Fritz Vorholz fordert in DIE ZEIT vom 13. August eine Herabsetzung der staatlich festgesetzten Einspeisevergütungen für Solarstrom im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die noch weit über die drastische Herabsetzung im EEG 2009 hinausgeht.

http://www.zeit.de/2009/34/Foerderung-Solarbranche

Das alte Beispiel von dem halbvollen bzw. dem halbleeren Glas zeigt, wie man den gleichen Sachverhalt positiv oder negativ darstellen kann.Unter der deprimierenden Überschrift "Viele Milliarden für wenig Strom"
demonstriert Fritz Vorholz in DIE ZEIT vom 13.8.09, wie man die Erfolgsgeschichte der Photovoltaik in Deutschland als kapitalen Misserfolg darstellen kann:

"Allein die im Jahr 2009 zu erwartende Installation neuer Solarmodule wird die Verbraucher in den nächsten 20 Jahren gut 10 Mrd. Euro kosten.
Dafür kommen pro Jahr zusätzlich rund 1,8 Mrd. Kilowattstunden Sonnenstrom aus den Steckdosen, das entspricht etwa 0,3 Prozent des gesamten gegenwärtigen Stromverbrauchs. Es ist fast nichts."
Und weiter: "Doch zehn Milliarden kosten nur die neuen Anlagen". Was vorher errichtet worden sei, würde über die Jahre sogar Mehrkosten von 30 Milliarden verursachen. So habe es jedenfalls das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsförderung (RWI) in Essen ausgerechnet.

Hier melden wir uns kurz mit einer Information zur Interessenlage des RWI zu Wort:

Präsident der "Freunde und Förderer des RWI" ist seit Juni 2008 Dr. Rolf Pohlig, Finanzvorstand der RWE AG. Sein Vorgänger war der ehemalige Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Dr. Dietmar Kuhnt. Diese personellen
Verflechtungen zwischen RWI und RWE sind Herrn Vorholz vermutlich bekannt. Und wie das RWE über die zukünftige Konkurrenz aus Sonnenstrom denkt, vermutlich auch. Die Berücksichtigung von wirtschaftlichen Interessen gehört ja nun einmal zum Handwerkszeug eines unabhängigen Journalisten.

Doch zurück zum Beitrag in der ZEIT:
Von denselben Zahlen ausgehend wie das RWI müsste ein fairer Kommentator eigentlich zu völlig entgegengesetzten Bewertungen kommen, etwa so:
"In den vergangenen Monaten, in denen von Seiten der Banken im Zuge der Finanzkrise keine positiven Impulse für das Wirtschaftsleben mehr ausgingen, haben dennoch in Deutschland Privatpersonen und private Unternehmen - motiviert durch die staatlich festgesetzte Mindestvergütung im EEG - den Bau von Solarstromanlagen im Wert von 10 Mrd. Euro voll vorfinanziert. Die in diesem Jahr neu installierten Solarmodule werden voraussichtlich den Anteil des Solarstroms am gesamten Strommix von 0,7 auf 1,0 Prozent steigern. Damit überschreitet - knapp 10 Jahre nach der Einführung einer halbwegs kostendeckenden Einspeisevergütung für Solarstrom im EEG 2000 - der Anteil des Solarstroms in Deutschland erstmals die Ein-Prozent-Marke. Die Stromverbraucher müssen die dafür geleisteten Vorabinvestitionen nicht sofort, sondern erst im Lauf der nächsten 20 Jahre an die privaten Investoren zurückzahlen. Das sind pro Jahr
30 Mrd. geteilt durch 20 Jahre = 1,5 Mrd. pro Jahr.
Und teilt man diesen Betrag auf die 80 Mio. Einwohner Deutschlands auf, dann sind es noch nicht einmal 20 Euro pro Einwohner und Jahr. Oder monatlich weniger als 2 Euro.
Damit hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auch in der schlimmsten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte seine Bewährungsprobe als das wohl erfolgreichste Investitionsanreizprogramm der deutschen
Wirtschaftsgeschichte glänzend bestanden."

Es bleibt nachzutragen, dass in der aufgestellten Berechnung weder die Arbeitsplatzeffekte (Tausende von Solarinstallateuren haben ihr Gehalt weiter beziehen können) noch die Senkung des Strompreises aufgrund des Merit-Order-Effekts an der Europäischen Strombörse, noch die wachsende Unabhängigkeit von Energieimporten mit berücksichtigt wurden und schon gar nicht die Tatsache, dass eine wichtige CO2-freie Technik anstelle von Kohle und Atom eingeführt wird. Diese wesentlichen Erfolge des EEG hatte auch das RWI in seiner Analyse "vergessen".

Im Übrigen zeichnet der ZEIT-Autor ein Bild der Solarwirtschaft, das weder mit den Fakten, noch mit volkswirtschaftlicher Realität etwas zu tun hat.

Seine Behauptung: "Auf Kosten der Allgemeinheit verdienen Hersteller und Investoren Extrarenditen" widerlegt sich schon allein aus den bekannt gewordenen Problemen, mit denen die Solarhersteller im ersten Halbjahr
2009 zu kämpfen hatten.

Die folgende Aufzählung ist zum großen Teil dem taz-Beitrag vom 05.08.09
"Umsatzeinbrüche bei Sonnenenergie - Krise bringt Solarbranche in Not" entnommen.

So sehen keine Firmen aus, die "Extrarenditen" erzielen.

Der gehässige Spruch des ZEIT-Autors: "Auf Kosten der Allgemeinheit verdienen Hersteller und Investoren Extrarenditen" appelliert zwar psychologisch geschickt an den Neidkomplex, zeigt aber erstaunlich wenig
Kenntnis von volks-und betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen. Warum denn überhaupt nehmen Unternehmer die Herkulesaufgabe in Angriff, eine völlig neue Konkurrenztechnik zu Kohle- und Atomenergie ins Leben zu rufen, wenn sie für ihre Mühe und Risikobereitschaft noch nicht einmal eine "Extrarendite" erwarten dürfen? [1]

Seine eigenen Vorstellungen von einer Markteinführung der Photovoltaik erläutert Solarfreund Fritz Vorholz sinngemäß so:
Wenn die Hersteller auf ihre Extrarenditen verzichten müssten, dann könnten Solarmodule viel billiger angeboten werden, dann würden auch arme Länder mehr davon kaufen und dann brauchten wir keine staatlich festgesetzten Garantiepreise in Deutschland mehr.
Ja prima!
Aber dann würde auch kein Unternehmer auch nur noch einen Finger für die Solarenergie krumm machen. Schon jetzt wird der Aufbau neuer Produktionskapazitäten gestoppt. Die kurzsichtige Entscheidung des Gesetzgebers aus dem Jahr 2008, die Einspeisevergütung von Jahr zu Jahr noch schneller abzusenken, als ohnehin geplant (neuerdings 8 - 10 Prozent Absenkung statt bisher 5 Prozent), tut ihre unheilvolle Wirkung.

Auch für die Photovoltaik gelten die bekannten Regeln der Betriebs- und Volkswirtschaft. Wenn der Geldzufluss gestoppt wird, ist es mit dem Wachstum vorbei. Der Aufbau einer neuen Energietechnik braucht Kapital, und Kapital fließt nun einmal dorthin, wo die hohen Gewinne winken. Ein schnellerer Aufbau braucht mehr Kapital als ein langsamer! Der SFV bedankt sich ausdrücklich bei Herrn Vorholz für die Erwähnung der Tatsache, dass wir (als einzige Organisation) bereits vor zwei Jahren vorausschauend eine Anhebung der Einspeisevergütung statt einer Absenkung gefordert haben. Wir tun das auch weiterhin - aber nicht, wie er uns unterstellt, um die Stromverbraucher besser zur Kasse zu bitten, sondern weil angesichts der absehbaren furchtbaren Folgen des Klimawandels jede Chance genutzt werden muss, die Energiewende weiter zu beschleunigen.

 

[1] Nur zum Vergleich: Allein der Stromversorger E.ON hat im ersten Halbjahr 2009 5,8 Mrd. € Gewinn eingefahrent. Hochgerechnet auf 20 Jahre wären das 232 Mrd. €.