Editorial des Solarbriefs 1/13
Die Diskussion darüber, ob und ab wann man beim weiteren Ausbau von Sonnen- und Windenergie Stromspeicher benötigt, wird von einer merkwürdigen mentalen Hemmung beeinträchtigt, die uns selbst kaum bewusst ist, die aber dazu führt, dass der Speicherbau immer weiter hinausgeschoben wird. Es ist an der Zeit, dass wir diese Hemmung überwinden. Vielleicht sollten wir uns in Gedanken in ein anderes Umfeld begeben, in ein Industrieland mit ausschließlich fossiler Stromversorgung, und dort das folgende Gedankenexperiment veranstalten:
Wir denken uns in diesem fossil voll versorgten Land die Kohlevorräte weg, die gleich neben den Kohlekraftwerken in den sogenannten Kohlebunkern lagern.
Was wäre die Folge?
Die Kohlekraftwerke könnten nach dem Verschwinden ihrer Kohlebunker nur noch dann Strom liefern, wenn neben ihnen zufällig ein mit Kohle beladener Güterzug steht. Wenn er leer ist, müssen sie die Stromproduktion einstellen und warten, bis der nächste Kohle-Güterzug kommt. Ein Kohlekraftwerk ohne laufenden Brennstoffnachschub ist also ähnlich volatil oder fluktuierend wie eine Solaranlage ohne Stromspeicher. Beide müssen warten - auf die Sonne oder auf den nächsten Kohle-Güterzug.
Treiben wir nun die Abstraktion noch etwas weiter, so kommen wir zu dem Schluss: Kohlevorräte und die gesamte zu ihrer Herbeischaffung benötigte Infrastruktur von der Kohlengrube bis zum Kohlebunker sind die Speicher der fossilen Stromwirtschaft.
Wir empfinden die Kohlevorräte, Kohlebunker, Kohle-Güterzüge, Kohleschiffe und Kohlegruben als selbstverständliche Bestandteile der fossilen Stromversorgung und niemand käme auf die Idee, eine fossile Stromversorgung ohne die dazugehörige Speicherinfrastruktur aufzubauen.
So konnte es kommen, dass wir fossile Kraftwerke durch Solar- und Windanlagen ersetzen wollten, aber dabei die notwendigen Speicher vergessen haben.
Diese Unterlassung hemmt nicht nur den Umbau der Energiewirtschaft, sondern schadet auch der Akzeptanz dieses wichtigen Projektes. Der Widerstand der Industrie gegenüber einer Neuregelung, bei der sie je nach Sonnen- oder Windverhältnissen mal mit billigem, mal mit teurem Strom und mal mit Stromsperren rechnen muss, ist nur zu verständlich. Der Wettbewerbsnachteil gegenüber der Industrie in einem vollständig fossil versorgten Land ist offensichtlich.
Zur Umstellung der Energieversorgung gehört also auch die Umstellung der Speicherinfrastruktur.
Viel später einmal, wenn es nach gelungener Umstellung genügend Energiespeicher der neuen Art geben wird, ist es selbstverständlich der Mühe wert, zu überlegen, wo und wie man zukünftig Speicher einsparen kann. Doch Sparmaßnahmen im Speicherbau beginnt man sinnvoll nicht damit, dass man - wie es in Deutschland geschehen ist - 13 Jahre lang unter staatlicher Förderung eine Solar- und Windanlage nach der anderen errichtet, aber keinen einzigen dazugehörigen Speicher anschafft. Jetzt spüren wir die Folgen. Es tauchen immer mehr Fragen und Probleme auf, die es beim Vorhandensein von genügend Speichern überhaupt nicht geben würde, z.B. die Frage, warum man die großen Städte in Norddeutschland in wind- und sonnenarmen Wochen nicht mit gespeicherten überschüssigen Windstrom der vorangegangenen Sturmtiefs über Nord- und Ostsee versorgen kann.
Fazit
Aufgabe 1 haben wir zwar schon im Ansatz gelöst: Wir wissen, wie man mit immer weiter fallenden Kosten immer mehr Solar- und Windanlagen bauen kann.
Aufgabe 2 allerdings harrt noch immer ihrer Lösung. Die wird erst dann möglich werden, wenn im federführenden Umweltministerium nicht mehr vorwiegend darüber nachgedacht wird, wie man Speicher durch Flexibilitätsoptionen ersetzen kann, sondern wenn die dringendste energiewirtschaftliche Aufgabe endlich klar beim Namen genannt wird: Die Markteinführung von Stromspeichern im Verbund mit Solar- und Windanlagen und die Ablösung der fossilen Speicher-Infrastruktur aus Kohlegruben, Kohlebaggern, Kohle-Güterzügen, Kohlehäfen, Kohleschiffen, Kohlebunkern durch eine Infrastruktur aus EE-Stromspeichern aller Art.
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