von Speichern, auf die wir ohnehin nicht werden verzichten können! Außerdem werden Speicher auch nicht dadurch billiger, dass man tatenlos auf sie wartet (oder auf die Autoindustrie verweist, die ebenfalls auf billige Speicher wartet).
Die wirkungsvollste Möglichkeit zur Kostensenkung ist die (bereits bei der PV erprobte) Schrittfolge: Anreiz der Massennachfrage, Massenproduktion, Erfahrungsgewinn in der Produktion, Verfahrensverbeserungen, Kostensenkungen. Wir schlagen deshalb eine Integration der Speichereinführung in das EEG vor. Im Solarbrief 2/2012 haben wir Vorschläge für Gesetzesformulierungen gemacht.