Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Förderung von Mieterstrom beginnt mit den Worten: „Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie kann nur gelingen, wenn eine große Vielzahl von Personen und Unternehmen mitwirkt“. Die nachfolgenden Ausführungen beleuchten Teilaspekte des Gesetzentwurfs und messen ihn an seiner Zielsetzung. Daraus ergeben sich Gedanken, die aus der Mitte des Bundestages in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden sollten.

Potential

Ministerin Zypries geht von nur 3,8 Mio. für Mieterstrom geeignete Wohnungen aus. Das Statistische Bundesamt kam im Jahr 2014 auf 41 Mio. Wohnungen. Auch wenn davon rund 17,5 Mio. selbst genutzte Wohnungen abgezogen werden, die die Bundesregierung nicht fördern will, bleiben Dachflächen von rund 23,5 Mio. Mietwohnungen als theoretisches Potential für Mieterstrom.

Nach einer Recherche der Deutschen Presseagentur entfallen von diesen 23,5 Mio. Mietwohnungen 85 %, also 20 Mio. Mietwohnungen auf Genossenschaften und öffentliche Wohnungsunternehmen oder private Kleinvermieter.

Mieterbefragung

Weit über 50 Prozent der deutschen Bevölkerung haben kein Wohneigentum und damit nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Investition in PV-Anlagen. Nach einer im Auftrag von LichtBlick durchgeführten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov können sich 66% der Mieter vorstellen, Mieterstrom zu beziehen. Die Umfrage zeigt weiterhin, dass in 82% der Mietwohnungen keine Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien installiert sind.

Mieterstromförderung läuft gegen Null

Nach Berechnungen von Sonnenkraft Freising e. V. wird die Mieterstromförderung schon bis ca. 2020 soweit abgesenkt sein, dass sie nahezu Null ist. Verantwortlich dafür ist die vorgesehene starke monatliche Degression der Mieterstromförderung. Sie ist mehr als dreimal so hoch wie die Degression bei der Einspeisevergütung.

Wahloption: Mieterstromförderung oder reduzierte EEG-Umlage

Die Bundesregierung räumt ein, dass das EEG 2017 in § 95 Nummer 2 eine Verordnungsermächtigung zur Verringerung der EEG-Umlage von 100 auf 40% bei Mieterstrommodellen enthält. Ihren Gesetzentwurf begründet sie damit, dass er eine passgenauere Förderung ermöglichen würde. Sie verschweigt, dass die Mieterstromförderung wesentlich niedriger ist als die Einsparung, die durch Reduzierung der EEG-Umlage erreicht würde. Die Bundesregierung vergibt die energie- und sozialpolitisch sinnvolle Chance, noch in dieser Legislaturperiode das in § 95 Nr. 2 EEG 2017 genannte Ziel einer Gleichstellung von Mietern und Eigenversorgern bei der EEG-Umlage umzusetzen.

Auch Bund der Energieverbraucher e. V., Bündnis Bürgerenergie e.V., Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e. V., Freunde von PROKON e.V., Landesverband Erneuerbare Energie Sachsen-Anhalt e.V., Metropol Solar Rhein Neckar e.V., Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V., Solarverein Goldene Meile e.V., Sonnenkraft-Freising e.V., E-W-Nord, Bürgerwerke eG, Heidelberger EnergieGenossenschaft eG schlagen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Referentenentwurf des Mieterstromgesetzes an das BMWi vor, die o.g. Verordnungsermächtigung umzusetzen oder zumindest als Wahloption in das Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen.

Dies hätte den Charme, die im Gesetzentwurf vorgesehene Bürokratieaufblähung zu vermeiden und wäre auch wirtschaftlich betrachtet geeignet, ein Höchstmaß an Mieterstrom-Aktivitäten auszulösen und demzufolge viel
mehr Mieter finanziell an der Energiewende teilhaben zu lassen. Quasi nebenher würden die unzureichenden energiepolitischen Anstrengungen beim nationalen Klimaschutz aufgebessert.

Wirtschaftlichkeit des Fördermodelles

Die geplante Mieterstromförderung ist in der Höhe sehr gering. Bei größeren Mieterstromprojekten beträgt sie gerade mal die Hälfte des Vorteils, der bei einer Gleichstellung mit dem Eigenverbrauch privater PV-Eigentümer (Absenkung der EEG-Umlage auf 40%) zu erwarten wäre. Bei kleinen Mieterstromprojekten bis 10 kWp ist die Förderung zwar höher, aber immer noch geringer als bei privaten Eigenverbrauchern, die keine EEG-Umlage zahlen müssen. Der Förderbetrag von ca. 200 Euro pro Jahr für ein gesamtes, kleines Wohnhaus reicht bei weitem nicht, um in Anbetracht des gesetzlich bedingten erheblichen Verwaltungsaufwands eine Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Die vorgeschlagene Wahloption „Mieterstromförderung oder reduzierte EEG-Umlage“ böte daher auch Investitionsanreize für Mieterstromprojekte privater Kleinvermieter.

Risiken

Investoren müssen das Risiko eingehen, dass die Inbetriebnahme der Anlage zurückgehalten werden muss. Denn zusätzlich zum allgemeinen PV-Zubaudeckel von 2.500 MW im Jahr ist speziell für den Mieterstromausbau ein weiterer Deckel von 500 MW pro Jahr vorgesehen. Ist dieser Deckel nach Fertigstellung einer Anlage erreicht, entfällt der Anspruch auf Mieterstromförderung. Die Aussicht auf Förderung des Projektes im Folgejahr ist nur ein schwacher Trost. Denn im Folgejahr verstärkt sich die Investitionsunsicherheit, weil mit zunehmender Verzögerung die Wahrscheinlichkeit kalkulierbarer Mieterstromförderung sinkt.

Hinzu kommt gerade für private Kleinvermieter die Unsicherheit bezüglich der Bereitschaft der Mieter, sich dauerhaft am Mieterstrom zu beteiligen. Private Kleinvermieter können einen Ausfall an Mieterstrom-Einnahmen viel schwerer verkraften als große Vermieter-Gesellschaften.

Unter den vorgesehenen kaum seriös kalkulierbaren Bedingungen werden Finanzierungsinstitute mit der Vergabe zinsgünstiger Kredite für Investitionen eher zurückhaltend sein.

Wohnungsgenossenschaften und -vereine können derzeit keine Investitionen in Mieterstrom-Modelle tätigen, da für die Gesellschaften sonst verheerende Auswirkungen im Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerrecht drohen. Die Bundesregierung unterlässt es, diese seit langem bekannten Blockaden zu beseitigen.

Fazit

Insgesamt betrachtet dürften die neuen Bürokratiehürden und Formalismen sowie die planwirtschaftlichen Hemmnisse (z. B. die 100 KWp-Nennleistungsgrenze pro Photovoltaikanlage und Gebäude, der zusätzliche jährliche 500 MW-Deckel, die Preisobergrenze für Mieterstrom bei 90% (im Referentenentwurf 95%) der Gesamtstromkosten ohne die Wahloption (Mieterstromförderung oder reduzierte EEG-Umlage) kaum nennenswerte Investitionsanreize für Mieterstrom-Modelle bei der großen Masse der privaten Kleinvermieter, den Wohnungsbau-Genossenschaften und den öffentlichen Wohnungsunternehmen auslösen.

Mieterstrom-Modelle sind eher für wenige große Vermieter-Gesellschaften wirtschaftlich darstellbar. Solche Gesellschaften sind z. B. die börsennotierte Vonovia (370.000 Wohnungen), LEG Immobilien (147.000 Wohnungen) und Deutsche Wohnen (110.000 Wohnungen), Stand 2016.

Der Gesetzentwurf verfehlt also sein Ziel, durch Mieterstrom eine große Vielzahl von Personen und Unternehmen bei der Energiewende mitwirken zu lassen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, die „Wahloption Absenkung der EEG-Umlage auf 40%“ zu ermöglichen.

Zum Autor:
Rainer Doemen, Dipl. Finanzwirt, bringt sich als Energieexperte intensiv im Vorstand "Die Freunde von Prokon e.V., im Rat "Bündnis Bürgerenergie e.V." sowie als Mitglied des SFV und des Vereins "Goldene Meile e.V." in die öffentliche Diskussion ein.