Ein Umstieg auf ein Energiesystem mit 100% Erneuerbaren Energien kann nur mit einer ausreichenden Menge an Speichern gelingen. Damit möglichst bald entsprechende Techniken kostengünstig zur Verfügung stehen, müssen wir jetzt mit deren Markteinführung beginnen und für ihre Verbreitung sorgen. Die heutige Struktur unseres Stromsystems behindert jedoch in vielerlei Hinsicht den Einsatz von Speichern. Im SFV haben wir daher in den letzten Monaten eine Idee für ein Speichermarkt-Design (SFV-SMARD) entwickelt und nun präzisiert, die in diesem Artikel der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.

Planetare Grenzen

Anstatt politische Opportunität, Ausbauziele und Techniken festlegen zu lassen, müssen planetare Grenzen aus Klimamodellen die Geschwindigkeit der Reduktion von Treibhausgasen bestimmen. Da die Natur nicht mit uns verhandelt, sind diese feste Leitplanken für unser Handeln und machen es erforderlich, ca. 430 ppm CO2 in der Atmosphäre nicht zu überschreiten. Dies erfordert, die weltweiten Treibhausgas-Emissionen zwischen 2030 und 2040 auf Null zu reduzieren (1) .

Diese Aufgabe wird umso anspruchsvoller, je später mit der Reduktion begonnen wird. Obwohl 2014-2016 drei Jahre lang trotz Wirtschaftswachstum die Emissionen konstant blieben, sind diese 2017 um ca. 2% gestiegen (2). Dies liegt zu einem erheblichen Teil an großen aufstrebenden Volkswirtschaften wie Indien, die mit großen Schritten ihren Wohlstand steigern und dabei auch auf fossile Energieträger setzen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die CO2-Emissionen nicht durch den Zubau von erneuerbaren Energien sinken, sondern ausschließlich durch den Rückbau von Fossilkraftwerken. Dieser kann nur erfolgen, wenn das neue Energiesystem (100% Erneuerbaren Energien) mit Kurz- und Langzeitspeichern ausgestattet wird, sodass ein sicherer Betrieb rund um die Uhr auch ohne fossile Reservekraftwerke möglich ist.

Aus welchen Gründen passiert das Notwendige bisher nicht?

Umfangreiche Investitionen werden grundsätzlich nur getätigt, wenn ein entsprechender business case vorliegt. Offensichtlich ist dies nicht der Fall. Einzige Ausnahme ist die Eigenverbrauchsoptimierung, die volkswirtschaftlich irrelevant ist und zudem lediglich stationäre Kurzzeitspeicher betrifft. Aus volkswirtschaftlicher Sicht benötigen wir jedoch netzdienliche Speichersysteme, die vom Netzbetreiber je nach Bedarf des Netzes und zur Maximierung des EE-Anteils im System fernsteuerbar sind und an der alle Stromkund*innen teilhaben können. Derzeit werden jedoch mögliche Akteur*innen ausgebremst:

Zum einen wird die wirtschaftliche Teilhabe der Bürger*innen an der Energiewende seit der EEG-Novelle 2012 mit sinnlosen bürokratischen Regelungen gezielt erstickt. Zum anderen erlauben die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu allem Unheil den Großkonzernen nur Geschäftsmodelle, die der Energiewende nicht zur rechtzeitigen Vollendung gereichen: Unnötiger Fernleitungsbau für den Export von Braunkohlestrom, maximaler Weiterbetrieb von Fossilkraftwerken und marginaler EE-Ausbau, der das eigene Fossil-Geschäft nicht konterkariert. Diesen Zustand müssen wir schnell ändern.

SFV-SMARD für Speicher

Es stellt sich also die Frage, wie die handlungsfähigen Akteure am Markt dazu gebracht werden können, die notwendigen Investitionen zu tätigen? Offensichtlich ist dies nur über geänderte finanzielle Anreize möglich.

Idee: Die Netzbetreiber bauen und betreiben die Speicher.

Rahmenbedingungen:

  • Netzbetreiber bekommen die volkswirtschaftliche Aufgabe, Strom räumlich und zeitlich zu verteilen.

  • Für diese Aufgabe bauen und betreiben sie Leitungen und Speicher, deren Vollkosten (inkl. garantierter Rendite) sie auf die Netzentgelte umlegen.

  • Leitungen und Speicher sind daher beide Betriebsmittel der Netzbetreiber.

  • Netzbetreiber nehmen EE-Strom-Überschüsse in Speichern auf und vermarkten diese mengengleich zu einem späteren Zeitpunkt an der Strombörse.

  • Speicherverluste gleichen sie durch Zukauf am Markt aus. Diese Kosten werden auf die Netzentgelte umgelegt.

  • Werden EE-Strom-Überschüsse >10% vom Netzbetreiber abgeregelt, da keine Leitungs- bzw. Speichermöglichkeit besteht, trägt der Netzbetreiber die Kosten für die Entschädigung des Erzeugers. Sie dürfen nicht auf Netzentgelte umgelegt werden.

  • Netzbetreiber können ihre Aufgaben auch delegieren. Personen, Genossenschaften oder auch Gesellschaften würden dann wirtschaftlich gleichgestellt.

  • Netzbetreiber müssen regelmäßig (z.B. jährlich) den Speicherbedarf abschätzen und dürfen Bau und Betrieb an Dritte (z.B. Genossenschaften) delegieren. In diesem Fall erhalten diese für jeden Monat, in dem das Speichersystem betriebsbereit und durch den Netzbetreiber fernsteuerbar ist, eine feste Vergütung. Diese ist so bemessen, dass sich die gleiche Rendite wie für den NB ergibt.


Mit der ersten Strommarktreform und dem Unbundling in den 90er-Jahren bekamen die Netzbetreiber die Aufgabe, Strom von einem Ort zum anderen zu transportieren. Damit wurde allen Akteuren ermöglicht, unabhängig vom Ort Stromhandel zu betreiben. Nun erweitern wir die Aufgaben der Netzbetreiber: Strom nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich zu verschieben.

Verträge zur Strom-Lieferung können auf diese Weise nun eine zeitliche Komponente enthalten. Ein Erzeuger von Energie könnte also seinen heute erzeugten Strom an einen Kunden verkaufen, der den Strom aber erst morgen abnimmt. Da dies offensichtlich nur mit Hilfe von Stromspeichern möglich ist, würde eine solche Regelung einen unmittelbaren Anreiz für den Bau von Speichern geben.

Sowohl Übertragungsnetz- wie auch Verteilnetzbetreiber stünden in der Verantwortung, solche Verträge zu ermöglichen. Wichtige Voraussetzung zur Umsetzung wäre, dass Netzbetreiber Speicher gleichwertig wie Leitungen als Netzbetriebsmittel betreiben können. Damit dürfen sie die für ihren neuen Auftrag notwendigen Investitionen über die Netzentgelte abschreiben und dafür eine feste Rendite abrechnen. In absehbarer Zukunft beträgt bei neuen Anlagen der von der Bundesnetzagentur festgelegte Eigenkapitalzinssatz 6,91 %. Insbesondere stünden Netzbetreiber in der Pflicht, Abregelungen zu verhindern und dazu unverzüglich auch Speicher zu bauen.

Damit erhalten Netzbetreiber eine herausragende Stellung, insofern sie sämtliche für das Netz notwendigen Speichertechniken – unabhängig von u.U. hohen anfänglichen Investitionskosten – einsetzen können, da sie eine garantierte Rendite auf ihre Investition erhalten. Netzbetreiber haben automatisch einen Business Case für alle Arten von Speichern.

Netzbetreiber dürfen im Rahmen des bestehenden Auftrages, „die Versorgungssicherheit zu gewähren“ auch heute schon Speicher bauen und wie andere Netzkomponenten abrechnen. Die Notwendigkeit der Gleichzeitigkeit des Stromhandels setzt dem Einsatz von Speichern durch Netzbetreiber jedoch enge Grenzen, insbesondere weil neue Stromleitungen hier mit Speichern konkurrieren und kostengünstiger sind. Mit einem neudefinierten Auftrag, Stromhandel mit Zeitverschiebung zu ermöglichen, wird sich diese Konkurrenzsituation ändern.

Netzbetreiber als Speicherbetreiber



 

 
Netzausbauplan, Netzbetriebsmittel-Ausbauplan

Die Chancen

Netzbetreiber sind potente und sachkundige Akteure. Ein Speicherausbau könnte daher sehr rational nach dem aktuellen Bedarf betrieben werden. Die fest vorgegebene Rendite würde einen großen Anreiz für Investitionen in diesem Bereich bieten. Zudem erhalten Netzbetreiber eine ebenso lukrative Investitionsmöglichkeit wie Fernleitungen, wodurch der Wildwuchs in diesem Bereich gebremst würde.

Ein wichtiger Vorteil ist die klare Zuständigkeit. Die Notwendigkeit zum Speichern wird nicht einzelnen Anbietern oder Verbrauchern von Strom aufgebürdet, welche auch alleine die Kosten dafür zu tragen hätten. Stattdessen werden die Aufwendungen über die Netzgebühren auf alle Stromverbraucher umgelegt und auf diese Weise „sozialisiert“. Alle, die Strom verbrauchen, beteiligen sich so am Ausbau von Speichern, nicht nur einige wenige.

Auf diese Weise kann auch kleinen oder neuen Anbietern von fluktuierendem Strom ein Marktzugang geschaffen werden, sie könnten nun ihren Strom auch am Terminmarkt anbieten, da die Netzbetreiber für die zeitliche Verteilung verantwortlich sind. Bürgerenergie-Projekte bekommen so eine neue Chance. Eine solche Liberalisierung ermöglicht durch mehr Akteure auf dem Strommarkt eine ganz neue Wirtschaftsdynamik.

Zudem bekommen die Netzbetreiber ein eigenes Interesse, die Bürgerenergiewende wieder zu beleben: Je höher der EE-Zubau, je höher der Bedarf an Speicher-Zubau und damit auch die Gewinnaussichten der Netzbetreiber. Da die großen EVU den EE-Ausbau nur geringfügig vorantreiben (können), sind die Netzbetreiber auf die Bürger*innen angewiesen, um möglichst hohe Speicher-Investitionen von der Bundesnetzagentur genehmigt zu bekommen.

Der Ausbau erfolgt nach volkswirtschaftlichem Bedarf und wächst Stück für Stück. Daher kann der Einsatz von Speichern mit dem Bedarf wachsen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, die Lernkurven der neuen notwendigen Techniken zu durchlaufen. So kann eine Preisentwicklung angeregt werden, welche die Nutzung von Speichern dann erschwinglich macht, wenn sie großflächig benötigt werden.

Für Firmen, die Speicher-Anlagen entwickeln, ist diese Regelung ein klares Signal, dass potente Akteure am Markt ihre Anlagen sicher nachfragen werden. Dies führt zu einem erheblichen Impuls für F&E, Produktentwicklung, Demonstration und Einsatz am Markt mit kontinuierlich sinkenden Preisen und steigenden Effizienzen.

Durch die vorgesehene Pönale für Netzbetreiber (ab 10% Abregelung von EE-Anlagen bleiben sie auf den Entschädigungszahlungen sitzen) haben diese ein starkes Interesse, die Abregelungen zu vermeiden. Da diese immer mit negativen Strompreisen verbunden sind, kann so auch die EEG-Umlage sinken. Da Netzbetreiber nun den nach EEG vergüteten EE-Strom nicht sofort, sondern dank Speicher zu Zeiten mit höheren Börsenpreisen vermarkten, sinkt die EEG-Umlage zusätzlich.

Mögliche Risiken

Als Risiko könnte ein mangelndes Interesse der Akteure auftreten. Insbesondere, da Speicher als neue Techniken mit mehr Risiko behaftet sind als konventionelle Investitionen in Leitungen. Andererseits gibt es gerade bei den über 800 Verteilnetzbetreibern eine große Vielfalt. Daher ist anzunehmen, dass die neue Aufgabe und der festgelegte Eigenkapitalzinssatz von 6,91 % zumindest bei den innovativeren Betreibern einen Anreiz bieten wird.

Ähnlich wie in anderen Bereichen könnte diese neue Aufgabe mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand versehen werden, der die Bemühungen konterkarieren würde.

Details und offene Fragen

Es stellen sich folgende Detail-Fragen:

  • Nach welchen Kriterien soll die Bundesnetzagentur Anträge auf Speicherbau prüfen? Welche Gegebenheiten rechtfertigen den Bau von Speichern?

- Die Abregelung von EE-Anlagen
- Die fehlende Anschlussmöglichkeit für neue EE-Anlagen wegen Netzkapazität
- Redispatch
- Netzengpässe

  • Wer darf den Speicherbau beantragen? Nur die Netzbetreiber oder auch andere Marktakteure wie z.B. Bürger*innen-Genossenschaften?
  • Um die Versorgungssicherheit stets zu gewährleisten, müssen Qualitätsstandards festgelegt und überprüft werden.
  • Ist der Netzausbau schon gesetzlich für viele Jahre festgezurrt?
  • Da der Anlagenbau einen zeitlichen Vorlauf benötigt, sind passende Fristen festzulegen, um Investitionen anzureizen, aber keine unrealistischen Zeitvorgaben zu machen.

Weitere offene Fragen

  • Wie sieht die Aufgabeverteilung zwischen Verteilnetz- und Übertragungsnetzbetreiber aus?
  • Soll die Aufgabe technikoffen sein, oder werden besonders förderungswürdige Speichertechniken bevorzugt?
  • Wo ist die Grenze zur „Erzeugung“ von Strom, wie wird beispielsweise der Betrieb von Gaskraftwerken mit gespeichertem erneuerbaren Gas betrachtet?
  • Woraus ergibt sich, ob ein Netzbetreiber Strom direkt weiterleitet oder speichert? Ergibt sich das durch die Rahmenbedingungen von selber, und wenn ja, wie müssen diese festgelegt werden?
  • Zu definieren ist, wie in Zukunft die Abrechnung gestaltet werden kann. Werden Bilanzkreise mit Zeitverschiebung benötigt?
  • Die Preisgestaltung muss festgelegt werden: Wird nach Leistung, Energiemenge oder pauschal abgerechnet?
  • Mit welchen Kosten ist für diese Investitionen zu rechnen?

Langzeitspeicher mit Power-to-Gas oder Power-to-Liquid

Bei den Überlegungen zum SFV-SMARD stellt sich unmittelbar die Frage nach Art und Menge der notwendigen Speicher. Welche Techniken (Kurz- oder Langzeitspeicher) insgesamt für 100% EE notwendig sind, ist schwierig zu beantworten. Die Abschätzung ist erheblich komplizierter als bspw. die Abschätzung des notwendigen Erzeugungsparks an PV und Wind. Es können keine überschlägigen Jahreswerte verwendet werden, sondern es müssen Zeitreihen mit Viertelstunden-Auflösungen am Rechner „durchgespielt“ werden. Eigene einfache Untersuchungen ergeben eine Gesamtspeichergröße in der Größenordnung um die 3% bis 5% der in Deutschland pro Jahr benötigten elektrischen Energie. Dies kann eine Dunkelflaute von rund 14 Tagen überbrücken, was bei einer 10-Jahres-Wetter-Analyse als längste zu erwartende Dunkelflaute (3) ermittelt wurde. Weitere ausführliche Studien (4) (5) machen belastbare Daten für das quantitative Ziel der Markteinführung verfügbar.

In unserer Betrachtung orientieren wir uns an der in den Strommarkt-Studien bestimmten notwendigen Leistungen und Kapazitäten von Speichern für Deutschland. Zunächst wird die Frage geklärt, welche relative Bedeutung Kurz- und Langzeitspeicher haben. In der Öffentlichkeit werden Speicher häufig mit Batterien gleichgesetzt, also Kurzzeitspeichern.

Als konsistentes Ergebnis der Studien zeigt sich jedoch:

Systemrelevant und der entscheidende Schlüssel für die Vollendung der Energiewende sind Langzeitspeicher. Diese lassen sich voraussichtlich am besten mit Power-To-Gas (P2G oder PtG)- oder Power-To-Liquid (P2L oder PtL)-Techniken verwirklichen. Daher müssen die Strategien und Investitionen auf diesen Bereich fokussiert werden.

Zur Rückverstromung des erneuerbar erzeugten Gases sind Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung(KWK)-Anlagen notwendig, die bereits mit 28 GW Leistung verfügbar sind. Bei vollendeter Energiewende sind ca. 66 GW notwendig, sodass diese bei Dunkelflaute den gesamten Strombedarf von Deutschland decken können.

Die Sektorkopplung über KWK der Gaskraftwerke wird noch ergänzt durch Hochtemperatur-Abwärme der P2G-Anlagen, insgesamt ca. 100 TWh. Deren Nutzung im Wärmesektor ist notwendig und ersetzt bisher überwiegend eingesetzte fossile Energieträger. Vergleicht man den Zubau der wichtigsten Techniken mit den Notwendigkeiten, so wird der Handlungsbedarf der Bundesregierung offenbar:


Notwendige Kapazitäten in GWp

                 bis 2030                          heute                                 
PV                           170                          43                                  
Wind                  230                           51                                  
Gas-KW                  66                           28                          

Notwendiger Zubau von 2018 - 2030 in GWp p.a.

PV                             10                               1,8 (18 % Zielerreichung)                 
Wind                           14                               5,3 (38 % Zielerreichung)                  
Gas                           3                               -0,3 (0 %Zielerreichung)             

Notwendiger Erhaltungszubau ab 2030 in GWp p.a.

PV                      7                                                                              
Wind                      12     
Gas                      2     

P2G-Anlagen sind bis heute erst im kleinen MW-Maßstab als Demonstratoren verfügbar, hier sind die stärksten Anstrengungen zu unternehmen, um 30 GW Umwandlungsleistung bis 2030 zur Verfügung zu stellen. Analog zur PV-Markteinführung müssen Maßnahmen getroffen werden, um die P2G-Technik im Markt zu etablieren. Dies gilt analog für P2L.

Zudem haben wir im obigen Beitrag lediglich den Stromsektor betrachtet. Für Wärme- und Verkehrssektor sind zusätzliche elektrische Erzeugungs- und Speicherkapazitäten vorzusehen, sodass die genannten Zahlen noch mit einem Faktor 2-4 multipliziert werden müssen, um alle Energiesektoren abzudecken.

Zusammenfassung: Der Kampf gegen den Klimawandel entscheidet sich an der Markteinführung der Langzeitspeicher, da diese die Abschaltung von Fossilkraftwerken ermöglichen.

Ziel: 2030 sind mindestens 30 GW P2G und 66 GW Gas-Kraftwerke mit KWK einsatzbereit.

Power-to-Gas im SFV-SMARD

Im neuen Speichermarkt-Design SMARD sind Speicher bisher implizit als Gesamtanlagen betrachtet worden: „Strom rein – Speichern - Strom raus“ in einer Anlage. Bei Power-to-Gas (PtG) oder anderen Power-to-X-Anlagen ist das aber nicht mehr der Fall. Exemplarisch betrachten wir hier nun PtG-Anlagen. Hier sind vielmehr mindestens drei unterschiedliche Anlagen beteiligt: die PtG-Anlage, welche das Gas erzeugt, dann der Gasspeicher und zuletzt eine Anlage, die aus dem Gas wieder Strom macht, voraussichtlich ein Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Insbesondere sind hier auch für jede der drei Komponenten u.U. weitere Akteure beteiligt: Betreiber der PtG-Anlagen, Betreiber von Gasnetzen und Speichern, sowie Betreiber von Anlagen, die aus dem Gas wieder Strom erzeugen. Hinzu kommt, dass das mit PtG-Anlagen erzeugte Gas nicht notwendigerweise auch wieder verstromt werden wird. Wie passen diese unterschiedlichen Akteure und Randbedingungen in das bisher vorgestellte SMARD?

Als Lösung schlagen wir vor, dass Netzbetreiber insbesondere Anlagen zur Gasverstromung nicht selbst betreiben müssen, sondern deren Funktion in Auftrag geben können. Dies würde auch zu keinem Konflikt mit dem derzeitigen Unbundling führen, der Netzbetreibern die Erzeugung von Strom untersagt. Ähnlich wie heutzutage Übertragungsnetzbetreiber als regelverantwortliche Regelenergie in Auftrag geben, können sie im Rahmen des SFV-SMARD die Rückverstromung von gespeichertem Gas in Auftrag geben. Dabei würde eine mengenmäßige Bilanzierung der gespeicherten Gasmenge dafür sorgen, dass im Rahmen des SFV-SMARD gespeicherten Gas (und nur dieses) auch nur zur Rückverstromung genutzt werden kann. Über die Handhabung der Verluste müsste noch gesondert diskutiert werden. Ebenso können Stromnetzbetreiber die Gasspeicherung und die Nutzung des Gasnetzes in Auftrag geben.

Auch der Betrieb von PtG-Anlagen könnte im Auftrag durch Dritte erfolgen. Das würde ein Potential für neue Unternehmen bedeuten. In allen Fällen könnten die Netzbetreiber die entstehenden Kosten über die Netzgebühren mit einer angemessenen Rendite abrechnen. Sie könnten allerdings die PtG-Anlagen auch selber betreiben Damit erhalten Netzbetreiber eine herausragende Stellung, da sie eine garantierte Rendite auf ihre Investition erhalten. Dies unterscheidet sie grundlegend von den anderen Marktakteuren, die auch mit den ersten PtG-Anlagen sofort einen wirtschaftlichen Betrieb erreichen müssten, was unrealistisch ist.

Da für die Rückverstromung Gas-Kraftwerke mit KWK notwendig sind, ist bspw. eine Abwrackprämie für Kohlekraftwerke denkbar, die auch die EVU mit einbezieht: Für das Stilllegen von zwei Kohlekraftwerken und dem gleichzeitigen Bau eines Gas-Kraftwerks mit KWK gäbe es eine monetäre Prämie. So kann der Kohleausstieg zusätzlich angereizt werden. Der wirtschaftliche Betrieb der Gaskraftwerke ist im 100 % EE-Szenario automatisch gegeben, da sie systemrelevante Bausteine der Langzeitspeicher (als Ausspeichertechnik) sind.

Insbesondere bei Nutzung von PtG-Technik kann auch das Gasnetz für die Energieübertragung genutzt werden. Re-Dispatch-Maßnahmen im Stromnetz können auf diese Weise mit gespeichertem und rückverstromten Speichergas durchgeführt werden.

Diskussion im SFV

Der SFV strebt eine breite Diskussion über diese Idee an und wird eine fachjuristische Prüfung anstreben, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung zu eruieren: Welche Gesetze müssen wie geändert werden? Die Rückmeldungen aus Einzelgesprächen sowie auf der SFV-Frühjahrstagung sind sehr positiv, sodass wir optimistisch im Hinblick auf die Umsetzung und Wirkung sind.

Vorstudie zu SFV-SMARD

Der SFV hat im September 2018 bei der Rechtsanwaltskanzlei Gassner, Groth und Siederer eine Vorstudie zu SFV-SMARD anfertigen lassen. Um umfassendes Gutachten steht aus.

Download: Vorstudie zu SMARD

Referenzen

(1) Volker Quaschning, „Sektorenkopplung durch die Energiewende“, HTW Berlin, 2016.

(2) https://www.carbonbrief.org/analysis-global-co2-emissions-set-to-rise-2-percent-in-2017-following-three-year-plateau abgerufen am 4.4.2018

(3) F. Huneke, C. Perez Linkenheil, M. Niggemeier, „Kalte Dunkelflaute - Robustheit des Stromsystems bei Extremwetter“, Greenpeace Energy eG, Berlin, 12.05.2017

(4) „Energieziel 2050: 100% Strom aus erneuerbaren Quellen“, Umweltbundesamt, 2010. www.uba.de/uba-info-medien/3997.html

(5) „Like this, Minister Altmaier!“, PHOTON International 10/2012.



Informationen zu den Autoren:
Prof. Dr. rer. nat. Daniel Kray, Dipl.-Physiker, promovierte am Fraunhofer ISE über Photovoltaik, arbeitete ab 2009 in der PV-Industrie und ist seit 2012 Professor für Erneuerbare Energien an der Hochschule Offenburg mit den Schwerpunkten PV und Pflanzenkohle.

Prof. Dr. Eberhard Waffenschmidt, seit September 2011 an TH Köln, Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik, Institut für Elektrische Energietechnik (IET) und Mitglied des CIRE - Cologne Institute for Renewable Energy. Schwerpunkte seiner Arbeit: Dezentrale Speicher und Netzregelung mit Erneuerbaren; seit 2005 Mitglied des SFV.