Anfrage des SFV an Frau Dr. Bönning:

Die Gewährung freiwilliger Leistungsgarantien durch Hersteller von Solarmodulen ist in der Praxis üblich. Häufig werden für die ersten 10 Jahre 90 % und bis zum Ablauf von 20 Jahren 80 % der Solarmodul-Leistung garantiert. Bei Auslieferung der Anlage sollen zusätzlich Leistungstoleranzen von +/- 5 % möglich sein. Summa Summarum kann dies bedeuten, dass inklusive einzuräumenden Mess-Ungenauigkeiten laut Hersteller-Garantien ab dem Tag der Installation über 17 % Minderleistung zu akzeptieren seien. Wenn ein Solaranlagen-Betreiber durch einen Solarsachverständigen dann nachweisen kann, dass die Module trotz fachgerechter Montage und ohne äußere Fremdeinwirkung (Blitz, Feuer, ungenügende Belüftung etc.) diese verpflichtenden Leistungsgrenzen des Herstellers nicht einhalten, so können laut dieser Leistungsgarantien Ansprüche geltend gemacht werden.

Doch wie ist es mit den gesetzlichen Gewährleistungsansprüchen? Im Bürgerlichen Gesetzbuch § 438 sind Regelungen getroffen, die für die ersten zwei Jahre eine Gewährleistung dafür festlegen, dass der Käufer bei Mängeln an der gekauften Sache eine Nacherfüllung ("Nachbesserung"), die Minderung des Kaufpreises, Schadenersatz oder den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen kann.

Empfehlenswert ist es deshalb, dass sich der Käufer bereits bei der Lieferung der Solarmodule die Messprotokolle der einzelnen Module aushändigen läss, um genaue Informationen über die zugesagte Leistung jedes einzelnen erworbenen Solarmoduls zu erhalten. Bei Übergabe der Anlage müsste also - entgegen der oben beschriebenen freiwilligen Leistungsgarantie der Hersteller - die Solaranlage mangelfrei und mit dem im Kaufvertrag festgelegten Leistungsumfang der Module übergeben werden.

Wir fragten Frau Dr. Bönning, Rechtsanwältin, welche dieser Regelungen - die freiwillige Leistungsgarantie der Hersteller oder die gesetzliche Gewährleistung - in den ersten zwei Jahren anzuwenden ist und erhielten folgende Antwort:

Antwort von Frau Dr. Bönning, Rechtsanwältin

"Ihre Anfrage möchte ich dafür nutzen, noch einmal auf einige Begriffe einzugehen. Ich mache das gerade deshalb so ausführlich, weil mich sehr stört, mit welcher Selbstverständlichkeit einige Hersteller und Installateure Waren verkaufen, deren Preis nach der Leistung berechnet wird, man aber glaubt, man könnte eine Minderleistung ohne rechtliche Konsequenzen erbringen.

Garantien

Den Inhalt der Garantie kann der Garantiegeber frei bestimmen. Die Ansprüche daraus treten neben die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche. Durch die Garantie können gesetzliche Gewährleistungansprüche nicht abgeändert werden. Durch eine Garantie erwirbt derjenige, der nach der Garantie berechtigt werden soll, gegenüber dem Garantiegeber Ansprüche in dem Umfang, wie die Garantie das vorsieht. Man kann deshalb nicht pauschal von einer Leistungsgarantie sprechen. Es kommt immer darauf an, welche Leistung zugesagt wird. Das Prozedere, in dem die Garantieansprüche geltend gemacht werden, wird ebenfalls in der Garantieerklärung beschrieben und ist maßgebend. Meistens gewährt die Garantie Ansprüche dem Anlagenbetreiber gegenüber dem Modulhersteller oder dem Hersteller anderer Komponenten. Der Anlagenbetreiber kann sich in dem Falle auch unmittelbar an den Hersteller z.B. des Moduls wenden und die Rechte geltend machen, die in der Garantie zugesagt sind. Besondere gesetzliche Vorgaben gelten nur für eine Haltbarkeitsgarantie, die im Regelfall bei geringer Leistung nicht betroffen ist.

Gesetzliche Gewährleistungsansprüche

Neben der Garantie sollte man aber an seine Gewährleistungsansprüche denken, die in dem Zeitraum der Gewährleistungsfrist viel effektiver die Rechte des Anlagenbetreibers wahren. Durch die Gewährleistung erwirbt der Anlagenbetreiber einen Anspruch gegenüber seinem unmittelbaren Vertragspartner auf eine mangelfreie Lieferung der gekauften Sache. Bei der Gewährleistung ist sehr wesentlich, ob noch die Gewährleistungsfrist gilt. Die gesetzliche Gewährleistungsfrist beträgt 2 Jahre. Sie kann aber im gegenseitigem Einverständnis vertraglich auch auf ein Jahr verkürzt werden, z.B. im Kaufvertrag. (Schauen Sie als Käufer sicherheitshalber genau nach!) In einigen Fällen (Verbrauchsgütergeschäft oder AGB-Klausel) kann die Verkürzung unwirksam sein.

Beginn der Frist

Die Gewährleistungsfrist läuft im Regelfall ab Ablieferung der Sache. Auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder einer technischen Inbetriebnahme kommt es üblicherweise nicht an.

Ende der Gewährleistungsfrist.

Hierzu finden sich Regelungen in §§ 203 und 204 BGB. Es genügt nicht, wenn der Käufer dem Verkäufer mitteilt, dass ein Mangel vorliegt und der Verkäufer eine Eingangsbestätigung schickt. Vielmehr muss der Verkäufer zu erkennen geben, dass er bereit ist, über die Beseitigung des Mangels oder eine Minderung oder einen Schadenersatz zu verhandeln. Solange die "Verhandlungen" laufen, wird die Verjährung des Anspruchs unterbrochen. Zu einer "Verhandlung" gehört, dass der Käufer mitteilt, dass er eine Gewährleistung beansprucht und dafür die Gründe nennt. Anschließend genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder die Gründe, aus denen sich der Anspruch ergibt. Es ist nicht erforderlich, dass der Verkäufer eine Zustimmung in Aussicht stellt. Es genügen Erklärungen, aus denen der Käufer entnimmt, dass der Verkäufer über die Berechtigung des Anspruchs diskutieren will, z.B. wenn er genauer nachfragt. Wenn der Verkäufer die Verhandlungen abbricht oder einschlafen lässt, endet die Verjährung danach frühestens in drei Monaten. Sicherheitshalber sollte man die Verhandlungen schriftlich führen, um einen Nachweis zu haben.

Wenn es zu keiner Verhandlung kommt, oder die Verhandlung abgebrochen wird, sollte der Käufer notfalls eine Zahlung (z.B. Schadensersatz oder/und Minderungsbetrag) fordern und bei Nichtzahlung noch innerhalb der Gewährleistungsfrist einen gerichtlichen Mahnbescheid erwirken. Alternativ reicht auch ein gerichtliches Beweisverfahren aus.

Wenn in dem Vertrag geregelt ist, dass zur Geltendmachung des Gewährleistungsanspruchs bestimmte Regeln einzuhalten sind, so sind diese zu befolgen (Ausnahme: die Regeln sind unwirksame allgemeine Geschäftsbedingungen oder unzumutbare Vertragsklauseln). Dann brauchen wir immer einen Mangel, um
Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Im Regelfall geht es um sogenannte Sachmängel, die dann vorliegen, wenn die tatsächliche Beschaffenheit im Zeitpunkt der Übergabe der Verkaufsache von der vertraglich vereinbarten abweicht. Wenn keine Beschaffenheit vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Zu der Beschaffenheit, die der Käufer erwarten kann, gehören auch die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen, insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann. Hier gibt es natürlich wieder Gegenausnahmen, auf die aber nicht in der Übersicht eingegangen werden kann.

Mess- und Fertigungstoleranz?

Bei der Photovoltaik geht es dann immer um die sogenannte Messtoleranz und Fertigungstoleranz. Mit Fertigungstoleranz ist gemeint, dass das Modul durch das Fertigsverfahren nicht immer exakt die Leistung haben kann, für die es verkauft worden ist. In den meisten Verträgen ist deshalb angegeben, dass auch ein Modul vertragsgerecht ist, wenn es eine gewisse Plus/minus Grenze einhält.

Hier steht es jedem frei, durch die vertragliche Regelung festzulegen, dass eine Minustoleranz nicht akzeptiert wird oder zumindest alle Module zusammen eine gewisse kW-Leistung erbringen müssen. Im letzten Fall sind zwar dann alle Module vertragsrecht, die auch die Minusgrenze (noch) einhalten. In der Summe muss aber die vereinbarte kW-Leistung ohne Abschlag erbracht werden

Die Messtoleranz kommt ins Spiel, wenn der Anlagenbetreiber das Vorliegen des Mangels beweisen muss. Er muss z.B. nachweisen, dass die von ihm gekaufte Anlage ein Leistungsdefizit von z.B. 8 % hat. Dann muss natürlich im Streitfall eine repräsentative Menge der Module von einem Sachverständigen gemessen werden und diese Messung gibt dann Aufschluss darüber, ob tatsächlich eine Abweichung von der Beschaffenheit vorliegt. Solche Messungen erfolgen je nach verwendetem Messgerät mit einer gewissen Toleranz (Ungenauigkeit). Gute Messgeräte haben eine geringere Messtoleranz und einfache Geräte haben eine hohe Messtoleranz. Der TÜV Rheinland geht bei seinen Messungen zur Zertifizierung von Solarmodulen z.B. von einer Messunsicherheit von +/- 3 Prozent aus.

Meines Erachtens geht aber diese Messtoleranz erstens gar nicht so weit, wie sie noch in alten Veröffentlichungen angegeben wird und zweitens hat der Richter auch die Möglichkeit, bei einer Messtoleranz, die genauso nach oben wie nach unten geht, genau den Mittelwert als nachgewiesene Leistung anzunehmen. Wenn deshalb z. B. durch eine Messung mit der Messtoleranz plus/minus 3% festgestellt wird, dass die Module ein Leistungsdefizit von minus 8 % plus/minus 3 % haben, dann liegt meines Erachtens ein Mangel darin, dass minus 8 % weniger Leistung geliefert wurde, als zugesagt.

Zu der konkreten Frage:

Im Hinblick auf die Leistungstoleranz kann es sein, dass tatsächlich in den ersten Jahren eine Leistung von bis zu 82,9 % hinnehmbar ist. Jedoch muss der Käufer eine schlechtere freiwillige Garantie während der gesetzlichen Gewährleistungsfrist nicht hinnehmen, sondern kann die gesetzliche Gewährleistung geltend machen.

Hinsichtlich der Gewährleistung bin ich der Auffassung, dass innerhalb der Gewährleistungsfrist, die man auch vertraglich verlängern kann, die Messungenauigkeit nicht zu berücksichtigen ist und entsprechend des Vertrages genau das zu liefern ist, was vertraglich vereinbart wurde."