Vielfach hört man die Meinung, die sogenannte Netzparität („Grid-Parity“) des Solarstroms sei bald erreicht, nämlich dann, wenn die rasch sinkende Einspeisevergütung mit dem Preis übereinstimmt, den der private Endkunde für Strom aus der Steckdose bezahlen muss. Solarstrom und „Steckdosenstrom“ seien dann gleich teuer. Von diesem Zeitpunkt an seien die Solarstromeinspeiser nicht mehr auf die Unterstützung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) angewiesen. Doch hier liegen einige Irrtümer vor:

Zunächst einmal - aber das ist nur einer von vielen Gründen - ist bei dem hohen Tempo, mit dem derzeit die Einspeisevergütung abgesenkt wird, anzunehmen, dass zur Zeit die Einspeisevergütung für Solarstrom nicht mehr nachhaltig die tatsächlichen Kosten der gesamten Produktionskette vom Solarsilizium bis zur Solarstromerzeugung deckt. Unverhältnismäßig viele Firmenzusammenbrüche in der Solarindustrie deuten darauf hin und erhebliche Umsatzeinbrüche. Und ab dem 1.1.2011 wird die Einspeisevergütung noch einmal um 13 Prozent abgesenkt. Und Röttgen hat angekündigt, eine noch weitere Absenkung draufzusetzen.

Aber selbst wenn die Einspeisevergütung korrekt den Solarstromkosten entsprechen und mit den Kosten des Steckdosenstroms übereinstimmen würde, ist eine echte „Grid-Parity“ noch keinesfalls erreicht.
Betriebswirtschaftlich sauber gerechnet wäre die Grid-Parity erst dann, wenn der Solarstrom den Steckdosenstrom jederzeit ersetzen könnte. Das ist jedoch nicht der Fall: Mögen sie auch gleich teuer sein; Strom aus der Steckdose steht IMMER zur Verfügung, wenn man ihn braucht. PV-Strom hingegen steht nur zur Verfügung, wenn es hell genug ist.

Welche Vorteile uns der Anschluss an das öffentliche Netz bietet, merkt ein Solaranlagenbetreiber erst richtig, wenn er sich - nur theoretisch - einmal vor Augen führt, was er tun und bezahlen müsste, wenn er sich vom öffentlichen Netz abkoppeln und nur mit dem eigenen Solarstrom versorgen will. Zunächst einmal müsste er zusätzlich einen Batteriespeicher installieren. Daraus ergibt sich, er müsste auf den PV-Strompreis noch den Preis für die Solarstromspeicherung in der Batterie aufschlagen (Kosten der Batterie umgelegt auf die im Lauf ihrer Lebensdauer gespeicherte Strommenge und zusätzliche Berücksichtigung der Speicherverluste). Die Batterie müsste sehr groß gewählt werden, damit sie den Überschuss des Sommerhalbjahres für das Winterhalbjahr speichern könnte. Für sonnenarme Jahre müsste der Solaranlagenbetreiber dann gedanklich noch die Kosten eines Notstromaggregats hinzurechnen. Und für sonnenreiche Jahre müsste er die nicht genutzten Kilowattstunden als Verlust buchen. Daraus ergibt sich, dass der Solarstrompreis nicht mit dem „Steckdosenstrompreis“ verglichen werden darf.

Solaranlagenbetreiber, die sich den zusätzlichen Aufwand eines Batteriespeichers nicht leisten wollen, müssen ihren Strombedarf des nachts oder bei trübem Wetter also weiterhin aus dem öffentlichen Netz decken.

Dazu brauchen sie zwar kein EEG. Da sie aber den Solarstrom nicht durchgängig genau in der Leistung nutzen können, wie der Sonnenschein ihn gerade anbietet, bekommen sie Probleme, wenn sie den nicht genutzten Solarstrom, z.B. in der Mittagspause und in den Sommerferien, ins Netz einspeisen wollen. Aus kartellrechtlichen Gründen kann ihnen der Netzbetreiber die Einspeisung nicht verwehren. Aber gäbe es das EEG nicht, so würde der Netzbetreiber für Solarstromeinspeisung keinesfalls den „Steckdosenstrompreis“ bezahlen, sondern den Großhandelseinkaufspreis für konventionellen Strom. Diese Konsequenz müsste eigentlich jeden PV-Freund davon abhalten, auf die Unterstützung nach dem EEG zu verzichten. Selbst wenn die Einspeisevergütung nach EEG irgendwann geringer sein wird, z.B. 18 ct/kWh, so ist sie immer noch höher als der durchschnittliche Stromeinkaufspreis im Stromgroßhandel. Nicht nur die Anschlusspflicht und die Abnahmepflicht, sondern auch die Vergütungspflicht des EEG ist für den Solaranlagenbetreiber unverzichtbar. Soweit die betriebswirtschaftliche Beurteilung aus Sicht eines Solaranlagenbetreibers.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Einführung des Begriffs der Grid-Parity in die öffentliche Diskussion ein strategischer Rückschritt.

Das Kriterium der Grid-Parity ist nicht geeignet, den Wert des Photovoltaikstroms sinnvoll zu beschreiben, denn es isoliert die Betrachtung des ganzen Spektrums der Erneuerbaren Energien auf einzelne ihrer Sparten. Solarenergie alleine wird mit dem konventionellen Strommix verglichen, Windenergie alleine mit dem konventionellen Strommix usw. Die Stärke der Erneuerbaren Energien, dass sie sich zeitweise gegenseitig ergänzen aber auch die bisher immer wieder hinausgezögerte und unerledigte Aufgabe, ein System von Energiespeichern zu errichten wird hier vollkommen ausgeblendet.

Die Vertreter der Erneuerbaren Energien sollten in der Diskussion energisch darauf aufmerksam machen, dass die Verwendung des Begriffs der Grid-Parity die Diskussion zu ihrem Nachteil auf eine eindimensionale Betrachtung der Erneuerbaren Energien verengt. Die Erneuerbaren Energien im Mix und im Zusammenhang mit dem Ausbau von Stromspeichern sind mehr wert als die Summe ihrer einzelnen Sparten!