Die wirksame Bekämpfung des Klimawandels wird verzögert durch die Fixierung der Politik auf ein ungeeignetes Steuerungsinstrument, den Emissionshandel. Dies zu analysieren, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen und für eine bessere Klimaschutzpolitik einzutreten, entwickelt sich zu einer dringenden neuen Aufgabe für die Umweltverbände.

Warum die Umweltverbände auf die Warnungen vor dem Klimawandel verzögert und unschlüssig reagierten

In einem kurzen Rückblick wollen wir zunächst daran erinnern, unter welchen außergewöhnlichen Umständen die Umweltverbände mit dem Problem des Klimawandels in Berührung gekommen sind.
Üblicherweise wählen sich die Umweltverbände ihre Arbeitsgebiete selbst. Sie haben sich unschätzbare Verdienste erworben, indem sie vielfältige konkrete Gefährdungen der Natur und der Umwelt von A bis Z - vom Artensterben bis zur Zersiedelung der Landschaft - erkannt und öffentlich gemacht haben, Vorschläge zur Abhilfe erarbeitet und viele davon im zähen Beharren gegenüber der Politik durchgesetzt haben.
Im Fall des Klimawandels war die historische Entwicklung allerdings anders. Hier war es insbesondere die Atomwirtschaft, die mit erheblichem Werbeaufwand die alarmierenden Ergebnisse einiger Klimaforscher bekannt gemacht hat und - prinzipiell völlig richtig - den Ersatz der fossilen Techniken durch eine CO2-freie Technik gefordert hat.

Die Deutsche Umweltbewegung hat den von der Atomwirtschaft vorgeschlagenen Umstieg von fossilen Energien auf Atomenergie aus gutem Gründen nicht erst seit Tschernobyl strikt abgelehnt. Unglücklicherweise hat sie dabei aber auch - fixiert auf das Feindbild Atomwirtschaft - die berechtigten Warnungen der Atomwirtschaft vor dem Klimawandel und der fossilen Energietechnik lange Zeit nicht ernst genommen. Der Vorschlag zum Umstieg auf eine CO2-freie Technik wurde - vereinfacht ausgedrückt - also deshalb nicht in Erwägung gezogen, weil er vom Erzfeind stammte.

In der Anti-Atombewegung und fast der gesamten Umweltbewegung wurde es - bevor die Gefahr des Klimawandels jedem bewusst wurde - noch als selbstverständlich angesehen, dass man das Abschalten der Atomkraftwerke durch verringerten Energieverbrauch (Abschaffung der Standby-Schaltungen und dgl.), höhere Kraftwerkswirkungsgrade und insbesondere durch den weiteren Ausbau der Kraftwärmekopplung ausgleichen könnte. Kürzlich noch forderte - in offensichtlicher Verkennung alternativer Möglichkeiten - ein Umweltverband die Stromwirtschaft auf, endlich die Kohlekraftwerke mit den versprochenen höheren Wirkungsgraden zu errichten; eine Forderung, die angesichts der vorhersehbaren Lebensdauern der neuen Kohlekraftwerke von über 40 Jahre geradezu bizarr erscheint.

Atom- und Fossilwirtschaft einig beim Rufmord an den Erneuerbaren Energien

Der Gedanke, dass man weder die Atomenergie noch ihren Widerpart, die fossilen Energien benötigen würde, wenn man sich für eine dritte Energieform - die Erneuerbaren Energien - entscheiden würde, konnte in der interessierten Öffentlichkeit und auch bei vielen Umweltverbänden nicht Fuß fassen. Der Grund: Darin waren sich Atomenergie und Fossilenergie trotz ihres erbitterten Zweikampfes völlig einig: Die Erneuerbaren Energien würden stets nur eine belanglose additive Energie bleiben, die - so eine gemeinsame Werbeanzeige der Stromversorger aus dem Jahr 1993 - auch langfristig nicht mehr als 4 Prozent des Strombedarfs decken könne. Diese Behauptung - mit der versammelten angeblichen Fachkompetenz der Stromwirtschaft vorgetragen - fand fast überall Gehör und wurde sogar von der damaligen Umweltministerin (Angela Merkel) im Jahr 1994 wörtlich wiederholt.

Anderslautende Studien, z.B. eine Diplomarbeit von Ralph Bischof an der Technischen Hochschule in Hannover - übrigens ebenfalls aus dem Jahr 1993 - verschwanden in den Panzerschränken der Energiewirtschaft. Die Veröffentlichung wurde vom Auftragsgeber untersagt.

In einem Trommelfeuer von halb- und unwahren Behauptungen wurde und wird durch die Energiewirtschaft jede Hoffnung auf die Erneuerbaren Energien nachhaltig zerstört. Nennenswerte Gegenwehr gibt es immer noch nicht, da nur wenige Menschen das komplizierte Geflecht von physikalischen, technischen, geologischen, meteorologischen, volks- und betriebswirtschaftlichen und schließlich auch gesetzlichen Rahmenbedingungen in seiner Gänze überblicken. Fachleute zu Energiefragen sind dünn gesät und fast ausschließlich in der Energiewirtschaft angestellt oder in Forschungsinstituten, die von Aufträgen der Energiewirtschaft leben.

Emissionshandel ist auf Verbesserung der fossilen Kraftwerkstechnik zugeschnitten

Kenner der Umweltszene schätzen, dass nur wenige Prozent der interessierten Bürger einen Umstieg auf Erneuerbare Energien innerhalb der nächsten Jahrzehnte überhaupt für denkbar hält. So blieben also zur Abwehr des Klimawandels neben der strikt abgelehnten Atomenergie vermeintlich nur die fossilen Energien.

Da ist es dann konsequent, dass die Politik angesichts der drohenden Klimakatastrophe nach einem Anreizmittel suchte, wie man den Kohlendioxidausstoß der fossilen Kraftwerke innerhalb der nächsten Jahrzehnte schrittweise verringern könne. Unter den sich bietenden Möglichkeiten Energiesteuer oder Emissionshandel wählte man aus Gründen der besseren internationalen Durchsetzbarkeit den Emissionshandel.

Wenn man sich auf die Ablösung der fossilen und atomaren Energien durch die Erneuerbaren Energien konzentriert hätte, hätte man sicherlich ein anderes Anreizsystem gewählt. Das Stromeinspeisungsgesetz und sein Nachfolger, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zeigen, dass es ein überaus wirksames und erfolgreiches Markteinführungssprogramm für die Erneuerbaren Energien gibt. Die Anreizwirkung dieses Gesetzes kann noch durch höhere Vergütungssätze verbessert und durch andere Gesetze - Verbot des Neubaus von fossilen Kraftwerken, Baupflicht für Solaranlagen - ergänzt werden. Die Politik müsste sich auf den schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien konzentrieren anstatt auf die Verbesserung der auslaufenden Fossil-Technik. Doch zurück zum Emissionshandel - soweit er die Energiebereitstellung betrifft - sowie seine prinzipielle Ungeeignetheit.

Auch ohne Emissionshandel würden neue Kraftwerke mit höherem Wirkungsgrad gebaut

Durch Verteuerung der Emissionen soll ein stetiger Anreiz zum Umstieg auf CO2-ärmere Methoden der Energiebereitstellung ausgeübt werden. Da keine CO2-freie Technik vorgeschrieben ist, besteht die Verlockung, sich seiner Emissionsminderungspflichten dadurch zu entledigen, dass man alte Kohlekraftwerke mit schlechtem Wirkungsgrad, die ohnehin das Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer erreicht haben, durch moderne Kraftwerke mit höherem Wirkungsgrad ersetzt. Das liegt ohnehin - auch ohne Emissionshandel - in der Absicht der Stromversorger. Derzeit sind alleine in Deutschland mehr als 40 neue Kohlekraftwerke geplant. So werden zu Beginn der „Anstrengungen“ sicherlich beeindruckende Mengen CO2 eingespart. Diese Einsparung allerdings auf den Emissionshandel zurückzuführen, ist eine verhängnisvolle Selbsttäuschung der Emissionshandels-Befürworter. Auch ohne Emissionshandel würden alle Kraftwerksneubauten entsprechend dem Stand der Technik mit höheren Wirkungsgraden als vor 40 Jahren gebaut.

Emissionshandel verzögert den Umstieg auf die Erneuerbaren Energien um 40 Jahre

Will man keine Fehlinvestitionen tätigen und die erbauten Kohlekraftwerke bis zum Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer betreiben, muss nach der Errichtung eines modernen Kohlekraftwerks etwa 40 Jahre gewartet werden, bis die nächste Kraftwerksgeneration mit einem der Kraftwerksentwicklung entsprechenden dann noch höheren Wirkungsgrad eingeführt werden kann. Dann aber ist die Wirkungsgradsteigerung und die mögliche CO2-Einsparung erheblich geringer als jetzt, denn Wirkungsgradsteigerungen werden technisch umso schwieriger, je näher man der nie erreichbaren Grenze von 100 Prozent kommt.

Der Anreiz zum Umstieg auf eine CO2-freie Technik wird durch den Emissionshandel jedenfalls erst dann wirksam, wenn mit Wirkungsgradsteigerungen nicht mehr die jährlich vorgeschriebene CO2-Einsparung erreicht werden kann - voraussichtlich also erst bei Beendigung der Betriebsdauer der demnächst zu errichtenden Kohlekraftwerke - frühestens in 40 Jahren. Dann aber wird es zu spät sein.

Eine nachhaltige Klimaschutzstrategie der Umweltverbände ist überfällig

Derzeit hat die Mehrheit der Umweltverbände noch keine wirksame eigene Klimaschutzstrategie entwickelt. Manche Umweltverbände behelfen sich zwischenzeitlich damit, dass sie den von der Politik entwickelten Emissionshandel unterstützen. Dass diese Arbeit als "Erfüllungsgehilfe" der Politik keine nachhaltige Strategie sein kann, ist offensichtlich.

Die Zeit drängt. Es bedarf nun einer eigenen Anstrengung der Umweltverbände, einer eigenen Analyse der Möglichkeiten. Die Umweltbewegung muss auch bei der Abwehr der Klimakatastrophe wieder die ihr zukommende Meinungsführerschaft übernehmen.

Für den Solarenergie-Förderverein Deutschland, für EUROSOLAR, für Sonnenkraft Freising, für Regio-Solar und für viele andere Gruppen lautet die Devise schon jetzt: Wir brauchen eine Offensive für eine sichere und nachhaltige CO2-freie Technik. Wir brauchen 100 Prozent Erneuerbare Energien - so schnell wie möglich.