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Zusammenfassung

Die eklatanten Widersprüche zwischen den in Teil A des Regierungsentwurfs genannten Gesetzeszielen zum Wohl der Gesellschaft und den folgenden tatsächlichen gesetzlichen Bestimmungen lassen es für möglich erscheinen, dass das gesamte Gesetzesvorhaben als ein verfassungswidriger Verstoß gegen fundamentale Grundrechte angesehen werden könnte.

Darüber hinaus lässt die fehlende Anwendungsfreundlichkeit annehmen, dass die Verfasser des Entwurfs entweder ihr Handwerk nicht beherrschen oder aber das Scheitern des Ausbaus der Erneuerbaren Energien provozieren wollen.

Umfang und Gliederung des Regierungsentwurfs

Der Gesetzesentwurf ist bereits vom Umfang her ein Monstrum. Er besteht aus 314 Druckseiten.
Der Text ist gegliedert in ein Vorblatt, bestehend aus den Teilen A. Problem und Ziel, B. Lösung, C. Alternative usw. bis E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung, sowie in einen weiteren Teil, der den Titel trägt: "Gesetzentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts“ der aus 25 Gesetzes-Artikeln besteht, z.B. Artikel 1, Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2014) mit 99 Paragrafen oder Artikel 6, Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes oder Artikel 14, Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes.

Regierungsentwurf zu:   A. Problem und Ziel

Teil A soll offensichtlich die zunehmenden Besorgnisse der Umweltfreunde ausräumen. Er betont die Gedanken der Nachhaltigkeit, der Bewahrung der Schöpfung, der Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, der Unabhängigkeit von knapper werdenden fossilen Rohstoffen und vergisst auch nicht die erheblichen Arbeitsplatzpotenziale der Erneuerbaren Energien. Insofern könnte dieser erste Absatz direkt aus einem Infoblatt des Solarenergie-Fördervereins Deutschland oder von EUROSOLAR stammen.

In der Folge wird dann die „Kostendynamik“ als Problem angesprochen und die Notwendigkeit, den Anstieg der Stromkosten zu begrenzen. Und darüber hinaus müsse der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien für alle Akteure der Energiewirtschaft auch noch planbar verlaufen (eine Forderung, die - wie Teil B zeigen wird - nur zu Gunsten der etablierten Stromwirtschaft gilt, jedoch nicht zu Gunsten der Finanzierer, Hersteller, Errichter und Betreiber von EE-Anlagen).

So wird in Teil A der Eindruck erweckt, es solle ein grundlegender Umbau der Energiewirtschaft vorgenommen werden, der möglichst wenig kosten wird und alle Akteure der Energiewirtschaft zufrieden stellen wird. Wie das im Einzelnen geschehen soll, wird dann in Teil B angedeutet und in den folgenden gesetzlichen Bestimmungen detailliert ausgeführt. Dabei kommt es zu eklatanten inneren Widersprüchen gegenüber den anfangs genannten Zielen.

Auf eine kleine Auswahl solcher Widersprüche zwischen der Einleitung von Teil A und den Ausführungsplänen in Teil B bzw. den gesetzlichen Bestimmungen beschränkt sich die hier vorliegende Stellungnahme.

Im Folgenden wird Originaltext aus dem Regierungsentwurf in roter Schrift dargestellt.

Regierungsentwurf zu:   B. Lösung

SFV zur Einführung von Obergrenzen

[Regierungsentwurf] "Die Novelle des EEG soll den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung - als Zwischenziel auf dem Weg der Transformation der Energieversorgung - bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 Prozent und bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigern."

Während die bisherigen Versionen der EEGs Mindestziele ohne Obergrenzen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien nannten, nennt der neue EEG Entwurf bei den Zwischenzielen für die Jahre 2025 und 2035 nicht nur Unter- sondern auch Obergrenzen. Solche Obergrenzen verbauen jede Chance, unter günstigen Umständen die in Teil A genannten Ziele wie Nachhaltigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, Unabhängigkeit von knapper werdenden fossilen Rohstoffen und Aktivierung der erheblichen Arbeitsplatzpotenziale der Erneuerbaren Energien in kürzerer Zeit zu erreichen.
Bei Berücksichtigung der externen Kosten der fossilen und atomaren Stromversorgung widersprechen solche Obergrenzen sogar dem Ziel der Kostendämpfung.
Einziger Nutznießer solcher Obergrenzen sind die rückwärts gewandten Planer der großen fossilen Kraftwerke und der Braunkohlegruben (möglicherweise auch der Atomkraftwerke), die sich nun wieder darauf berufen können, dass noch Bedarf für weitere Kraftwerksplanungen bestehen wird.

 

SFV zur "ambitionierten Degression der Fördersätze"

[Regierungsentwurf] "Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien soll sich stärker auf die kostengünstigen Technologien konzentrieren. Gleichzeitig soll die Kosteneffizienz durch den Abbau von Überförderungen, die Streichung von Boni und eine ambitionierte, stärker an dem tatsächlichen Zubau ausgerichtete Degression der Fördersätze verbessert werden."

"Ambitionierte Degression der Fördersätze" ist ein Euphemismus eigener Art! Ambitioniert bedeutet ehrgeizig oder mutig. Aber nicht der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll mutig vorangetrieben werden, sondern die Kosteneffizienz soll mutig verbessert werden. Es wird der Eindruck erweckt, als müssten den unersättlichen Erneuerbaren Energien die Überförderungen mutig wieder abgenommen werden.

SFV zum Missbrauch des Begriffs "Kosteneffizienz"

Natürlich steigt die Kosteneffizienz, wenn weniger Geld ausgegeben wird. Am höchsten ist die Kosteneffizienz, wenn gar kein Geld mehr ausgegeben wird und dennoch einige wenige Wind- und Solaranlagen entstehen. Denn Effizienz ist Erfolg dividiert durch Aufwand. Wer einen winzigen Erfolg durch einen Null-Aufwand dividiert, treibt die Effizienz gegen Unendlich. Trotzdem bleibt aber der Erfolg erbärmlich und es gehört wohl eher Mut dazu, die Entscheidung vor den nachfolgenden Generationen zu vertreten, die unter den Folgen weiterer Kohleverbrennung, dem sich verstärkenden Klimawandel und der Zunahme nicht entsorgungsfähiger radioaktiv strahlender Abfälle immer stärker leiden wird. Das ursprüngliche Ziel der Energiewende jedenfalls wird auf diese Weise aufgegeben.

SFV zur Einführung des Begriffs "Fördersätze"

Enttäuschend ist die erstmals in einem EEG verwendete neue Bezeichnung "Fördersätze". Die EEG-Anlagenbetreiber werden damit psychologisch und rechtlich in den Status von Beihilfeempfängern versetzt. Bisher erhielten Solaranlagenbetreiber genauso wie Atomkraftwerksbetreiber und jeder andere Stromerzeuger eine "Vergütung" für den gelieferten Strom. Solaranlagenbetreiber sollen zukünftig "Fördersätze" bekommen, die dann ambitioniert gekürzt werden können. Wie diskriminieren die Bezeichnung "Fördersätze" ist, zeigt sich am besten, wenn man sie auf Atomkraftwerke anwenden würde, z.B. wenn die Bundesregierung demnächst auch die "Fördersätze" für Atomstrom entsprechend der anwachsenden Mengen an radioaktiven Abfällen entsprechend ambitioniert kürzen würde!

SFV zum atmenden Deckel

Kommen wir zur nächsten versteckten Schlinge, die in diesem Gesetzesentwurf für die Erneuerbaren Energien ausgelegt wurde: Für viele arglose Leser ist die heimtückische Wirkungsweise einer "am tatsächlichen Zubau ausgerichteten Degression der Fördersätze" nicht sofort erkennbar. Auf Deutsch: je mehr Solaranlagen gebaut werden, desto schneller erfolgt die Absenkung der Einspeisevergütung (Pardon, der Fördersätze). Diese spezielle Unterdrückungsmaßnahme betrifft zukünftig nicht nur die Solarenergie, sondern demnächst auch die Windenergie an Land. Die Folgen treffen (was immer wieder übersehen wird) insbesondere die Hersteller von Wind- und Solaranlagen und dem dazugehörigen Zubehör. Das hat die Erfahrung der letzten Jahre mit dem sogenannten "atmenden Deckel" bereits in erschreckender Weise gezeigt. Die Wirkungsweise kann man sich wie folgt vorstellen: Die Errichtung einer neuen Solarfabrik führt natürlich dazu, dass mehr Solarmodule auf den Markt kommen, diese werden nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage etwas billiger und das führt dazu, dass etwas mehr Solaranlagen gebaut werden. Der tatsächliche Zubau hat also zugenommen.

Doch jetzt setzt die am Zubau orientierte Degression der Fördersätze ein: Alle zukünftigen Solaranlagenbetreiber bekommen weniger Geld für den von ihnen gelieferten Strom. Die Folge: mit den von der neuen Solarfabrik gelieferten billigeren Solaranlagen kann man trotz des verringerten Preises kein Geld mehr verdienen. Die Solaranlagen müssen zukünftig also noch weit unter den kalkulierten Herstellungskosten verkauft werden und auch die Solarfabrik in unserem Beispiel kann bereits im zweiten Betriebsjahr keinen Gewinn mehr erzielen. Es wäre nicht die erste von Insolvenz bedrohte Solarfabrik.
Für Windenergie werden die Folgen noch verheerender werden, denn die Planungszeiträume für Windenergie sind erheblich länger als für Solarenergie und bereits die Vorplanungen für Windanlagen (sogar schon die Voranfragen bei den Genehmigungsstellen sind kostenintensiv).

SFV zur Auswirkung des atmenden Deckels auf die Betreiber bereits bestehender Solaranlagen

Eine weitere, bisher wenig bedachte Folge trifft zukünftig auch die bisher verschonten Betreiber älterer Solaranlagen. Bisher durften sie sich bei technischen Defekten sicher fühlen, weil großzügige Garantiebedingungen den Austausch von defekten Teilen ermöglichten. Mit der Zunahme der Insolvenzen von Herstellerbetrieben entfallen viele Garantieleistungen und sogar manche Gewährleistung. Auch wird es manchmal unmöglich, überhaupt noch passende Bauteile zu finden, selbst wenn der Anlagenbetreiber zur Zahlung bereit ist.

SFV zur fehlenden Planbarkeit

Dem Gesetzgeber ist durchaus bewusst, dass die "am tatsächlichen Zubau ausgerichtete Degression der Fördersätze" (atmender Deckel) - im Gegensatz zu seiner eigenen Forderung in Teil A - auch jede Planbarkeit erschwert. Darauf deutete ein Hinweis im Text des Referentenentwurfs hin, den wir hier wörtlich wiedergeben (im endgültigen Regierungsentwurf ist dieser Hinweis - vermutlich seiner Peinlichkeit wegen - nicht mehr zu finden): "Hinweis: Die nachfolgenden Fördersätze bei PV sind Prognosewerte, weil aufgrund des geltenden atmenden Deckels noch nicht feststeht, wie hoch die Fördersätze im August 2014 sein werden..." Wie unsicher werden die Prognosen dann wohl werden, wenn der atmende Deckel zukünftig auch noch ambitioniert eingesetzt werden wird?

SFV: Fehlende Speicherförderung verunmöglicht Marktintegration der Erneuerbaren Energien

[Regierungsentwurf] "Die Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt wird vorangetrieben, indem die Direktvermarktung grundsätzlich verpflichtend wird."

Wichtigste Voraussetzung für die Marktfähigkeit eines Produkts ist dessen sichere Verfügbarkeit zum vereinbarten Zeitpunkt. Wer kauft schon eine Megawattstunde Solarstrom oder Windstrom, wenn er nicht einmal weiß, wann sie geliefert wird. Die Marktfähigkeit von Solar- und Windstrom setzt deshalb die Speicherung dieser Energien voraus.
Bekanntlich sind Stromspeicher noch teuer und ohne eine gezielte Markteinführung nicht finanzierbar. Bei aller Detailverliebtheit des Referentenentwurfs wurde dieser wichtige Punkt übersehen. Die einzige Stelle, an der die Einspeisung von zwischengespeichertem EE-Strom ins Netz überhaupt behandelt wird, § 19 Abs. 4, bietet dem Betreiber eines Speichers keinerlei Vorteile oder Anreize.

Die Fiktion, Solar- und Windstrom könnten sich durch Handel besser in das Stromversorgungssystem eingliedern lassen, ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, denn Solar- oder Windstrom, der zu Zeiten entsteht, in denen ohnehin ein Überangebot von Strom im Netz vorliegt, lässt sich auch und gerade durch Handel nach marktwirtschaftlichen Regeln NICHT "integrieren".

SFV zur Rolle des Vorrangs der Erneuerbaren Energien gegenüber dem Strom aus Grundlastkraftwerken

Zur Integration der Erneuerbaren Energien in den Strommarkt wird neben der Markteinführung von Zwischenspeichern in nicht allzu ferner Zeit die zügige Abschaltung von schlecht regelbaren Atom- und Braunkohlekraftwerken notwendig werden, um physikalisch Platz in den Hoch- und Höchstspannungsnetzen für Solar- und Windstrom zu schaffen.
Diese Frage muss dringend im Energiewirtschaftsgesetz geklärt werden, doch diese Gelegenheit wurde versäumt. In Artikel 6 (Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes) findet sich kein derartiger Hinweis. § 12 Absatz 3 EnWG bestimmt somit weiterhin, dass die Netzbetreiber die Nachfrage (der Kraftwerksbetreiber) nach Übertragung von Elektrizität (durch Ausbau der Transportnetze) zu befriedigen haben. Dies führt im Gegensatz zu den Forderungen in Teil A zur weiteren Erhöhung der Kosten. Zum einen kostet die Verstärkung der Transportnetze Geld. Zum anderen belastet der weitere Betrieb der Braunkohlekraftwerke unnötig das Klima.

SFV zu Mehrkosten durch Direktvermarktung

Die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie setzt die Verfügungsgewalt über die notwendigen Flächen voraus, insbesondere über die Dach- und Fassadenflächen von Gebäuden sowie über windgünstige Acker-, Wiesen und Waldflächen. Deren Eigentümer gehen in der Regel einem Beruf nach. Die ihnen mit der Gesetzesnovelle zusätzlich auferlegte Aufgabe, den erzeugten Strom selbst auf dem Strommarkt anzubieten, kostet zusätzliche Arbeitszeit und Aufwand. Mit der vom Gesetzgeber in Teil A geäußerten Absicht zur Kosteneinsparung ist das nicht vereinbar.

SFV zur fehlenden Anwendungsfreundlichkeit

Abschließend eine Bewertung der Anwendungsfreundlichkeit der Gesetzesnovelle: Bei Gesetzen hängt die Anwendungsfreundlichkeit entscheidend davon ab, dass es möglichst wenige Ausnahmen gibt. Alte deutsche Gesetzgebungstradition war es, nur das Notwendige zu regeln. Diese Tradition wird hier in ihr Gegenteil pervertiert. Auf den 314 Seiten des Regierungsentwurfs findet sich z.B. 70mal das Wort "abweichend". Jedes "Abweichend" bezeichnet eine Ausnahmeregelung. Ausnahmen können außerdem miteinander kombiniert auftreten. Die Kombinatorik besagt, dass die Zahl der Ausnahmen dann weit über die Zahl Tausend ansteigt. Eine solche Gesetzeshydra lässt sich nicht mehr vollständig prüfen, geschweige denn sicher anwenden. Die Finanzierung sowohl von Produktionsanlagen, Montageanlagen und sogar von einzelnen Solar- und Windanlagen wird ein unwägbares Risiko für den Investor wie auch für die finanzierende Bank. Die in Teil A des Regierungsentwurfes beschworenen Planbarkeit für die Akteure ist nicht im entferntesten gegeben.