Zusammenfassung der Forderungen des SFV

  • Beschleunigung des Umstiegs auf Erneuerbare Energien (EE), um die derzeitige Doppelbelastung (Ausbau EE bei gleichzeitige Modernisierung von Teilen des fossilen Systems) zu verringern
  • Steigerung des Tempos beim EE-Ausbau durch Erhöhung der Förderbeträge
  • Sofortiger Beginn eines Speicher-Förderprogramms für Kurz- und Langzeitspeicher
  • Gerechtere Verteilung der Kosten (Abbau des Industrieprivilegs)
  • Weiterentwicklung des Strommarktes zu einem „Spotmarkt-only“-Modell
  • Schaffung mehrerer Preiszonen im deutsch-österreichischen Strommarkt
  • Dezentralisierung der Stromversorgung, auch aus Gründen der Versorgungssicherheit
  • Ersatz der CO2-Zertifikate durch eine CO2-Steuer
  • Kein Neubau von Fernübertragungsleitungen

Einleitung

Im Vorwort des Grünbuchs ermuntert Bundesminister Gabriel „alle Beteiligten, sich in der Diskussion über den zukünftigen Strommarkt intensiv zu engagieren“. Dieser Aufgabe wollen wir als SFV mit dieser Stellungnahme nachkommen.
Beginnen wir mit den Prämissen. Minister Gabriel geht von einem Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit aus. Für den SFV als Umweltschutzverein steht naturgemäß die Umweltfreundlichkeit der Stromversorgung im Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Da aber die Stromversorgung heute ein unverzichtbarer und überlebenswichtiger Faktor des gesellschaftlichen Daseins ist, kommt der Versorgungssicherheit ein nicht weniger wichtiger Rang zu. Wirtschaftlichkeit stellt hingegen, wenn man sie als „Preisgünstigkeit“ versteht, keinen Wert an sich dar; im Anbetracht wachsender Reichtumsunterschiede in Deutschland ist es jedoch wichtig, das Problem einer „Energiearmut“ mit geeigneten, vor allem sozialstaatlichen Mitteln zu bekämpfen.

An dieser Stelle möchten wir gleich die Aussage von Herrn Gabriel zurechtrücken, mit der Reform des EEG 2014 einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Kostenreduktion und Planbarkeit gegangen zu sein. Mit der EEG-Reform 2014 ist der Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland weiter stark abgebremst worden. Diese Entwicklung als „Planungssicherheit für den anstehenden Strukturwandel in der konventionellen Stromversorgung“ zu verkaufen (Grünbuch, S.3), zeigt, worauf das Ministerium Wert legt: Eine noch auf längere Zeit gesicherte Weiterexistenz der klima- und umweltzerstörenden fossilen Stromversorgung.

Auch bei der im Vorwort als unhinterfragbares Faktum angesprochenen Verknüpfung der „klassischen Industrie mit der IT-basierten Steuerung einer komplexen Stromversorgung“ (S.2) müssen wir erhebliche Bedenken anmelden. Gerade hinsichtlich der Anfälligkeit solcher komplexer Systeme gegenüber Störungen, Extremwetterereignissen, aber auch Manipulationen, IT-Angriffen und terroristischen Attacken, sollte die für die Gesellschaft so wichtige Stromversorgung möglichst robust und ohne potentiell anfällige IT-Strukturen aufgebaut sein. Wenn man von der zuverlässigen Stromversorgung abhängige IT-Systeme benötigt, die ein Stromversorgungssystem "intelligent" steuern sollen, dann muss die skeptische Frage erlaubt sein, wie denn diese Steuerung bei einem Stromausfall funktionieren soll.

Die Lösung kann nur lauten, dass die einzelnen Zellen eines Stromversorgungssystems aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Informationen über örtliche Spannung und Frequenz autonom (nicht ferngesteuert) die "richtigen" Entscheidungen treffen müssen. Ein hohes Maß an Versorgungssicherheit bedingt deshalb unserer Überzeugung nach eine stärkere Dezentralisierung der Stromversorgung bis hin zu Einheiten, die auch als Zelle ohne das europäische Gesamtnetz im Notfall eine Grundversorgung der Bevölkerung mit Strom sicherstellen können. An dieser Stelle bereits vorab der Hinweis, dass dazu eine Ausstattung mit dezentralen Speichern unverzichtbar ist.

Als grundlegende Vorbemerkung zum Aspekt der geforderten Wirtschaftlichkeit der Stromversorgung möchten wir zudem betonen, dass Sicherheit und Robustheit klaren Vorrang vor Preisgünstigkeit besitzen müssen. Die Tatsache, dass ein Zusammenbruch der Stromversorgung unermessliche Schäden in materieller und sogar in personeller Hinsicht nach sich ziehen würde (siehe dazu den Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzungen für den Deutschen Bundestag über die Folgen eines großflächigen länger dauernden Stromausfalls (1) , wird bei den bisherigen Überlegungen zur Zukunft der Stromversorgung in sträflicher Weise vernachlässigt. Schlimmer noch, die derzeit erwogenen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit gehen von der irrigen Annahme aus, dass zentrale Versorgungssysteme mit zentralen Großkraftwerken und von dort versorgten Fernübertragungstrassen einen Zuwachs an Versorgungssicherheit bedeuten würden. Das Gegenteil ist der Fall. Die derzeitige Situation lässt sich vergleichen mit den Überlegungen, die das Pentagon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zur Entwicklung des Internets anstellte. Die damals festgelegte Struktur des Internets (die heute gilt) entsprang der Einsicht, dass zentralgesteuerte Strukturen im Krisenfall (damals: Dritter Weltkrieg) viel anfälliger wären als dezentrale, netzartige (und „selbstähnliche“) Strukturen.

Zu einer ehrlichen Betrachtung der Kosten gehört es aber auch, in die Kostenberechnung der noch in weiten Teilen fossilen Stromversorgung die Umweltbelastungen, Gesundheits-Beeinträchtigungen und sonstige Folgekosten (externalisierte Kosten) mit einzubeziehen. Dieser Aspekt wird an keiner Stelle im Grünbuch erwähnt. Selbst im Kapitel 8, das sich mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung beschäftigt, wird „Kosteneffizienz“ nicht mit den Kosten des Klimawandels korreliert, vielmehr werden dort „indirekte Kosten“ lediglich im Zusammenhang mit dem „Schutz energieintensiver Unternehmen“ erwähnt (S.36), was an sich eine unter klimapolitischen Erwägungen hochproblematische Prämisse darstellt.

Eine zentrale Erwägung des Grünbuchs dreht sich um die Frage, ob die jetzige Strommarktordnung, die bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Regelenergie) einen „Energy-only“-Markt darstellt, um einen Kapazitätsmarkt für vorgehaltene Leistung zu ergänzen sei. Das Ministerium verneint mit Blick auf unterschiedliche Gutachten diese Frage. Ein „von Preisobergrenzen befreiter Markt“ würde bei Knappheit kurzzeitig so hohe Preise erwarten lassen, dass sich allein hierdurch genügend Anreize für Investoren und Betreiber zur Bereithaltung von Kapazität ergäben und ein Kapazitätsmarkt damit nicht erforderlich sei. Ob diese Annahme richtig ist, mag bezweifelt werden, denn hier wird der Zeitfaktor außer Betracht gelassen. Bei sich abzeichnenden Engpässen soll gemäß Grünbuch auf das Mittel der „Reservekraftwerke“ zurückgegriffen werden, wie es derzeit von der Bundesnetzagentur (BNetzA) für Süddeutschland bereits angewendet wird.

Aus Sicht des SFV ist es zweitrangig, auf welchem Wege die Sicherheit der Stromversorgung und der Zugriff auf gesicherte Leistung bewerkstelligt werden. Wesentlicher ist die grundsätzliche Diskussion der Frage, wie weit Zukunftsvorsorge privatisiert und damit Gegenstand betriebswirtschaftlicher Gewinnmaximierungsinteressen werden darf.

Das vom Ministerium im Grünbuch skizzierte Marktmodell soll in allen wesentlichen Elementen so bleiben wie das bereits jetzt bestehende. Das Ministerium schlägt vor, durch den beschlossenen Bau der Fernübertragungsleitungen Nord-Süd sowie Ausweitung der europäischen Vernetzung den Stromhandel innerhalb der Preiszone Deutschland/Österreich auszuweiten. Durch den Einsatz von Flexibilitätsoptionen (Lastreduktion, Power-to-Heat, Stromexport- und Import, ...) soll das Gesamtsystem Stromversorgung zu möglichst geringen Kosten stabilisiert werden. Auch die Abregelung von Spitzenerzeugung (Erzeugungsmanagement) bei den Erneuerbaren gehört zu den angegebenen Optionen.
Dabei fällt ein krasses Missverhältnis zwischen den vorgesehenen Behelfsmaßnahmen und den großen Zeiträumen auf, die bei geringen Angeboten von Wind- und Sonnenenergie überbrückt werden müssen. Die Nichterwähnung von Langzeitspeichern in diesem Zusammenhang lässt den Verdacht aufkommen, dass auf diese Weise ein „Reservoir“ an konventioneller Erzeugung auf Dauer erhalten werden soll.

Abgesehen von den vorstehenden Erwägungen, beurteilt der SFV das Grünbuch anhand folgender Fragestellungen:

1. Welchen Zweck soll die Marktordnung vorrangig erfüllen?
2. Ist eine Preiszone für ganz Deutschland und Österreich (wie derzeit) überhaupt sinnvoll?
3. Wie kann die Energieversorgung insgesamt umweltfreundlich gestaltet werden?
4. Sind die jetzigen gesetzlichen Regelungen zur Kostenverteilung gerecht und zukunftsfähig?
5. Ist das im Grünbuch beschriebene Konzept vollständig?

Welche Marktordnung ist zielführend?

Obwohl an vielen Stellen die richtigen Feststellungen zur Ist-Situation getroffen werden (z.B.: konventionelle Mindesterzeugung als Problem bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren) bewirken die genannten Vorschläge eben keine bessere Integration der Erneuerbaren in das Stromversorgungssystem. Im Gegenteil: Das im Grünbuch vorgestellte Konzept geht wesentlich von einer Bewahrung des Status quo aus, in dem die konventionelle Stromversorgung den Löwenanteil der Versorgung deckt. Mit zunehmendem Ausbau der Erneuerbaren werden allerdings die in der jetzigen Marktordnung schon deutlich erkennbaren Probleme verstärkt:

  • Der Preisverfall am Spotmarkt gefährdet die Rentabilität dringend benötigter Gaskraftwerke.
  • Der jetzige Spotmarkt steht in Konkurrenz zum vorausgehenden Terminmarkt und OTC-Handel; dadurch trifft das steigende

Angebot an Erneuerbaren Energien auf eine bereits verkleinerte Nachfrage. Es kommt am Spotmarkt zunehmend zu sinkenden, teilweise sogar negativen Preisen. Der Vorrang der Erneuerbaren wird dadurch ausgehebelt und Kapital in Form von billigem Strom ins Ausland deutlich unter Wert verschleudert oder gar bei negativen Spotmarktpreisen vernichtet.

Der SFV hat für diese Problemstellungen einen Lösungsweg formuliert und in den vergangenen Monaten öffentlich gemacht: Die Auflösung des Terminmarkts und des OTC-Handels und die ausschließliche Vermarktung des gesamten Stroms über den Spotmarkt („Spotmarkt-only“-Modell). http://www.sfv.de/artikel/nachteilige_auswirkung_von_terminmarkt_und_otc-handel_auf_die_stromerzeugung_aus.htm

Kernpunkte unseres Vorschlags zu „Spotmarkt-only“ sind folgende Aspekte:

1. Nur der Spotmarkt kann den Strombedarf bei einer vorwiegend oder vollständig auf fluktuierenden Erneuerbaren Energien fußenden Stromerzeugung mit Hilfe von Speichern bzw. einer restlichen (residualen) konventionellen Stromversorgung in Einklang bringen, denn erst am Vortag kann die zu erwartende, vorrangig einzusetzende Menge an Erneuerbarer Energie zuverlässig abgeschätzt und damit der Bedarf an Residualleistung und -energie ermittelt werden.

2. Eine Spotmarkt-only-Marktordnung sichert effektiv den Vorrang der Erneuerbaren Energien im Netz, da keine Handelsgeschäfte mehr erlaubt sind, die den Bedarf im Vorfeld mit fossilen Energien abdecken und die existierenden Netze verstopfen.

3. Ein Spotmarkt-only kann zu einer passgenauen Residuallast-Bedarfsdeckung durch flexible Kraftwerke beitragen, während schwer (ab-)regelbare konventionelle Kraftwerke unter Umständen den schnellen Zyklen nicht folgen können und deshalb zeitweise ganz abgeschaltet bleiben müssen. Diese Lenkungswirkung wäre außerdem auch zu begrüßen, weil die letztgenannten Kraftwerke die aus ökologischer Sicht bedenklichsten sind.

4. Wie sich das Preisniveau am Spotmarkt entwickeln wird, ist von mehreren Faktoren abhängig. Sollte jedoch das Angebot an konventioneller Energieerzeugung (Grundlastkraftwerke) bei gleichzeitigem Aufbau einer strategischen Reserve aus erneuerbar erzeugtem Methan oder Methanol sinken, so kann erwartet werden, dass die Preise ansteigen. Damit wird sich die Wirtschaftlichkeit von schnell regelbaren Gaskraftwerken und von Stromspeichern verbessern und Anreize schaffen, in diese zu investieren.

5. Die Differenzkosten zwischen Spotmarkt-Preis und EE-Einspeisevergütungen – und damit die EEG-Umlage für Stromverbraucher – werden sinken.

Einheitliche deutsch-/österreichische Preiszone?

Auch die zweite Fragestellung, nämlich die nach der räumlichen Größe des Marktgebiets, wird von uns anders beantwortet als im Grünbuch des Ministeriums. Aus Sicht des SFV zeigt bereits die heutige Situation, dass eine Aufteilung der gemeinsamen deutsch-österreichischen Preiszone aus verschiedenen Gründen dringend geboten scheint. In der Ist-Beschreibung kommt das Ministerium zu der Ansicht, im Norden Deutschland werde das Stromangebot perspektivisch steigen aufgrund des Ausbaus der Windenergie und im Gegenzug sei eine Verknappung des Angebots wegen des Wegfalls von Atomkraftwerken im Süden zu erwarten. Damit wird der geplante und beschlossene Fernleitungsbau letztlich begründet.
Bei den Betrachtungen bleiben jedoch viele Aspekte unberücksichtigt:

• Die Gesamt-Sicherheit der Stromversorgung ist maßgeblich davon abhängig, ob regional genügend Kraftwerkskapazität zur Bedarfsdeckung vorhanden ist. Eine Stromversorgung, die asymmetrisch (Erzeugungsüberschuss im Norden, Unterdeckung im Süden) konstruiert und dauerhaft auf einen Stromtransport über lange Entfernungen mit einer begrenzten Zahl an Fernleitungen ausgelegt ist, kann nicht wirklich sicher sein.

• Der in Norddeutschland produzierte Windstrom wird künftig auch zur Kompensation der drei in Norddeutschland abzuschaltenden Atomkraftwerksblöcke benötigt.

• Über die geplanten Fernleitungen wird vornehmlich Braunkohlestrom fließen, weil die Braunkohlekraftwerke im „Braunkohlegürtel“Deutschlands sich nicht weiter als bis zur halben Höchstleistung herunterregeln lassen.

• Die notwendigen Enteignungen sind möglicherweise grundgesetzwidrig, weil der Gemeinwohlnutzen von Braunkohlestromtransport fraglich ist.

• Die neuen Fernübertragungsleitungen stellen einen gravierenden Eingriff in die Umwelt dar.

• Der Fernleitungsbau verdeckt die notwendige öffentliche Diskussion über regionale Erzeugungs- und Speicherkapazitäten, insbesondere bezüglich eines forcierten Ausbaus der Windenergie in Süddeutschland.

Der SFV kommt zu der Schlussfolgerung, dass eine Aufteilung der jetzigen deutsch-österreichischen Preiszone in mindestens zwei Teilbereiche viele Vorteile bieten würde und die richtigen Anreize für eine möglichst regionale Stromversorgung setzen würde:

• Ein Aufteilung würde den Strom in Norddeutschland signifikant verbilligen (statistisch gesehen hohes Angebot an Erneuerbaren Energien) und in Süddeutschland verteuern (Mangel an Erzeugungskapazität aufgrund wegfallender Erzeugung aus Atomkraftwerken.

• Die Preisentwicklung würde Investitionen in flexible Gaskraftwerke in Süddeutschland effektiv anreizen.

• Die Bürger in Süddeutschland müssen von der Politik in eine Debatte eingebunden werden, wie steigenden Strompreisen in der süddeutschen Zone begegnet werden kann. Als Folge ist zu erwarten, dass auch die politisch gewollte Verhinderung von Windenergieanlagen überdacht und hoffentlich revidiert wird. Letztlich müssen die Politiker in Süddeutschland ihren Bürgern erklären, dass sie für den „Verzicht“ auf Windkraftanlagen im Landschaftsbild einen Preis zahlen müssen.
Der Bau neuer Fernleitungen für den Lastausgleich zwischen Nord- und Süddeutschland ist auch deswegen kontraproduktiv, weil er diese wünschbare Anreizstruktur verhindern würde.

Wie kann die Stromversorgung insgesamt umweltfreundlicher gestaltet werden?

Auf die Fragestellung, wie die Stromversorgung insgesamt umweltfreundlicher gestaltet werden kann, gibt das Grünbuch aus Sicht des SFV keine schlüssigen Antworten. Es ist von einer Wiederbelebung des europäischen Emissionshandels die Rede. Doch kommen immer mehr Betrachter zu der Überzeugung, dass vom Emissionshandel noch auf Jahre keine Lenkungswirkung zu erwarten ist. Der Emissionshandel – das zeigen alle bisherigen Erfahrungen – ist ein Kompromiss auf einem völlig unzureichenden Level. Überdies hat das Postulat von „Verschmutzungsrechten“, mit denen Handel getrieben werden kann, als ob die Schädlichkeit von Treibhausgas-Emissionen eine Funktion von Marktsituationen sei, in der Öffentlichkeit zu einem berechtigten Misstrauen gegenüber den Klimaschutzbemühungen der europäischen Politik geführt, die den zivilgesellschaftlichen Elan auf diesem Politikfeld zu lähmen droht.

Hier bedarf es aus Sicht des SFV neuer Maßnahmen, die auch im nationalen Rahmen realisierbar sind. Der SFV hat hierzu bereits im Jahr 2014 vorgeschlagen, eine steigende, nationale Besteuerung von CO2-Emissionen einzuführen. So lassen sich mit der Zeit besonders umweltschädliche (Braun-) Kohlekraftwerke aus dem Markt drängen. Dies ist auch gerecht, da durch eine CO2-Besteuerung die heutigen Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der fossilen Energien (Auslagerung der Umweltschäden auf die Allgemeinheit) wenigstens partiell zurückgenommen werden.

Noch vorrangig vor der CO2-Besteuerung bedarf es aber nach SFV-Überzeugung einer Änderung des EEG dergestalt, dass der Bestand an Erneuerbaren Anlagen schneller wächst. Hierzu muss es insbesondere für Investitionen von Bürgern wieder attraktive Vergütungssätze geben. Darüber hinaus sind bürokratische Hemmnisse für Photovoltaik (EEG-Umlage auf Eigenverbrauch, teure Vorrichtungen zur Abregelung, Zwang zur Selbstvermarktung,…) und Windenergie (Ausweisung von Vorrangflächen durch die Gebietskörperschaften kann in Verbindung mit Abstandsregelungen den Ausbau praktisch verhindern) zu beseitigen.

Kosten gerecht verteilt?

• Die größten Vorteile ziehen Großverbraucher aus der jetzigen Marktlage. Sie zahlen – abhängig von der Verbrauchsmenge und unabhängig von der Länge des Transportweges – mit Abstand die geringsten spezifischen Kosten für Strom. Der umweltpolitisch wünschbare Anreiz, Energie zu sparen, wird hier verfehlt, und überdies die bereits von der EU monierten Wettbewerbsverzerrungen ohne Not herbeigeführt.

• Lasten für den Aufbau der Erneuerbaren Infrastruktur und den Ausbau der Verteilernetze tragen in erster Linie kleine Mittelständler, Handel und Gewerbe (also die arbeitsintensiven Sektoren der Volkswirtschaft) sowie die Haushalte (bei denen sich das sozialpolitische Phänomen der „neuen Armut“ dann als „Energiearmut“ äußern kann).

• Das bestehende Regelwerk wälzt alle Kosten, auch die für neue Fernübertragungsleitungen, auf die vorgenannten Gruppen ab, die Großindustrie (Großverbraucher) kann sich nach geltender Gesetzeslage auch in diesem Fall weitgehend aus der Kostenbeteiligung stehlen.

Das Grünbuch adressiert alle diese Ungerechtigkeiten nicht. Es entsteht der Eindruck, als ob eine gerechtere Kostenverteilung auch auf Dauer nicht vorgesehen ist.

Die Komponente Speicher kommt im Grünbuch viel zu kurz

Neben der Marktordnung, den aus Sicht des SFV notwendigen Gesetzesänderungen zur CO2-Besteuerung, und einer gerechteren Kostenverteilung, ist noch ein weiterer wesentlicher Aspekt zu benennen, der im Grünbuch offen bleibt.
Die Komponente „Speicher“ findet allenfalls im Kontext von Flexibilitätsoptionen Erwähnung. Dabei stellen sowohl Kurzzeitspeicher (z.B. zur „Glättung“ der Einspeisung von Photovoltaikanlagen) als auch Saisonspeicher (für Zeiten mit wenig Sonnen- und Windenergieangebot) zentrale Bausteine einer Erneuerbaren Energieversorgung dar. Entgegen den allgegenwärtigen Aussagen in Studien, Speicher würden erst bei hohen (60%) bis sehr hohen (80%) Anteil Erneuerbarer Energien benötigt, fordert der SFV bereits seit langem ein sofort beginnendes Einführungsprogramm für Stromspeicher.
Während auf der Seite einer Erneuerbaren Erzeugung mit Wind- und Solaranlagen vom Volumen her hohe Potentiale und ausgereifte, marktfähige Techniken bereits zur Verfügung stehen, stecken Stromspeicher noch in den Kinderschuhen. Aus Sicht des SFV ist es bereits jetzt zwingend geboten, Einführungsprogramme mit dem Ziel der Entwicklung von Technologien und der Verbilligung durch Massenproduktion zu starten, damit die Techniken dann serienreif und preisgünstig zur Verfügung stehen, wenn sie aufgrund des wachsenden Anteils Erneuerbarer Energien benötigt werden.

Schlussbemerkungen

Der SFV entwickelt bereits seit vielen Jahren Konzepte zur vollständigen Umstellung unserer Energieversorgung auf Erneuerbare Quellen. Nicht nur sind viele unterschiedliche Wege dahin möglich, sondern am Ende stehen auch völlig unterschiedliche Lösungen. Während der SFV eine vorwiegend regionale, robuste und von möglichst vielen Bürgern getragene dezentrale Lösung im Blick hat, führen andere Konzepte in zentrale Strukturen, die Bürgerbeteiligung und regionale Wertschöpfung weitgehend unberücksichtigt lassen. Aus unserer Sicht ist es eine wichtige Aufgabe, in der öffentlichen Diskussion diese unterschiedlichen Lösungsansätze zu benennen und die Bürger demokratisch mitentscheiden zu lassen, für welche Konzepte sie sich entscheiden möchten. Wir wünschen uns, dass insbesondere dieser Aspekt mit in die Formulierung des Weißbuchs eingebracht wird.

Tiefer gehende Analysen der angesprochenen Punkte finden sich im Internet-Auftritt des Solarenergie-Fördervereins Deutschland – www.sfv.de .


(1) http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/056/1705672.pdf