Wer den eigenen Solarstrom in Sonnenstunden nicht selbst verbrauchen kann und auch der eigene Stromspeicher bereits voll ist, kann den überschüssigen, zunächst netzeingespeisten Strom in einer Solar-Cloud zwischenspeichern. An ertragsarmen Tagen oder nachts könnte der eigene Solarstrom aus der Cloud wieder abgerufen werden. Auf diese Weise würde der Traum einer privaten Vollversorgung und Unabhängigkeit von Strompreissteigerungen immer näher rücken. Die Stromversorgung hätte man nun wieder selbst in der Hand. Alles ginge virtuell und damit kinderleicht. Den Zugang zur Cloud allerdings knüpft E.ON an die Bedingung, vorab eine PV-Anlage vom Unternehmen zu erwerben - optional gern mit Stromspeicher. Bedingung ist der Speicher allerdings nicht.
Die Kaufvorbereitung der jeweils gewünschten Komponenten funktioniert ganz einfach: Bei E.ON wird über einen Solarrechner zunächst online geprüft, wie groß die Solaranlage am eingetragenen Standortes sein kann und mit welchen Ertrag zu rechnen sei. Passt das Angebot, wird ein Kundenberater eingeschaltet, der sich rasch darum kümmern soll, ein maßgeschneidertes Produkt vor Ort auf den Weg zu bringen.
Nun ist der letzte Schritt zur Solar-Cloud nicht mehr groß. Vorausgesetzt, alle Bauteile inklusive Controller stammen aus dem Hause E.ON, braucht nun nur noch der erwähnte Zusatzvertrag abgeschlossen werden. Nun kann der Kunde den überzähligen Solarstrom jederzeit und allerorts abrufen. Selbst Elektroautos sollen nun überall problemlos mit dem Strom vom eigenen Dach betankt werden können (vorausgesetzt, man fährt eine E.ON-Stromtankstelle an!). Es lebe die virtuelle Solar-Cloud!
Die Grundidee der Solarcloud schaute der Energieriese möglicherweise von Unternehmen der Speicherbranche ab. Bereits seit längerem werben SENEC, ein Leipziger Speicher- und Energiedienstleister und das Allgäuer Unternehmen SONNEN mit ähnlichen Angeboten. Kunden sollten durch günstige Ökostromverträge einen zusätzlichen geldwerten Vorteil für den eingespeisten Solarstrom verschafft werden. Eine ausgeklügelte Marketing-Strategie - warum auch nicht! Zumindest wird der Zugang zur Cloud an das Vorhandensein eines echten Stromspeichers geknüpft. Solange sich die angebotenen Zusatzverträge lohnen und Hintergründe klar kommuniziert werden, können solche Angebote dazu beitragen, die Möglichkeiten und Grenzen der solaren Stromeigenproduktion und Speicherung begreifbarer zu machen und zu überwachen.
Wer allerdings im Slogan "100 % Versorgung mit EIGENEM Solarstrom" gefangen bleibt (und das werden möglicherweise viele Unerfahrene sein), wird kräftig an der Nase herumgeführt. Deshalb hier in aller Deutlichkeit: Wenn Solarstrom in das öffentliche Netz eingespeist wird, vermischt er sich mit Strom aus Fossil und Atom. Über das Stromnetz wird der Strom allenfalls räumlich verschoben. Eine zeitliche Verschiebung in Zeiten ohne Solarstrom findet nicht statt. Der Strom, der aus der Cloud geliefert wird, wenn die Sonne gerade nicht scheint, stammt ganz überwiegend NICHT aus gespeichertem Solarstrom.
Der Energieriese E.ON jedenfalls verkauft allenfalls E.ON-eigene Solartechnik inklusive Stromlieferverträge! Zwar wird Ökostrom angeboten, aber auch E,ON wird den überwiegend Anteil des verkauften Stroms aus norwegischer und österreichischer Wasserkraft zukaufen. Nur so kann das Unternehmen sein Ökostrom-Versprechen einhalten, denn in Deutschland gibt es noch lange nicht zu jeder Tages und Nachtzeit genügend Strom aus Erneuerbaren Energien.
Leider sind derzeit auch Norwegen und Österreich noch nicht in der Lage, sich vollständig mit Erneuerbaren Energien zu versorgen. Sie decken ihren Strombedarf zwar überwiegend aus Erneuerbaren Energien (Norwegen: 98 %, Österreich ca. 75 %), von einer Vollversorgung im Verkehrs- und Wärmebereich sind sie jedoch noch weit entfernt. Darüber hinaus muss die durch das Ökostromgeschäft mit Deutschland erzeugte Stromlücke kaufmännisch wieder gefüllt werden. Die Vermutung, dass dann vor allem auf Fossil- und Atomstromangebote -auch aus anderen europäischen Ländern - zurückgegriffen wird, liegt nahe.
Lohnt sich das Solarcloud- Angebot von E.ON?
Im folgenden soll nun das Angebot von E.ON näher unter die Lupe genommen werden:
Die E.ON-Komplettangebote zum Verkauf von Solarstromanlagen mit und ohne Speicher stehen in Konkurrenz zu anderen Angeboten regionaler und überregionaler Verkäufer. Das ist normal. Schlussendlich überzeugt das Produkt mit dem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Ob Technik, Installation und Beratung vor Ort qualitativ hochwertig ist und die Mitnahme regionaler Handwerksunternehmen fair und kostendeckend vonstatten gehen, können wir nicht beurteilen. Zumindest sind diejenigen Investoren immer am besten beraten, die für ein geplantes Projekt mehrere Angebote einholen und vergleichen, anstatt sich gleich auf ein Produkt einzulassen.
Wer zur Solar- und Speichertechnik von E.ON zusätzlich noch die Solar-Cloud bucht, muss einen ordentlichen monatlichen Grundpreis (z.B. 21,99 mit E.ON-Speicher / 30,99 /Monat ohne E.ON-Speicher bei einem Gesamtstromverbrauch von 3000 kWh/Jahr, https://www.eon-solar.de/eon-solarcloud zahlen. Dieser soll - so E.ON - sowohl den Zugang zur Cloud als auch zusätzliche "anteilige" Grundkosten decken. Je nach Dachgröße, Investitionsvolumen und Strompaket erhöht sich der monatliche Grundpreis. Wer mehr Strom benötigt, als virtuell in der gebuchten Cloud gespeichert werden kann, muss jede zusätzliche Kilowattstunde zum Ökostrom-Arbeitspreis von mindestens 26 Ct/kWh zahlen. Ein zusätzlicher Grundpreis soll dann entfallen.
Vergleicht man dieses Angebot mit dem Ökostromangebot von E.ON, besticht die Stromlieferung über die Cloud nicht unbedingt:
Vergleich der Angebote, Stand März 2018 | E.ON-Cloud mit Speicher (1) | E.ON Ökostromtarif "Solarstrom" (2) | EWS - Ökostrom |
bei Jahresstrombedarf | 3000 kWh | 3000 kWh | |
Rest-Strombedarf (bei 70 % Eigenversorgung) | 900 kWh | 900 kWh | |
Preisbestandteile (Brutto) | Grundpreis: 21,99 / Monat, (Arbeitspreis 26 Ct/kWh für jede zusätzliche kWh) | Arbeitspreis: 25,75 Ct/kWh, Grundpreis: 119 /Jahr | |
Gesamtpreis - Brutto | 263,88 /Jahr | 280,76 /Jahr inkl. Boni im ersten Jahr |
(1) https://www.eon-solar.de/eon-solarcloud
(2) https://www.eon.de/de/pk/strom/stromanbieter/oeko-stromanbieter.html
Wer beim Preisvergleich für die Reststromlieferung auf den Ökostromtarif von E.ON setzt, spart mit der Solar-Cloud knapp 20 im Jahr. Andere Ökostromanbieter in Deutschland bieten allerdings auch geringere Preise, so dass ein bundesdeutscher Vergleich lohnenswert ist. Die zusätzliche Offerte, dass das "eigene" Solarstrom-Budget auch an E.ON-Tankstellen für Elektrofahrzeuge genutzt werden kann, muss nicht zwingend preisgünstiger sein. Es gibt durchaus preisgünstigere Angebote an Stromtankstellen.
Fazit zur E.ON-Cloud:
Wer glaubt, die virtuelle Solar-Cloud von E.ON bringe uns der Energiewende zumindest kleine Schritte näher, der übersieht die Vernebelungstaktik des Energieriesen. Mal wieder wird der Energiewirtschaft und der Politik beim Ausbremsen von Investitionen in Kurz- und Langzeitspeichern kräftig auf die Schulter geklopft. Echte Stromspeicher sind nicht zwingend nötig - es lebe der Stromhandel und die Digitalisierung.
Die E.ON-Strategie ist mit Blick auf den eigenen fossilen und atomaren Kraftwerkspark verständlich. Echte Öko-Stromspeicher würden den Einnahmen aus E.ON-eigenen Kraftwerke, die deutschlandweit immerhin 18 GW ausmachen, tendenziell verringern. Wer agiert schon gern gegen eigene Geschäftsinteressen.
Den Kunden bleibt es überlassen, hinter die komplexen Vertriebsstrukturen zu schauen. Wir hoffen allerdings, dass die meisten Energiewende-geschulten Solarstromer das Angebot von E.ON einordnen können. Zumindest sollte ein Preisvergleich des E.ON-Angebotes mit anderen Stromanbietern durchgeführt werden.
Allen anderen Anbieter von Solar-Clouds sollten preislich ebenso gecheckt werden. Tipp: Da die Jahresstrommenge nicht exakt vorausbestimmbar ist, sollten hier vor allem die Kosten der zusätzlichen Kilowattstunden, die über die festen Buchungen der Solarcloud hinausgehen, hinterfragt werden.