Die Diskussion um die Strompreisexplosion, die bereits vor einigen Jahren 1) begann, wird seit einigen Wochen mit neuer Schärfe geführt. Hintergrund sind die Erwartungen, dass im Herbst eine weitere Steigerung der EEG-Umlage bevorsteht.

Gerade in diesen Tagen wurden zudem Äußerungen publik, in denen der Vattenfall-Europe Chef Tuomo Hatakka 2) bis 2020 zwar nicht mit Engpässen, aber mit bis zu 30 Prozent Preissteigerung beim Strom rechnet.

Das RWI meldet sich auch wieder zu Wort und favorisiert ein Quotenmodell statt des EEG; so können angeblich 52 Mrd. Euro eingespart werden. Bundeswirtschaftsminister Rösler möchte, so heißt es in Presseberichten, am liebsten das EEG ganz abschaffen oder zumindest die Förderung drastisch beschneiden.

Ich möchte mich in diesem Beitrag nicht in die Reihe der Gegengutachter einreihen, die – von den Grünen bis zu Greenpeace-Energy – allesamt betonen, dass die Preiserhöhungen nur zu einem kleinen Teil der EEG-Umlage angelastet werden könnten, dass preissenkende Effekte der Erneuerbaren von den Stromhändlern „unterschlagen“ würden und nicht an die Verbraucher weitergereicht würden, es aufgrund der faktischen Befreiung der energieintensiven Industrie zu einer Mehrbelastung der privaten Verbraucher komme und dass in den Kosten der fossilen Energien deren damalige Förderkosten und heutigen und zukünftigen Folgekosten (z.B. durch Umweltschäden, besonders der weiter ungebremste Klimawandel) nicht einmal ansatzweise in den Preisen berücksichtigt seien.

Die aufgeführten Gegenargumente sind sicher alle richtig und der Bürger darf erwarten, dass in öffentlichen Stellungnahmen durch Regierung und Ministerien eine abgewogene Bewertung vorgenommen wird. Doch zwingt sich dem Betrachter der Eindruck auf, als ob die Debatte gezielt einseitig geführt wird mit dem Ziel, die Erneuerbaren als Preistreiber darzustellen, sie damit zu diskreditieren und in der Folge das EEG zu kippen3) .

Dabei sind – über den Tag hinaus in die mittelfristige Zukunft geschaut – folgende Aspekte von vorrangiger Bedeutung für die Entwicklung der Strompreise:

  • die zu erwartende Preisentwicklung bei den fossilen Brennstoffen,
  • die zu erwartende Preisentwicklung bei Erneuerbaren Energien sowie
  • die Wahl der Struktur der Energieversorgung (zentral oder dezentral) und damit verbunden die Wahl der Akteure 4) .

Preisentwicklung bei fossilen Brennstoffen

Betrachten wir zunächst die Preisentwicklung bei fossilen Brennstoffen, die für die Stromerzeugung in Betracht kommen.

Hier zeigen alle Indikatoren eindeutig nach oben. Konventionelle Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle und Gas) werden für Betriebszeiten von 30 bis 40 Jahren geplant. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die importierten fossilen Energieträger schon in den letzten 15 Jahren deutliche Preissteigerungen erfahren haben. Aufgrund absehbarer Verknappungen und einer weiter steigenden Nachfrage, insbesondere bei Kraftwerkskohle, aber perspektivisch auch bei Erdgas, werden die Erzeugungskosten fossiler Kraftwerke mittelfristig deutlich steigen und damit unweigerlich auch die Strompreise für die Kunden, sofern die Erzeugung noch maßgeblich auf fossilen Trägern fußt. Schreibt man die Entwicklung weiter fort, so werden die Preissteigerungen – ähnlich wie bei Erdöl – umso mehr dramatische Ausmaße annehmen, je weiter der Förderhöhepunkt (sog. „Peak“) überschritten wurde und je weniger die Volkswirtschaften Alternativen zu den fossilen Energieträgern an den Start gebracht haben.
Ein Neubau von neuen Kohle- und Gaskraftwerken wird vor diesem Hintergrund allenfalls sehr kurzfristig „preisstabilisierende“ Wirkungen haben können. Allein schon die Tatsache, dass der Strom aus neu gebauten fossilen Kraftwerken prinzipiell teurer sein wird als der aus abgeschriebenen Altanlagen wird zu Preissteigerungen führen, wenn im Gegenzug abgeschriebene Altanlagen stillgelegt werden.
Die deutsche Braunkohle mag hier eine gewisse Ausnahme darstellen, da noch auf Jahrzehnte verfügbar und bei Betrachtung der reinen Förderkosten vergleichsweise preiswert. Allerdings verursacht diese fossile Energieart die größten direkten und indirekten Umweltbelastungen. Daher muss das Ziel sein, den Braunkohleanteil an der Stromversorgung schnell zu reduzieren.

Sehen wir uns die Entwicklung beim Erdgas an, so ist festzustellen, dass neben den zu erwartenden Verteuerungen durch immer mehr Erdgaseinsatz Europa und besonders Deutschland in eine steigende Abhängigkeit von russischen Importen geraten werden. Hier liegt neben den Preisrisiken eine zunehmend größer werdende Gefahr, wegen der Abhängigkeit politisch erpressbar zu werden 5).

Preisentwicklung bei Erneuerbaren Energien

Die in Deutschland in großem Stil nutzbaren Erneuerbaren Windenergie 6) und Solarenergie stehen uns kostenlos zur Verfügung. Kosten entstehen nur für den Bau und Unterhalt der Erzeugungsanlagen, es entstehen jedoch – anders als bei der Biomasse – keine „Brennstoffkosten“ 7). Hier liegt ein entscheidender Vorteil. Die genannten Erneuerbaren sind auch in Zukunft nicht von einer Verknappung wie bei endlichen fossilen Energieträgern betroffen. Da die Kosten für die Herstellung von Wind- und Solaranlagen in den letzten Jahren – besonders bei der Solarenergie – stark gefallen sind, steht uns mit ihnen eine praktisch nicht versiegende Quelle zur Verfügung, wobei – im genauen Gegensatz zu den fossilen Energieträgern – die Kosten zukünftig sogar sinken, weil mit der sich ausweitenden Massenproduktion die Anlagentechnik billiger wird.

Ein um Kostenbegrenzung für die Bürger ehrlich bemühter Staat wird – ganz abgesehen von den Klimaschutzbemühungen – somit aus Vorsorge seine fossile Stromerzeugung schnell und vorrangig durch solche Erneuerbaren Energieträger ersetzen, die keine „Brennstoffkosten“ verursachen. Er wird seinen Bürgern auch erklären, dass in der Übergangsphase Mehrkosten in Kauf genommen werden müssen. Mittelfristig wird sich dieser Mehrpreis jedoch als Vorteil erweisen wird, weil wir nur so aus der Preisspirale bei den fossilen Energieträgern aussteigen können. 8)

Die Wahl der Struktur der Energieversorgung

Die ohne „Brennstoffkosten“ nutzbaren Erneuerbare Energieträger Wind und Sonne können prinzipiell überall in Deutschland – ja sogar überall weltweit – genutzt werden. Für Deutschland speziell gibt es zwar räumliche Unterschiede im Energieangebot, diese sind jedoch insgesamt so gering, dass es praktisch überall möglich ist, in der Nähe der Verbrauchzentren auch die Anlagen zur Energiegewinnung zu konzentrieren. Ein derart flächiger Ausbau (also in und um die Städte verteilt, in und in der Nähe von Industrieansiedlungen) wird zwar einen weiteren Ausbau der nahen Verteilnetze erforderlich machen, nicht jedoch einen weiträumigen Neubau von Stromtrassen für den überregionalen Transport.
Die Kosten der Stromversorgung hängen aber auch maßgeblich von den gesamten Netzinfrastrukturkosten ab. Die Bundesregierung plant in ihren Ausbauszenarien einen bedeutenden Ausbau der Offshore-Windenergie. Diese Technik ist heute – unter Betrachtung auch der für die Stromweiterleitung von der Küste bis nach Süddeutschland notwendigen Übertragungsnetzausbauten – die mit Abstand teuerste Erneuerbare Technik. Wollte die Regierung wirklich Kosten sparen, sollte der Offshore-Ausbau nur sehr behutsam erfolgen. Zu weniger als der Hälfte der Kosten der Offshore-Windenergie können stattdessen Windkraftanlagen an Land aufgestellt werden. Hierfür braucht es zumeist keinen Übertragungsnetzausbau, stattdessen ist dringend notwendig, dass die Gebietskörperschaften (Städte und Gemeinden) endlich mehr geeignete Flächen für die Windenergienutzung in den Flächennutzungsplänen ausweisen.

Wenn die Bundesregierung bei ihrer Fokussierung auf den teuren Ausbau der Offshore-Windenergie bleibt, fördert sie zudem die weitere Entstehung bzw. Verfestigung zentraler Erzeugungsstrukturen.
Die Versäumnisse der Politik bei der Liberalisierung des Strommarkts von 1998 und später bei der Entflechtung von Erzeugern und Übertragungsnetzbetreibern zeigen allerdings auch, dass quasimonopolisierte börsennotiert operierende Unternehmen, wie wir sie beim deutschen Erzeuger-Oligopol vorfinden, wenig geeignet sind, die Preisentwicklung im Schach zu halten: Ein Wettbewerb der Teilnehmer des Oligopols findet faktisch nicht statt. Die Entwicklung der Gewinne der „Großen Vier“ der deutschen Stromwirtschaft im letzten Jahrzehnt zeigen, dass die Profitabilität optimiert wurde, dabei sind jedoch Investitionen in neue Erzeugungsanlagen zurückgefahren und die Netze vernachlässigt worden.

Die Erfahrungen mit und nach der Liberalisierung zeigen, dass ein Anbieter-Oligopol, das wie in Deutschland immer noch fast 80 Prozent der Stromerzeugungskapazität umfasst, bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien auf jeden Fall verhindert werden muss. Konsequenterweise sollten damit viele neue Akteure 4) in die Stromerzeugung mit Erneuerbaren Anlagen einsteigen. Das wird garantieren, dass spätestens nach Ablauf der Fristen fester Einspeisevergütungen zunehmend Kapazitäten am Markt bestehen, die zu sehr geringen Kosten anbieten und damit die Strompreise auf dem Erzeugungsmarkt drücken helfen. Die massive Förderung zentraler Strukturen wie bei der Offshore-Windenergie absehbar, wird dagegen zu weiteren Kostensteigerungen und zu weiteren Verfestigungen des Oligopols führen, die aus heutiger Sicht vermeidbar wären, wenn stattdessen der Ausbau an Land intensiviert würde. Bei den landgestützten Systemen Erneuerbarer Energien ist die Gefahr der Bildung von Monopolen weitaus geringer, da aufgrund der unterschiedlichen Eigentümerstrukturen der zu nutzenden Flächen einer Konzentration wirksam entgegengewirkt wird.

Fazit

Wenn wir die vorgenannten Betrachtungen zusammenfassen, so kommen wir zu dem Ergebnis, dass nicht nur aus Klimaschutzgründen sondern auch zur Vermeidung zukünftiger Preisrisiken nur eine konsequente Umstellung auf „brennstoffkostenfreie“ Erneuerbare mittelfristig zu bezahlbaren Strompreisen führen wird. In der Übergangszeit muss der unvermeidbare Anstieg der Kosten gerecht auf alle Verbraucher – unter angemessenem Einschluss der Industrie – verteilt werden. So kann einerseits der Anstieg bei den privaten Haushalten gebremst und auch die Industrie angehalten werden, mit Energie sparsamer und effizienter umzugehen. Daneben ist es sinnvoll, finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen aus Steuermitteln zu entlasten.

Darüber hinaus muss der Ausbau eines Systems von Speichern jetzt eingeleitet werden, damit (bestehende) konventionelle Kraftwerke auch in wind- und sonnenschwachen Zeiten möglichst schnell vom Netz genommen werden können. Zu einer ehrlichen Politik gehört auch das Bekenntnis, das Speicher zusätzliches Geld kosten werden. Sie sind jedoch der letzte noch notwendige Baustein auf dem Weg in eine Zukunft mit bezahlbaren Strompreisen.

Kosten für die Energiewende

Eine grobe und überschlägige Betrachtung unter Zuhilfenahme des Energiewenderechners (www.energiewenderechner.de) hat ergeben, dass nach einer vollständigen Umstellung auf Erneuerbare Energien der Haushaltsstrompreis (zu heutigen Preisen) nicht über 40 bis 45 Eurocent für den privaten Endkunden steigen wird.

Hierbei ist ein Erzeugungs-Mix von ca. 55 % Binnenland-Windenergie, ca. 35% Photovoltaik und ca. 10% sonstigen Erneuerbaren angenommen worden. Zudem wurde berücksichtigt, dass ca. 30% des verbrauchten Stroms (Endenergie) zuvor durch einen (verlustbehafteten und zusätzliche Kosten aufwerfenden) Speicher geleitet wurden.


 

Fußnoten

[1] Besonders zu erwähnen: Kampagne des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen
[2] siehe http://www.stern.de/wirtschaft/news/strompreisanstieg-unabwendbar-vattenfall-glaubt-an-steigerung-um-30-prozent-1884819.html
[3] Dabei ist bisher nur das EEG sicherer Garant eines Erneuerbaren-Energien-Ausbaus gewesen. Die in anderen Staaten praktizierten Quotenmodelle haben allenfalls geringe Erfolge gezeigt. In der Mehrzahl - so auch in England - wurden sie wegen Erfolglosigkeit abgeschafft.
[4]Unter dem Begriff "Akteure" werden hier die Gesamtheit der Eigentümer und handelnden Personen verstanden.
[5] Grafiken zu Energieträgern, Importen und sektoraler Verwendung; siehe: BMWi, Energiedaten 2012
[6] Wenn hier von Windenergie gesprochen wird, dann meinen wir die Binnenland-Windenergie (Onshore). Für die Offshore-Windenergie gelten zwar prinzipiell ähnliche Gesetzmäßigkeiten wie bei der Onshore-Technik. Durch die stark asymetrische und zentrale Struktur erfordert sie jedoch aufwändige Netzanbindungen und Energietransport über weite Entfernungen.
[7] Die Stromerzeugung aus dazu angebauter Biomasse wird vom SFV abgelehnt, da eine Konkurrenz zur Lebens- und Futtermittelerzeugung schon heute besteht und die Monokultur („Vermaisung der Landschaft“) zudem schwerwiegende ökologische Nachteil mit sich bringt.
[8] Neben dem schon jetzt zu beobachtenden Preisanstieg (besonders bei Mineralöl) ist auch mit Verteilungskämpfen und Kriegen um Energieressourcen zu rechnen.