Am 18. September 2013 (vier Tage vor der Bundestagswahl) hat der BDEW-Vorstand - die Interessenvertretung der konventionellen Energiewirtschaft - eine Handlungsempfehlung für die Politik beschlossen. Der BDEW will insbesondere eine Pflicht zur Direktvermarktung von Strom aus neuen Erneuerbaren-Anlagen zum Kern der EEG-Reform machen.

"Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende muss der Rollentausch zwischen den Erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken gelingen. Aus Subventionsempfängern müssen Kaufleute werden", so äußerte sich Hildegard Müller, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Zu den zentralen Punkten des BDEW-Vorschlages hier eine Kurz-Stellungnahme des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (SFV):

Die vom BDEW vorgeschlagene Handlungsempfehlung für die Politik spiegelt ausschließlich die Interessen der konventionellen Kraftwerkswirtschaft an einer Beibehaltung der fossilen Stromversorgung - insbesondere aus Braunkohle - wieder. Unter dem Vorwand, die "Energiewende" erfolgreich umsetzen zu wollen, legt der BDEW ein detailliert ausgearbeitetes Programm vor, dessen Befolgung zur Zementierung der bisherigen Stromversorgung mit Grundlastkraftwerken und zur Lähmung des weiteren Ausbaus von Sonnen- und Windenergie führen würde. Dieser eigentliche Zweck wird nur notdürftig getarnt, indem der BDEW von einem "Rollentausch zwischen Erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken" spricht.

Welche "Rolle" soll denn getauscht werden? Soll Braunköhle nur noch bei Wind und Sonnenschein gefördert werden, oder soll sie jetzt CO2-frei Strom erzeugen?

Der Klimaschutz, um den es in der Energiepolitik geht, wird nicht durch einen "Rollentausch" zwischen Braunkohle und Solarenergie erreicht, sondern durch eine möglichst schnelle Ablösung der Kohlekraftwerke - insbesondere der klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke - durch einen Mix aus Erneuerbaren Energien, Energie-Speichern und flexiblen Gaskraftwerken, die später mit Power to Gas betrieben werden können.

Außerdem schlägt der BDEW keinen fairen "Rollentausch" vor, sondern stellt ausschließlich Forderungen, die durch Braunkohlekraftwerke leichter erfüllt werden können als durch dezentrale Solaranlagen, Windanlagen und Speicher. Um diese Tatsache an Beispielen zu demonstrieren, stellt der SFV den Forderungen des BDEW plakativ eigene Gegenforderungen gegenüber.

Der BDEW fordert Beendigung der staatlichen "Subventionen" (gemeint sind die seit 14 Jahren staatlich festgesetzten Mindestvergütungen).
Der SFV fordert die Rücknahme aller Privilegien für die Energiewirtschaft, insbesondere des jahrhundertalten Privilegs auf Enteignung von Grund und Boden zur weiteren Druchführung des Braunkohleabbaus.

Der BDEW fordert eine ferngesteuerte Leistungsverminderung bis zur vollständigen Abschaltung für Solar- und Windanlagen.
Der SFV fordert dagegen die ferngesteuerte Leistungsverminderung bis zur vollständigen Abschaltung von Braunkohlekraftwerken.

Der BDEW fordert die Direktvermarktung von Solar- und Windstrom
Der SFV fordert im Gegenzug die Direktvermarktung von Braunkohlestrom am Spotmark. Die zeitlich vorgezogene Vermarktung von Braunkohlestrom am Terminmarkt ist zu unterbinden, weil damit die Betreiber der Braunkohle- und Atomkraftwerke die Zahlung negativer Spotmarktpreise umgehen.


Die Hauptforderung des BDEW zur Direktvermarktung von Strom aus Erneuerbaren Energien kommentieren wir wie folgt:

Wetterabhängig fluktuierende Energien wie Sonne- und Wind eignen sich nicht für eine Direktvermarktung, da der Verkäufer kein zeitlich verbindliches Angebot für eine Lieferung machen kann. Ein sogenanntes Marktprämienmodell kann diesen Mangel nicht ausgleichen. Auch das perfekteste Marktprämienmodell führt nicht dazu, dass Solarstrom in der Nacht oder Windstrom bei Windstille zur Verfügung steht.

Um eine bedarfsgerechte Versorgung aus Solar- und Windanlagen zu erzielen, müssen vielmehr elektrotechnische Maßnahmen (Umstellung der hardware) durchgeführt werden:

Der SFV-Vorschlag

  • Es müssen Pufferspeicher zur Glättung der pulsierenden Solarstromleistung in alle zukünftigen Solarstromanlagen integriert werden. Dazu sind staatliche Markteinführungsprogramme zu intensivieren.
  • Die Energiegewinnung aus Biomasse und Geothermie ist von Dauerbetrieb auf bedarfsgesteuerten Betrieb umzustellen. Dies kann durch marktliche Anreize erreicht werden.
  • Es müssen Pufferspeicher zur Glättung der Windstromleistung in den Markt eingeführt werden. Dazu sind staatliche Markteinführungsprogramme zu intensivieren.
  • Der konventionelle Kraftwerkspark ist auf flexibel regelbare Kraftwerke umzustellen, die sich bei Solar- und Windüberschuss innerhalb von 2 bis 3 Stunden auf Null herunterregeln lassen. Braunkohle und Atomkraftwerke können das leider nicht. Sie sind zügig aus dem Kraftwerkspark auszugliedern.
  • Die Zahl der flexibel regelbaren Gaskraftwerke muss erhöht werden.
  • Es muss ein strategischer Vorrat von Power to Gas (Methan) und Power to Liquid (Methanol) angelegt werden.

Der SFV fordert

1. dass keine Kraftwerke mit einem CO2-Ausstoß über 300 Gramm CO2 pro kWh zugelassen werden - d.h. keine Kohle- und Braunkohlekraftwerke und weiterhin auch keine Kraftwerke, die radioaktive Abfälle hinterlassen.

2. dass die vom BDEW geforderte Fernabschaltung oder Leistungsreduzierung für Solar- und Windanlagen vorrangig bei Atom- und Braunkohlekraftwerke angewendet wird und erst - wenn diese ihre Stromlieferung vollständig eingestellt haben - bei den Erneuerbaren.

Weitere Ungereimtheiten im BDEW-Vorschlag

Der Satz von Frau Müller, aus Subventionsempfängern müssten Kaufleute werden, ist - wie die Sache mit dem Rollentausch - keineswegs sachgerecht.
Die Einspeisevergütung ist keine "Subvention", denn sie wird nicht aus Steuermitteln gezahlt. Es handelt sich vielmehr um einen gesetzlich festgesetzten Preis, den der Verteilnetzbetreiber für den eingespeisten Strom bezahlen muss, damit der Solar- oder Windanlagenbetreiber seine Solar- oder Windanlage refinanzieren kann. Außerdem ist es wirklichkeitsfremd, von einem Hausbesitzer mit Solardach, der in der Regel bereits einen Beruf ausübt, zu verlangen, dass er darüber hinaus in seiner Freizeit auch noch den Beruf eines Kaufmanns ergreifen und in den Strombörsen-Handel einsteigen soll.

Der SFV wird bei nächster Gelegenheit auf weitere Details des BDEW-Vorschlages eingehen.

 

Der BDEW-Vorschlag - Pressemitteilung


Handlungsempfehlungen für die Politik
BDEW legt neuer Bundesregierung Branchenlösung zur Weiterentwicklung des Energiemarktes vor

Mit EEG-Reform sofort Pflicht zur Direktvermarktung für Neuanlagen einführen/ Energiemarkt soll zu dezentralem Leistungsmarkt umgebaut werden
Die Energiewirtschaft hat eine Lösung für die zukunftsfähige Ausgestaltung des Energiemarktes vorgelegt. Das umsetzungsbereite Konzept, das im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erarbeitet wurde, besteht aus zwei Säulen. Erstens soll eine grundlegende Reform der Förderung von Erneuerbaren Energien erfolgen.
Diese baut auf dem vorhandenen, aber weiter entwickelten Marktprämienmodell auf und sieht zunächst im Kern für Neuanlagen eine Pflicht zur Direktvermarktung ihres erzeugten Stroms vor. Zweitens soll ein dezentraler Leistungsmarkt geschaffen werden, in dem Versorgungssicherheitsnachweise gehandelt werden. Darüber hinaus werden flankierende Maßnahmenpakete in vier weiteren Bereichen empfohlen.

Die unter Beteiligung aller im BDEW vertretenen Unternehmensformen, Sparten und Wertschöpfungsstufen entwickelte Branchenlösung hat der BDEW-Vorstand in einer Sondersitzung am 18. September einmütig beschlossen. "In den vergangenen Monaten wurden viele Modelle in den Gremien des BDEW geprüft. An den Diskussionen haben sich auch kleine und mittlere sowie Unternehmen aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien beteiligt", erklärte BDEW-Präsident Ewald Woste.

Als erste Säule sieht der BDEW eine grundlegende Reform der Erneuerbaren-Förderung vor. "Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende muss der Rollentausch zwischen den Erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken gelingen. Aus Subventionsempfängern müssen Kaufleute werden", so Hildegard Müller, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Die Betreiber neuer Anlagen sollen künftig Verantwortung sowohl im Markt als auch unter technischen Gesichtspunkten übernehmen. "Heute erwarten wir von den Erneuerbaren einfach, dass sie ökologisch Strom produzieren. Künftig müssen sie das aber auch
zuverlässig und kostengünstig tun. Das sind zwei neue Qualitäten, ohne die die Erneuerbaren keine Zukunft haben", sagte Müller.

Der BDEW will eine Pflicht zur Direktvermarktung von Strom aus neuen Erneuerbaren-Anlagen zum Kern der EEG-Reform machen. In einem ersten Schritt soll die Direktvermarktung mit einer gleitenden Marktprämie verpflichtend eingeführt werden. Flankiert wird die Direktvermarktung durch die vom BDEW vorgeschlagene Umstellung der bisher zeitlich befristeten auf eine im Hinblick auf die Strommenge begrenzte Förderung der Erneuerbaren Energien. Damit gibt es keinen Anreiz mehr, Strom bei
negativen Börsenpreisen einzuspeisen; das erhöht die Fördereffizienz.

In einem zweiten Schritt schlägt der BDEW die Umstellung auf eine fixierte Marktprämie vor. Diese soll langfristig in einem
wettbewerblichen Verfahren zum Beispiel im Rahmen einer Auktion und auf der Grundlage eines zwischen Bund und Ländern abgestimmten Ausbaupfades für die Erneuerbaren ermittelt werden.

Außerdem sollen nach den Branchenvorstellungen die Erneuerbaren zunehmend auch Verantwortung für das technische Funktionieren des Stromversorgungssystems übernehmen. Anlagen sollen beispielsweise verpflichtend mit Komponenten u.a. zur Leistungsregelung und Fernsteuerung ausgerüstet sein. Schließlich gehören zum Reformmodell Vorschläge zur Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Ausbau des Netzes. Hierbei handelt es sich wie bei der verpflichtenden Direktvermarktung um Sofortmaßnahmen, die von der neuen Bundesregierung unmittelbar umgesetzt werden können.

Die zweite Säule der Branchenlösung umfasst eine Neuregelung der Marktbedingungen für konventionelle Kraftwerke. "Mit abnehmender Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke steht nach Analyse der Branche das wichtige Gut ´gesicherte Leistung´ und damit die Versorgungssicherheit nicht mehr selbstverständlich zur Verfügung. Wir wollen dafür sorgen, dass konventionelle Kraftwerke künftig auch ihre Reservekapazitäten als eigenes Angebot vermarkten können. Wir schlagen daher vor, rasch die
gesetzlichen Grundlagen für die Einführung eines dezentralen, wettbewerblich organisierten Leistungsmarktes zu schaffen", erklärte Hildegard Müller.

Auf diesem Markt würden gesicherte Kapazitäten von Kraftwerken in Form sogenannter Versorgungssicherheitsnachweise gehandelt. Marktpartner seien auf der einen Seite die Vertriebe, die damit auch bei weiter zunehmenden Anteilen volatiler Erneuerbarer Energien ihren Kunden Versorgungssicherheit anbieten können. Auf der anderen Seite bieten die konventionellen Kraftwerke, aber auch Speicherbetreiber, virtuelle Kraftwerke und regelbare Erneuerbare-Energien-Anlagen, ihre Kapazitäten
an, die im Bedarfsfall abgerufen werden können. "Wir wollen die für die Versorgungssicherheit notwendigen Kapazitäten nicht durch Subventionen sichern, sondern durch einen unbürokratisch organisierten und dezentral funktionierenden Marktplatz", so Müller.

Jedoch müssten für die Weiterentwicklung des Energiemarkts auch die erforderlichen Bedingungen für den Übergang festgelegt werden. Müller: "Daher sollte von der Politik kurzfristig die vom BDEW vorgeschlagene Strategische Reserve, die breite Zustimmung erfährt, mit einer Regionalkomponente eingeführt werden. Die Strategische Reserve ist aufgrund der jetzigen Situation und der Regelung durch die Reservekraftwerksverordnung ohnehin dringend erforderlich. Darüber hinaus müssen auch solide Strukturen zum Aufbau der passenden Netzinfrastruktur für die Energiewende geschaffen werden." Der BDEW setzt sich darüber hinaus für eine Weiterentwicklung der Anreizregulierung zugunsten eines intelligenten Netzausbaus ein.
Außerdem sollen bei den Netzentgelten eine Neuregelung mit einer stärkeren Leistungsorientierung und eine Beschränkung der vermiedenen Netzentgelte auf steuerbare Erzeugungskapazitäten erfolgen.

BDEW-Präsident Ewald Woste betonte, dass die letzten Jahre für die gesamte Energiewirtschaft von Orientierungslosigkeit geprägt waren: "Die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln der Unternehmen wurden Monat für Monat schlechter. Mit Markt hatte die Energiepolitik der letzten Jahre nicht viel zu tun. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie jetzt die Expertise der Energiewirtschaft ernst nimmt und auf der Basis unserer Vorschläge die Orientierungslosigkeit in der energiepolitischen Debatte beendet."

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Ansprechpartner

Frank Brachvogel

Pressesprecher / Press Spokesman

Telefon 030 300 199-1160
E-Mail presse@bdew.de

Anlagen und Materialien

Positionspapier: Der Weg zu neuen marktlichen Strukturen für das Gelingen der Energiewende (PDF)

Charts zur BDEW-Branchenlösung (PDF)

Anlage 1: Kraftwerksplanungen und aktuelle ökonomische Rahmenbedingungen für Kraftwerke in Deutschland - Kommentierte Auswertung der BDEW-Kraftwerksliste 2013 (PDF)

Anlage 2: Vorschläge für eine grundlegende Reform des EEG (PDF)

Anlage 3: Generelle Anforderungen an Kapazitätsmechanismen (PDF)

Anlage 4: Ausgestaltung eines dezentralen Leistungsmarkts (PDF)

Anlage 5: Märkte stärken, Versorgung sichern - Konzept für die Umsetzung einer Strategischen Reserve in Deutschland - Ergebnisbericht des Fachdialogs "Strategische Reserve" (PDF)

Anlage 6: BDEW-Roadmap - Realistische Schritte zur Umsetzung von Smart Grids in Deutschland (PDF)

Anlage 7: Kapazitätsmechanismen - Betrachtung der europäischen Dimension (PDF)