- Nordafrika braucht Strom aus Erneuerbaren Energien
- Stromtransport nach Deutschland?
- Eulen nach Athen tragen?
- Desertec-Anlagen wollen das Tag-Nacht-Speicherproblem lösen
- Deutschland muss die Langzeitspeicherung lösen
- Finanzielle Verhältnismäßigkeit?
- Wie kann man die Einführung von Wind- und Sonnenenergie in Deutschland noch beschleunigen?
- Deutsche Abnahmegarantie für Desertec-Strom könnte das EEG weiter schwächen
- Abnahmegarantie durch nordafrikanische Staaten und Städte erforderlich
- Energieversorgung in Deutschland bitte aus dem eigenen Land!
Nordafrika braucht Strom aus Erneuerbaren Energien
Nein, wir haben nichts gegen den Plan, auch die Länder im nördlichen Afrika mit Strom aus Sonnen- und Windenergie zu versorgen. Im Gegenteil, wir begrüßen diese Idee, denn jede Tonne CO2, die in Marokko, in Libyen, Ägypten oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten emittiert wird, schädigt das gemeinsame Weltklima genauso schlimm wie eine Tonne CO2 aus den Braunkohlekraftwerken von RWE oder Vattenfall in Nordrhein-Westfalen oder in der Lausitz. Erneuerbare Energien werden weltweit gebraucht - 100 Prozent sogar!
Der Stromverbrauch in den Städten Tanger, Oran, Tunis, Alexandrien, Kairo oder auch in Dubai mit all den Millionen von stromfressenden Klimaanlagen sollte deshalb möglichst bald mit Solarenergie gedeckt werden, das ist richtig. Und der Strom sollte dort möglichst verbrauchsnah erzeugt werden.
Stromtransport nach Deutschland?
Wir halten es nun aber für völlig abwegig, Solarstrom in zentralen Großanlagen in der Nähe großer Stromverbraucher zu erzeugen, um ihn dann nicht dort zu verbrauchen, sondern ihn nach Deutschland zu transportieren. Schon die Probleme, die die Netzbetreiber in Deutschland sehen, wenn sie einen kleinen Windpark mit 20 Windanlagen an das Stromnetz der 10 km entfernten Großstadt anschließen sollen, sollten uns zu denken geben! Aber bei Desertec geht es nicht um 10 oder 20 km Leitungsbau, sondern da müssen neue Stromleitungen erst einmal durch Nordafrika bis zur Küste und durch das Mittelmeer, fast 1000 km, dann weitere 1000 km der Länge nach durch den italienischen Stiefel, dann weitere 1000 km quer über die Alpen, über Östereich oder die Schweiz, schließlich durch Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gebaut werden, damit der Desertec-Strom in all die großen deutschen Städte und in die Dörfer verteilt werden kann. Und das mit den jahre-verzehrenden Genehmigungsproblemen, die wir zur Genüge kennen.
Und nicht zu vergessen, mit einer hohen Anfälligkeit gegenüber Unwetterkatastrophen oder Sabotageakten oder politischen Erpressungsversuchen a la GAZPROM!
Eulen nach Athen tragen?
Und wo soll der Wüstenstrom dann verbraucht werden? Der Strom soll in deutschen Häusern und Werkhallen verbraucht werden, die - zusammen genommen - genügend Dach- und Fassadenflächen aufweisen, dass man auf ihnen fast die Hälfte des deutschen Strombedarfs aus Photovoltaik-Anlagen erzeugen kann. Und in Deutschland gibt es dann auch noch genügend Flächen, auf denen mit Windstrom zusätzlich ein Mehrfaches des deutschen Stromverbrauchs erzeugt werden kann.
Desertec-Anlagen wollen das Tag-Nacht-Speicherproblem lösen
Der Solarstrom aus Afrika sei besser als deutscher Solarstrom, heißt es, weil er Tag und Nacht geliefert werden könne. Natürlich scheint auch in Afrika die Sonne nicht nachts. Aber die kurzzeitige Speicherung vom Tag zur nächsten Nacht ist relativ einfach. Die solarthermischen Kraftwerke, die man dort errichten möchte, sollen zusätzlich mit großen Wärmespeichern ausgestattet werden, die die Sonnenwärme des Tages bis hinein in die Nacht speichern. Die Solarthermie hat damit eine Lösung des bekannten Tag-Nacht-Speicherproblems gefunden und könnte unter afrikanischen Wetterverhältnissen grundlastähnlichen Strom liefern.
Deutschland muss die Langzeitspeicherung lösen
Deutschland hat anders gelagerte Speicherprobleme als Nordafrika. Bei uns gibt es längere wind- und sonnenschwache Wetterperioden. Die zu überbrücken ist eine anspruchsvollere Aufgabe. Da kann grundlast-ähnlicher Strom aus Nordafrika nicht helfen, denn wenn Deutschland den Sahara-Strom hauptsächlich an wind- und sonnenschwachen Tagen aus Afrika abrufen würde, würde genau an diesen Tagen der nach Deutschland fließende Desertec-Strom bei den nordafrikanischen Verbrauchern fehlen. Auf die Unverträglichkeit von Grundlastkraftwerken mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland hat erst kürzlich der Sachverständigenrat für Umweltfragen hingewiesen. Wir müssen unser Langzeitspeicherproblem bei uns im Lande lösen.
Langzeitspeicherlösungen für Deutschland werden anders aussehen. Anders als beim Desertec-Projekt sind wir nicht gezwungen, die Speicherbatterien in räumlicher Nähe zu den stromerzeugenden Anlagen unterzubringen. Das erlaubt uns, die Speicher weiter zu dezentralisieren, sie bei jedem einzelnen Verbraucher zu installieren, der auf diese Weise selbst für seine Stromversorgung verantwortlich wird. Die Aufgabe ähnelt dann dem vorsorglichen Betanken eines Autos mit Kraftstoff. Jeder Verbraucher entscheidet selber, wann er wieviel Energie im Tank seines Autos speichern will. Auch Strom kann man "tanken" - die Fortentwicklung der Batterietechnik in Laptops und Notstromanlagen macht es möglich. Nach einer gerade veröffentlichten VDE-Studie würde die Ausstattung von nur 10 Prozent der deutschen Automobile mit Antriebsbatterien ein dezentrales Speicherpotential von gleicher Größe schaffen wie das aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke zusammen.
Es ist abzusehen, dass wir die Aufgabe der Langzeit-Speicherung gleichzeitig mit der Einführung eines "intelligenten Stromnetzes" und der Umstellung des Straßenverkehrs auf Sonnen- und Windstrom lösen werden.
Finanzielle Verhältnismäßigkeit?
Doch noch einmal zurück zu dem Vorhaben, einen Teil des Desertec-Stromes nach Deutschland zu liefern. Wenn man eine solche Absicht in die Tat umsetzen will, dann muss sich der Leitungsbau auch wirklich lohnen. Die Rede ist von beeindruckenden 15 Prozent des europäischen Strombedarfs. Diese Prozentangabe lädt zu einem Vergleich mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland ein. Fast der gleiche Prozentanteil an Solar-, Wind-, Biogas und Kleinwasserkraftstrom wird bereits durch deutsche Privatleute unter dem Anreiz des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes ins deutsche Stromnetz eingespeist. Keine Rede davon, dass dies auch nur einen kleinen Teil von 400 Mrd Euro gekostet hätte! Im Gegenteil, die deutschen Stromverbraucher werden inzwischen sogar entlastet, denn die Einspeisung von Wind- und Solarstrom senkt bereits seit 2006 den Strompreis am Spotmarkt der Strombörse in Leipzig. Und keine Rede davon, dass es 10 Jahre gebraucht hätte, bis der erste Strom geflossen wäre. Mit dem EEG ging es also in Deutschland vergleichsweise erheblich billiger und schneller.
Der beeindruckende Aufwand von 400 Milliarden besagt also nichts über die Qualität des Projekts. Nicht alles was teurer ist, ist auch besser.
Wie kann man die Einführung von Wind- und Sonnenenergie in Deutschland noch beschleunigen?
Die politischen Entscheidungsträger sollten sich daran erinnern, wie vorsichtig sie mit den Geldern der Bürger umgegangen sind, als sie die Einspeisevergütungen für Solarstrom festgelegt haben. Diese werden von Jahr zu Jahr gesenkt. Die Senkung wird sogar bewusst eingesetzt, um das Ausbautempo für private Solarstromanlagen zu bremsen. § 20 Absatz 2a EEG bestimmt, wenn die Leistung der jeweils im vorangegangenen Jahr installierten Anlagen im Jahr 2009 1500 Megawatt, im Jahr 2010 1700
Megawatt und im Jahr 2011 1900 Megawatt übersteigt, wird die Absenkung der Einspeisevergütung noch um einen weiteren Prozentpunkt verschärft.
Wenn die Bundesregierung mehr Solarstrom und Windstrom in Deutschland haben will, braucht sie blos die Degressions-Bremse im EEG zu lockern, d.h. einen höheren Anreiz für den Bau privater Wind- und Solaranlagen vorzusehen. Die deutschen Bürger reagieren auf eine Verbesserung der Einspeisevergütung sofort, wie der Solarboom im Jahr 2004 und 2005 gezeigt hat.
Es wäre kaum nachvollziehbar, wenn die Bundesregierung, die einerseits durch Verknappung der Einspeisevergütung den Ausbau der Solarstromnutzung auf deutschen Dächern erheblich vermindert hat, uns andererseits mit einer Geldausgabe in Milliardenhöhe in eine neue Importabhängigkeit hineinsteuert.
Besser, billiger, erprobter und volkswirtschaftlich sinnvoller wäre es, im EEG den finanziellen Anreiz zum Bau heimischer Solar- und Windanlagen zu steigern - diese Mehrausgaben wären vergleichsweise noch weniger als "peanuts" und würden im deutschen Installationsgewerbe viele neue Arbeitsplätze schaffen.
Deutsche Abnahmegarantie für Desertec-Strom könnte das EEG weiter schwächen
Bei Desertec erhofft man sich unter anderem auch eine Beteiligung von E.ON und RWE. Diese Firmen treiben bekanntlich den Bau von neuen Kohlekraftwerken in Deutschland voran. Es ist kaum zu erwarten, RWE und E.ON würden ernsthaft mit Desertec-Strom ihren geplanten neuen Kohlekraftwerken Konkurrenz machen wollen. Es muss für sie also eine andere Motivation geben.
Wir brauchen nicht lange zu suchen. Unüberhörbar ist schon jetzt der Ruf nach staatlicher Unterstützung und nach Gesetzesänderungen zugunsten von Desertec. Das Firmenkonsortium will das Projekt nur angehen, wenn ihm eine Abnahmegarantie für den erzeugten Strom in Deutschland gegeben wird. Das sehen wir als ausgesprochen gefährlich an.
Der bisherige Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland wurde unter dem Investitionsanreiz des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) fast ausschließlich von Privatpersonen und Organisationen außerhalb der Stromwirtschaft durchgeführt. So werden - wie bereits erwähnt - inzwischen in Deutschland fast 15 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien privat erzeugt. Die Stromwirtschaft betrachtet diese Entwicklung mit Vorbehalten und versucht, die Förderung durch das EEG möglichst vollständig zu beenden. Dazu gibt es mehrere Studien und Forderungen durch das RWI und beim Bundesministerium für Wirtschaft.
Die Bundesregierung sieht derzeit leider die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien als eine Verpflichtung an, der sie nur so weit nachkommen möchte, wie es nach den Vorgaben der EU unumgänglich ist. Ihr Ziel ist es leider nicht, die Erneuerbaren Energien so rasch wie möglich einzuführen, sondern nur so schnell, wie es aus politischen Erwägungen unabdingbar erscheint. Im neuen EEG 2009 ist die Rede von mindestens 30 Prozent des Strombedarfs bis 2020 (eben leider nur von 30 %!).
15 Prozent haben wir bereits jetzt geschafft. Desertec verspricht, die an den 30 Prozent noch fehlenden 15 % in 10 Jahren mit Sonnenstrom aus der Sahara zu decken. Es könnte leicht geschehen, dass eine den Energiekonzernen zugeneigte Bundesregierung unter dem Eindruck dieses Versprechens die Förderung der Erneuerbaren Energien durch das EEG weiter vermindert - sie möglicherweise sogar deckelt.
Verfolgungswahn oder schwarze Fantasien? Eher nicht! Ähnliche Vorgänge wurden jedenfalls bereits aus Großbritannien bekannt. Dort fordern E.ON, RWE und EDF eine Deckelung der Erneuerbaren Energien auf 30 bzw. 25 Prozent des Strombedarfs, damit sich ihre Investitionen in neue Atomkraftwerke lohnen.
Wir sollten gewarnt sein!
Abnahmegarantie durch nordafrikanische Staaten und Städte erforderlich
Und wie schon anfangs gesagt: Wir haben nichts dagegen, wenn der Bau von Solar- und sonstigen Anlagen in Nordafrika im Zuge der Entwicklungshilfe vorangetrieben wird. Aber die Abnahmegarantie sollten dann auch die Entwicklungsländer geben, denen die Entwicklung helfen soll.
Eine Entwicklungshilfe, die die Entwicklungsländer nicht wünschen, sollten wir ihnen nicht aufdrängen
Energieversorgung in Deutschland bitte aus dem eigenen Land!