Wie stellt man die Vorrangigkeit einer baulichen Anlage im Sinne von § 11, Abs. 3 EEG fest, wenn sie gleichzeitig mit der Solaranlage geplant und errichtet werden soll?


Aus der Begründung zu § 11 Abs. 3 EEG lässt sich die Frage nach der Vorrangigkeit des Nutzungszweckes einer baulichen Anlage nicht unmittelbar beantworten. Die Begründung lautet: "Die Einschränkungen des Absatzes 3 finden keine Anwendung, wenn die Anlage an oder auf einer baulichen Anlage angebracht ist, die vorrangig zu anderen Zwecken errichtet worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die bauliche Anlage zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme tatsächlich gerade entsprechend der Funktion ihres abstrakten, rechtlich qualifizierten Nutzungszwecks (etwa: Wohngebäude, Betriebsgebäude, Mülldeponie) genutzt wird. Eine (vor oder nach) Inbetriebnahme der Anlage tatsächlich erfolgte Aufgabe der ursprünglichen anderweitigen Hauptnutzung bleibt also bedeutungslos.“ Diese Begründung behandelt somit nur solche Fälle, in denen die bauliche Anlage bereits vor der Solaranlage vorhanden war und sieht hier keine Probleme. Hier gibt es keine Zweifel an der vorrangigen Errichtung zu „anderen Zwecken“.

In der Diskussion zur Bestimmung der Vorrangigkeit werden insbesondere drei Argumente genannt.

  1. Die monetäre Gewinnaussicht für die Nutzung der baulichen Anlage müsse höher sein als die Gewinnaussicht durch den Betrieb der Solaranlage.
  2. Die Kosten für die Errichtung der baulichen Anlage müssten höher sein als die Kosten der Solaranlage.
  3. Die Planung für die Solaranlage müsse zeitlich nach der Planung für die bauliche Anlage erfolgen.

Der SFV hält die drei Argumente nicht für stichhaltig.
Zu 1) Aus der oben genannten Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 3 EEG lässt sich bereits eine wichtige Folgerung ziehen: „Eine möglicherweise später erfolgende Änderung der tatsächlichen Nutzung ist ohne Belang“. Der Nutzungszweck der baulichen Anlage kann also jederzeit geändert werden, ohne dass der Anspruch auf Zahlung der Einspeisevergütung verfällt. Insofern kann eine im Planungsbeginn durchgeführte Gewinnabwägung der Nutzung der baulichen Anlage im Vergleich zur Erzeugung von Solarstrom nicht als Entscheidungskriterium herangezogen werden.

Zu 2) Gemäß dem Rechtskommentar von Prof. Salje*) zum EEG soll die Vorrangigkeit durch einen Vergleich der Baukosten für die bauliche Anlage und die Solaranlage bestimmt werden. Auch diese Überlegung überzeugt aus mehreren Gründen nicht:

a) Wenn der Investor die Solaranlage kleiner dimensioniert als möglich, könnten die Invest-Kosten der Solaranlagen soweit gesenkt werden, dass sie im Vergleich zu den Kosten für die Errichtung der baulichen Anlage geringer ausfallen. Der Investor könnte dann entscheiden, vielleicht später noch eine Vergrößerung der Solaranlage vornehmen. Oder er könnte den Bau der Solaranlage gänzlich zurückstellen, zuerst die bauliche Anlage errichten und dann später - ggf. sogar nach einer Nutzungsänderung der baulichen Anlage - unangefochten im Sinne der o.a. EEG-Begründung eine Solaranlage nachträglich errichten.

Es kann unserer Ansicht nach nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, der Größe und dem optimal möglichen Inbetriebnahmezeitpunkt einer Solarstromanlage bereits im Vorfeld der Planung einer baulichen Anlage Beschränkungen aufzuerlegen.

b) Dass in der EEG-Begründung zu § 11, Abs. 2, Satz 3 insbesondere auch sogenannte Carports oder Überdachungen von Tankstellen vom Gebäudebegriff (und damit ebenso als bauliche Anlagen) erfasst werden, deren Baukosten in der Regel unter den Kosten sonst üblicher Wohn- oder Gewerbeobjekte liegen, kann als weiteres Indiz dafür angeführt werden, dass der Gesetzgeber keine Abwägung der Baukosten angestrebt haben kann.

Zu 3) Die Bestimmung der Vorrangigkeit durch die Reihenfolge der Planung ist nicht schlüssig. Bereits in der Planung von Neubauten sollte die Nutzung der Solarenergie einbezogen werden. Dies ist besonders dann von Bedeutung, wenn Fassaden- und Dachintegrationen angestrebt werden, die zur Baukosten-Ersparnis führen können.

Endergebnis:

Nachdem wir die oben genannten Beurteilungskriterien als offenbar wenig überzeugend darstellen konnten, nähern wir uns dem Willen des Gesetzgebers an, indem wir die Frage zu beantworten suchen, welchen Sachverhalt er ausschließen wollte.

Aus dem Umgang des Gesetzgebers mit Anlagen auf Freiflächen lässt sich herleiten, dass der Gesetzgeber weiteren Flächenverbrauch vermeiden möchte.

Unter dieser Prämisse ist der Gesetzestext wie folgt auszulegen: Der Gesetzgeber hat keine Einwände dagegen, dass bauliche Anlagen, die aus anderen Gründen ohnehin errichtet werden, dann auch mit einer Solaranlage bestückt werden. Er will aber nicht hinnehmen, dass bauliche Anlagen nur deshalb errichtet werden, damit sie als Träger für Solaranlagen dienen. Da es eine Fülle von Gründen gibt, die man als Vorwand für die Vorrangigkeit der Errichtung einer baulichen Anlage nutzen könnte, sieht er sich nicht in der Lage, präzise allgemeingültige Ausschlussgründe zu nennen, sondern verlangt stattdessen eine Einzelfallprüfung.

Es geht ihm dabei im Wesentlichen um die Frage, ob die bauliche Anlage auch dann an dem vorgesehenen, bauplanerisch genehmigten Ort einen Sinn erfüllen würde, wenn sie nicht als Träger für eine Solaranlage diente.

Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen:

  • Würde im Außenbereich einer Gemeinde in unmittelbarer Nähe eines Gewässers ein Boots-Unterstellplatz entstehen, auf dem zusätzlich eine Solaranlage angebracht werden soll, so hat diese bauliche Anlage zweifelsohne einen eigenständigen Sinn. Sie dient dem Schutz eines Bootes. Wenn ein solcher Boots-Unterstellplatz jedoch an einer Stelle gebaut werden würde, die weder in unmittelbarer Nähe zum Gewässer noch zum Wohnort des Bootsbesitzers läge, so könnte nicht von einem überzeugendem Konzept, sondern von einer unter Vorwand gebauten baulichen Anlage zur Installation einer Solaranlage ausgegangen werden.
  • Ein weiteres Beispiel wäre die Errichtung einer Solaranlage an einer Lärmschutzwand, deren Zweck - der Schutz vor Lärm - dadurch nachgewiesen werden kann, dass man einerseits die Lärmquelle nennt, vor der zu schützen ist und andererseits die Personen, die vor dem Lärm geschützt werden sollen.