Predigttext aus Jeremia 14 - (Die dazu gehörige Predigt folgt weiter unten)
1 Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre:
2 Juda liegt jämmerlich da, seine Städte verschmachten. Sie sinken trauernd zu Boden, und Jerusalems Wehklage steigt empor.
3 Die Großen schicken ihre Diener nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter.
4 Die Erde ist rissig, weil es nicht regnet auf das Land. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter.
5 Selbst die Hirschkühe, die auf dem Felde werfen, verlassen die Jungen, weil kein Gras wächst.
6 Die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen und schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen erlöschen, weil nichts Grünes wächst.
7 Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben.
8 Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt?
9 Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!
Giselher Quast, Domprediger des Magdeburger Doms im Ruhestand hat dazu folgende Predigt gehalten:
Liebe Gemeinde,
es ist, als hörten wir in diesem Prophetentext die Nachrichten über die Klima-Veränderungen: Das Land liegt jämmerlich da, die Erde ist rissig, die Menschen finden kein Wasser, die Tiere gehen ein. So hat es das Land Juda zur Zeit Jeremias öfter erlebt - eine Naturkatastrophe, die noch viel mehr eine Menschen-Katastrophe war. Jahrzehnte lang hat der Prophet das Volk vor dem Untergang Jerusalems gewarnt, der dann einige Jahre später durch die Babylonier tatsächlich eintrat.
Aber vor der politischen Katastrophe liegt die ökologische Katastrophe, und vor dieser die menschliche Katastrophe - und alles wurzelt in der menschlichen Natur: Egoismus, Überheblichkeit, Ungerechtigkeit, Gewalt, Ausbeutung, kurz in allem, was der Predigttext und die ganze Bibel Sünde nennt.
Es ist, als ob der Predigttext mit dem beginnt, was wir heute wieder erleben: Die Erde erwärmt sich immer mehr, wir gehen einer neuen Heiß-Zeit entgegen, die Weltmeere steigen und vernichten die ersten Inseln, das Jahr 2019 war das zweitheißeste Jahr seit Beginn der Klimamessungen, übertroffen nur noch von 2016 (und das ist erst drei Jahre her)! In Australien brennen die Wälder in nie gekanntem Ausmaß, die Koalabären schreien nach Wasser und verbrennen bei lebendigem Leibe; über eine Milliarde (!) Wildtiere wurde schon vernichtet. In Europa und weltweit sterben 80% der Insekten aus, kaum noch ein Aufprall auf der Windschutzscheibe, kaum noch Falter, die abends um die Straßenlaternen herumflattern. Die Elbe hat permanent Niedrigwasser, und weltweit ist der Kampf um die Ressource Wasser schon längst entbrannt ...
Aber vor der Klimakatastrophe liegt auch heute die menschliche Katastrophe: Das Leugnen der Veränderungen, das Weghören bei den Wissenschaftlern und bei den Jugendlichen von Fridays for Future, die Sucht immer billiger zu produzieren, immer mehr Ressourcen zu ver-brauchen, immer höheren Profit zu machen, dem alles geopfert wird. Auch das ist das, was unser Predigttext und die Bibel unmißverständlich Sünde nennen.
Liebe Gemeinde, es gibt viele Menschen, die am Sonntag in der Predigt nicht auch das noch hören wollen, was sie ohnehin jeden Tag in den Nachrichten sehen oder hören müssen, die sich eine erbauliche, tröstende, Mut machende Predigt wünschen, die Entführung in eine bessere Welt. Und dann wird den Pfarrerinnen und Pfarrern angelastet, sie wären zu modern oder nur von der Gegenwart geleitet und nicht vom biblischen Zeugnis.
Der Text aus dem Propheten Jeremia heute zeigt uns etwas anderes: Hören wir noch einmal genau auf den Anfang: »Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre: Juda liegt jämmerlich da, seine Städte verschmachten. Die Erde ist rissig, weil es nicht regnet auf das Land. Die Brunnen sind leer und die Tiere schnappen nach Luft, weil nichts Grünes mehr da ist.«
Liebe Gemeinde, wer zählt das alles auf, wer klagt da eigentlich? Es ist nicht das Volk, das in der großen Dürre klagt! Es ist Gott selbst, der das alles aufzählt. »Dies ist das Wort, das der HERR sagte über die große Dürre.« Gott klagt den Zustand der Schöpfung an! Und das müssen wir uns von ihm sagen lassen, das müssen wir uns anhören, auch heute! Warum Gott und nicht das Volk? Hat das Volk noch nicht begriffen, dass es umkehren muss, zurück zum Bund mit Gott, zurück zur Natur, zurück zu einem neuen Lebensstil, wenn es leben will?
Was wird das Volk auf diese Klage antworten? »Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer.« Ja, das Volk gibt seine Sünde zu - aber machen soll Gott etwas! Ohne jede Verhaltensänderung schiebt das Volk die Verantwortlichkeit Gott zu. Gott soll aus Not retten, eine Bitte, die sich rasch zur Anklage wandelt: »Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann?« Die ewige, alte Warum-Frage, die immer Gott als den Verantwortlichen ansieht!
Liebe Gemeinde, mir kommt das alles so verdammt bekannt vor: Wir wissen um unsere Sünde, wir wissen um unsere Umweltschäden, wir wissen um unsere eigenen Anteile daran - und tun doch nichts, oder viel zu wenig! Gott soll es richten oder die Regierung oder die Auto-industrie oder das Pariser Klimaschutzabkommen. Und wir fahren weiter Auto, kaufen Billiglebensmittel in Plasteverpackungen, verbrauchen 80% unseres Trinkwassers für die Klospülung, erwärmen die Erde mit unseren Treibhausgasen und haben immer noch nicht begriffen, dass der Punkt, an dem das Gleichgewicht der Schöpfung zu kippen beginnt - irreversibel - schon jetzt erreicht ist, nicht erst 2025 oder 2050! Deshalb klagt Gott, klagt er uns an. Und nur der Schrecken und die Scham über seine Anklage können unser Verhalten verändern.
Liebe Gemeinde, die Naturkatastrophe in Juda im 7. Jahrhundert vor Christus war nicht von Menschen gemacht. Mit Dürre-Katastrophen musste sich ein Volk im Vorderen Orient schon immer auseinandersetzen. Das ist anders als heute, wo allein wir selbst verantwortlich sind. Aber das Muster ist damals wie heute das gleiche: Es geht um unsere Sünde, um unser Nicht-mehr-Hören-auf-Gott, Nicht-mehr-seinen- Willen-tun: »Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert«, sagt der Prophet Micha; »die Erde zu bebauen und zu bewahren«, sagt die Schöpfungsgeschichte; »die Schwerter zu Pflugscharen umschmieden«, fordert Jesaja, »den Fremden sehen und aufnehmen«, nennt Jesus es im Gleichnis, und bei alledem »werden wie die Kinder«, d.h. voller Vertrauen sein, dass es uns bei allem, was wir wagen und lassen, an nichts fehlen wird!
Ihr Lieben, das hat Konsequenzen in unseren Lebensbeziehungen, das hat Konsequenzen in unserer Gesellschaft, das hat wirtschftliche, ökologische und politische Konsequenzen. Und deswegen ist die Leugnung der Klimakatastrophe, wie Trump oder die AfD sie äußern, Sünde. Deswegen ist die Abholzung der Regenwälder, wie Bolzonaro sie vornimmt, Sünde. Deswegen ist das Friesieren von Autoabgasen, wie es auch deutsche Konzerne getan haben, Sünde. Und all das, was wir Tag für Tag in unserem Haushalt, in unserem Zusammenleben, in unseren Gedanken Zerstörerisches tun, ist Sünde! Und Gott klagt und klagt an und zählt auf, auch wenn wir es sonntags in der Predigt nicht gerne hören wollen. Ich glaube, es ist richtig, dass ein Wort wie Klimahysterie, das alle Besorgnis und alle Warnungen zur Massenpsychose erklärt, zum Unwort des Jahres gewählt worden ist.
Schwestern und Brüder, dieser Predigttext ist neu seit der Leseordnungsreform vor zwei Jahren. Und man kann sich fragen: Was hat der eigentlich in der Epiphaniaszeit zu suchen? Epiphanias ist das Aufleuchten der Herrlichkeit Gottes seit der Geburt Jesu Christi. Das heutige Evangelium von der Hochzeit in Kana so ist eine typische Epiphaniasgeschichte: Im ersten Wun-der, das Jesus tut, leuchtet seine Herrlichkeit auf! Aber im Text des Propheten Jeremia tut Gott gerade kein Wunder, auch wenn sich die Menschen das sehr gewünscht haben, sondern er behaftet sie selbst bei ihrer Verantwortung.
Man könnte allenfalls noch eine Parallele ziehen zwischen dem dürren Land, das nach Wasser dürstet, und den Hochzeitsgästen, die auf dem Trockenen sitzen. Aber die Wirklichkeit ist etwas anderes als eine Hochzeit. Damit das Leben überhaupt erst wieder eine Hochzeit, ein Fest wird, erinnert Gott uns an unsere Sünde, von den Umweltsünden bis zu der ganz persönlichen Schuld und den Menschheitsverbrechen. Wir können uns nicht davonstehlen wie das Volk in Juda und Gott das Handeln überlassen: »Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf du doch um deines Namens willen! Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer.« Nein, Gott wird es nicht so tun wie Jesus auf der Hochzeit von Kana, und uns mit einem Wunder die Verantwortung abnehmen!
Liebe Gemeinde, wo erscheint nun Gottes Herrlichkeit in der damals und heute so bedrohten Welt? Wo wird ein bisschen Epiphanias in unserem Predigttext? Für mich in dem allerletzten Satz: »Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!« Diese verzweifelt Bitte »Verlass uns nicht!«, sie könnte im besten Falle heißen: Gib uns nicht auf! Lass uns nicht los! Oder am besten: Lass uns nicht in Ruhe!
Die Zeiten, wo wir uns selbst beruhigen, es wäre ja vielleicht alles gar nicht so schlimm, sind vorbei. Die Zeiten damals wie heute, wo die Dürre-Not nur ein Spiegelbild menschlichen Nöte ist, sind die gleichen. Gott leuchtet unter uns auf, aber ganz anders, als wir denken: als Ankläger, der die Wirklichkeit beim Namen nennt, als Aufklärer, der uns die Ursachen zeigt, als Beunruhiger, der uns zum Handeln zwingt. Wir können froh sein, dass er uns nicht in Ruhe lässt! Darin liegt für mich das Fünkchen Hoffnung. Amen.