Worum geht es
In den letzten Monaten wurde die Öffentlichkeit gezielt durch mehrfache Ankündigungen beunruhigt, wonach Energieversorger einige ihrer flexibel regelbaren Gaskraftwerke stilllegen wollten. Angeblich würde die Einspeisung von Solarstrom den Einsatz dieser Kraftwerke zunehmend unwirtschaftlich machen.
Die WWF-Studie
In der Folge wurden dann Überlegungen angestellt, mit welchen Anreizen man diese Gaskraftwerke für die seltenen Fälle in Bereitschaft halten könne, in denen sie dann doch zwingend gebraucht würden. Die Umweltstiftung WWF Deutschland legte am 8. Oktober 2012 eine Studie des Öko-Institut e.V. und der LBD-Beratungsgesellschaft mbH vor - mit dem Titel "Fokussierte Kapazitätsmärkte. Ein neues Marktdesign für den Übergang zu einem neuen Energiesystem"
(100 Seiten).
Diese Studie schlägt vor, dass die Betreiber von schnell regelbaren Kraftwerken nicht mehr nach der Menge des von ihnen erzeugten Stromes, sondern nach der bereitgestellten Leistung vergütet werden, d.h., dass sie auch dann eine Finanzierung erhalten, wenn diese Kraftwerke keinen Strom liefern. Um diese Studie geht es im Folgenden.
Grundannahmen fehlerhaft
Vorab: Der Solarenergie-Förderverein Deutschland hält diese Studie bereits in ihren Grundannahmen für fehlerhaft. Die eigentliche Ursache für die Minderauslastung der Gaskraftwerke - nämlich die Fortsetzung der Einspeisung von konkurrenzlos billigem (aber extrem klimabelastend hergestellten) Braunkohlestrom wird an keiner Stelle der Studie in Frage gestellt. Auf Seite 52 heißt es sogar ausdrücklich: "Aus diesem Grund werden Braunkohlenkraftwerke nicht in die Analyse einbezogen, da die Problematik der Fixkostendeckung bei den betrachteten Strompreisniveaus und dem sehr preiswerten Brennstoff Braunkohle hier kaum auftreten wird.". Doch genau hier liegt das Grundproblem. Da es in der WWF-Studie nicht befriedigend dargestellt wird, soll es jetzt hier erläutert werden:
Eigentliche Ursache für die Nichtauslastung der Gaskraftwerke
Gemeinsame Ursache nicht nur für die mangelhafte Auslastung der Gaskraftwerke, sondern gleichzeitig auch für die zunehmenden Probleme bei der Eingliederung von Solar- und Windenergieanlagen in das Stromversorgungssystem, ist der Weiterbetrieb von Atom- und Braunkohlekraftwerken, die für Dauerbetrieb ausgelegt sind, und die sich wegen konstruktiver Besonderheiten nicht einfach abschalten lassen, nicht einmal dann, wenn bei einem Überangebot von Solar- und Windstrom der Atom- und Braunkohlestrom keineswegs mehr benötigt wird.
Die bisweilen auch für diese Kraftwerke angewendete mehrdeutige Bezeichnung "Must-Run-Kraftwerke" wird leicht so missverstanden (möglicherweise ist das sogar beabsichtigt), dass man auf sie nicht verzichten kann, doch ist die Bezeichnung anders gemeint: Diese Kraftwerke vertragen es aus technischen Gründen nicht, dass man sie zwischendurch abschaltet. Beim schnellen Herunterfahren und insbesondere beim Abschalten und der damit verbundenen Abkühlung treten hohe Wärmespannungen auf, die die Lebensdauer beeinträchtigen. Diese Kraftwerke müssen deshalb durchgehend in Betrieb gehalten werden. Allenfalls eine langfristig vorgeplante und gründlich vorbereitete zeitaufwendige Revision einmal im Jahr ist vorgesehen. Man bezeichnet diese Kraftwerke auch als "Grundlastkraftwerke" - ein Euphemismus, hinter dem sich ihr Mangel verbirgt, dass sie nur schlecht regelbar sind. Im Gegensatz dazu werden die schnell regelbaren Gaskraftwerke auch als "Spitzenlastkraftwerke" bezeichnet.
Mit Rücksicht auf die schlecht regelbaren Grundlastkraftwerke werden zunehmend zu den besten Sonnenstunden und zu den günstigsten Windzeiten Wind- und Solarstromanlagen abgeregelt, so dass sich der weitere Zubau von Wind- und Solaranlagen volkswirtschaftlich und umwelttechnisch immer weniger lohnt. Wir haben das in dem Beitrag "Grundlastkraftwerke erzwingen vorzeitige Abregelung von Solar- und Windanlagen" ausführlich dargestellt. Solarbrief 3/12, Seite 16.
Die Abregelung von Solar- und Windanlagen führt dann dazu, dass die fluktuierenden Einspeisungen nicht weiter zunehmen und deshalb auch kein weiterer Bedarf an Spitzenlastkraftwerken zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung entsteht. Das Beharren der Stromwirtschaft auf dem Weiterbetrieb von Grundlastkraftwerken - schlimmer noch, der Neubau von Grundlastkraftwerken (z.B. die Inbetriebnahme zweier neuer Braunkohleblöcke in Neurath im August 2012) ist also die Ursache für die Unwirtschaftlichkeit der Spitzenlastkraftwerke.
Subventionierung der von der Stromwirtschaft unwirtschaftlich gemachten Gaskraftwerke?
Die Betreiber der großen Kraftwerke machen somit durch den fortdauernden Einsatz der Grundlastkraftwerke ihre eigenen
Gaskraftwerke unwirtschaftlich und verlangen dann von der Politik eine Subventionierung der unwirtschaftlich gemachten Gaskraftwerke durch Kapazitätsanreize. Die Begründung für diesen Widersinn liefert die WWF-Studie. Dort heißt es auf Seite 18:
"Margensituation für Neubaukraftwerke: (...) Der massive Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, vor allem der Solarstromerzeugung hat vor allem seit 2010 im Bereich der Peakpreise zu einem massiven Preisverfall geführt."
Damit ist folgendes gemeint: In den vergangenen Jahren hat die Sonnenenergie an etlichen Tagen den erhöhten Stromverbrauch der Stromkunden zur Mittagszeit weitgehend ausgeglichen. Dadurch erübrigte sich an diesen Tagen der Einsatz der Spitzenlastkraftwerke (also in der Mehrzahl genau die Gaskraftwerke, um die es in diesem Beitrag geht).
Die Börsenpreise sanken erheblich, da sie sich immer nach dem teuersten Stromangebot richten, welches zum Zuge kommt.
Da der teure Spitzenlaststrom nicht gebraucht wurde, hatten nicht nur die Spitzenlastkraftwerke Auslastungsprobleme, sondern auch für die Grundlastkraftwerke sanken die Strompreise (Merit-Order-Effekt). Dies ist der unmittelbare Anlass für die eingangs geschilderten Befürchtungen. Insoweit ist die Aussage der WWF-Studie, der massive Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, vor allem der Solarstromerzeugung hätte im Bereich der Peakpreise zu einem massiven Preisverfall geführt, zwar richtig, aber sie gilt nur für die Vergangenheit!
Der Fehler liegt im Ausbremsen des Solarausbaus
Die Situation könnte längst bereinigt worden sein. Hätte man den weiteren Ausbau der Sonnenenergie in den letzten Jahren nicht massiv gestoppt und würde man Solaranlagen um die Mittagszeit NICHT abregeln, so würden sich die Verhältnisse bald umdrehen. Um die Mittagszeit würde die Sonennenergie bei weiterem Ausbau nicht nur den mittäglichen Mehrverbrauch der Stromkunden abdecken, sondern bald schon erheblich mehr. Um die Mittagszeit würde es dann bald keinen Strommangel, sondern im Gegenteil einen erheblichen, bisher kaum vorstellbaren Stromüberschuss geben. Die Grundlastkraftwerke müssten dann eigentlich um die Mittagszeit abgeregelt werden, aber da das technisch nicht möglich ist, müssten sie endgültig stillgelegt und durch Spitzenlastkraftwerke ersetzt werden.
Abends, nachts und am frühen Morgen könnten, bzw. müssten dann die Spitzenlastkraftwerke mehr Strom liefern (wenn nicht zufällig der Wind die zeitliche Lücke ausfüllt). Sie würden mehr gebraucht als je zuvor.
Damit ist eine der Grundvoraussetzungen für die WWF-Studie falsch!
Deer Bedarf an Spitzenlaststrom würde gewaltig zunehmen. Insbesondere am Tag der Jahreshöchstlast müssten - wenn dann zufällig kein Wind weht - die Gaskraftwerke zusammen mit den noch verbliebenen Mittellastkraftwerken die gesamte Stromversorgung (die Last) abdecken.
Also, nicht die Erneuerbaren Energien drängen die Gaskraftwerke aus dem Markt, sondern die Grundlastkraftwerke verhindern mit billigem, klimaschädlich oder atomar hergestelltem Strom den rentablen Einsatz von Gaskraftwerken genauso wie den Einsatz wachsender Mengen von Erneuerbaren Energien!
Vorschlag des SFV
Unser Vorschlag lautet deshalb:
Nicht flexible Gaskraftwerke, sondern unflexible Grundlastkraftwerke müssen stillgelegt werden! Ohne diese Maßnahme bleibt der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien auf halbem Wege stecken.
Grundlastkraftwerke passen nicht mehr in ein zukünftiges umweltfreundliches Energieversorgungssystem.
Schnell regelbare Gaskraftwerke hingegen sind notwendige und natürliche Partner für die fluktuierenden Erneuerbaren Energien. Sie werden auch dann Partner bleiben, wenn sie in fernerer Zukunft mit Methangas betrieben werden, das nicht aus der Erde stammt, sondern mit überschüssiger Wind- und Sonnenenergie aus dem CO2 der Atmosphäre hergestellt wird.
In einem weiteren Beitrag werden wir Vorschläge machen, auf welche Weise die Zahl der Grundlastkraftwerke verringert werden kann und woher an Tagen ohne Wind und Sonne der Strom kommen soll.
Einen dritten Beitrag werden wir der Frage widmen, welche technischen und wirtschaftlichen Maßnahmen erforderlich werden, um bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit und die Stabilität des Stromnetzes auch dann zu sichern, wenn zu Zeiten hoher Solareinspeisung und oder guter Winderträge alle konventionellen Kraftwerke vorübergehend abgeschaltet werden können.